idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
30.11.2021 11:37

Luftig und effizient

Peter Rüegg Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

    ETH-​Forschende haben einen neuen Photokatalysator aus einem Aerogel entwickelt, der eine effizientere Wasserstoffherstellung ermöglichen könnte. Möglich wird dies durch eine raffinierte Vorbehandlung des Materials.

    Aerogele sind aussergewöhnliche Materialien, die es mit über einem Dutzend Einträgen ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft haben, unter anderem als leichteste Feststoffe der Welt.

    Seit längerem arbeitet auch der ETH-​Professor Markus Niederberger vom Labor für Multifunktionsmaterialien mit diesen besonderen Stoffen. Die Spezialität seines Labors sind Aerogele aus kristallinen Halbleiter-​Nanopartikeln. «Wir sind die einzige Gruppe weltweit, die solche Aerogele in so hoher Qualität herstellen können», sagt er.

    Auf Nanopartikeln basierende Aerogele dienen beispielsweise als Photokatalysatoren. Sie werden dann eingesetzt, wenn eine chemische Reaktion mithilfe von Sonnenlicht ermöglicht oder beschleunigt werden soll, etwa bei der Herstellung von Wasserstoff.

    Als Material der Wahl für Photokatalysatoren gilt das Halbleitermaterial Titandioxid (TiO2). Doch dieses hat einen grossen Nachteil: Es kann aus dem Spektrum des Tageslichts nur den UV-​Anteil absorbieren, und dieser beträgt nur rund 5 Prozent. Soll die Photokatalyse jedoch effizient und industriell nutzbar sein, muss ein solcher Katalysator ein breiteres Spektrum nutzen können.

    Spektrum mit Stickstoffdotierung erweitern

    Niederbergers Doktorandin Junggou Kwon hat deshalb nach einem neuen Weg gesucht, wie ein Aerogel aus TiO2-​Nanopartikeln optimiert werden kann, sodass es ein breiteres Lichtspektrum ausnützen kann. Und sie hatte eine zündende Idee: Wird das TiO2-​Nanopartikel-Aerogel mit Stickstoff geimpft (oder in der Fachsprache: dotiert), sodass im Material einzelne Sauerstoff-​Atome durch Stickstoff-​Atome ersetzt werden, kann das Aerogel auch weitere Anteile des sichtbaren Lichts absorbieren. Dabei wird die Porenstruktur nicht zerstört. Die Studie ist soeben in der Fachzeitschrift «Applied Materials & Interfaces» erschienen.

    Kwon stellte zuerst das Aerogel mit TiO2-​Nanopartikeln und geringen Mengen des Edelmetalls Palladium her. Letzteres ist für die photokatalytische Herstellung von Wasserstoff wichtig. Danach leitete sie in einem Reaktor Ammoniakgas durch das Aerogel hindurch. Das führte dazu, dass sich einzelne Stickstoffatome in der Kristallstruktur der TiO2-​Nanopartikel einbetteten.

    Verändertes Aerogel macht Reaktion effizienter

    Um zu prüfen, ob das so veränderte Aerogel eine gewünschte chemische Reaktion – in dem Fall die Herstellung von Wasserstoff aus Methanol und Wasser – tatsächlich effizienter macht, entwickelte Kwon einen speziellen Reaktor, in dem sie das Aerogel direkt als ein ganzes Stück (Monolith) einsetzte. Danach leitete sie ein Gasgemisch aus Wasser-​ und Methanoldampf durch das sich im Reaktor befindende Aerogel, welches mit zwei LED-​Leuchten bestrahlt wurde. Das Gasgemisch diffundiert durch den Porenraum des Aerogels, wo es an der Oberfläche der TiO2- und Palladium-​Nanopartikel in den gewünschten Wasserstoff umgesetzt wird.

    Die Reaktion lief in diesem Testsystem stabil und kontinuierlich, ehe die Forscherin den Versuch nach fünf Tagen abbrach. «Wahrscheinlich wäre der Vorgang länger stabil gewesen», sagt Niederberger. «Gerade im Hinblick auf industrielle Anwendungen ist es wichtig, dass der Prozess möglichst lange stabil ist.» Auch mit der Ausbeute sind die Forschenden zufrieden. Das Edelmetall Palladium erhöhte die Umwandlungseffizienz zudem deutlich: In Aerogelen mit Palladium entstand bis zu 70-​mal mehr Wasserstoff als in solchen ohne.

    Gasfluss vergrössern

    Dieses Experiment diente den Forschenden vor allem als Machbarkeitsstudie. Photokatalysatoren aus Aerogelen stellen eine neue Klasse von Photokatalysatoren dar, die eine aussergewöhnliche dreidimensionale Struktur anbieten und neben der Wasserstoffherstellung auch für viele andere interessante Gasphasenreaktionen in Frage kommen. Gegenüber der heute üblichen Elektrolyse haben Photokatalysatoren den Vorteil, dass sich mit ihnen der Wasserstoff nur mit Licht und ohne Elektrizität herstellen liesse.

    Ob das von Niederbergers Gruppe entwickelte Aerogel jemals im grossen Massstab zum Einsatz kommt, ist noch ungewiss. Ungeklärt ist beispielsweise die Frage, wie der Gasfluss durch das Aerogel beschleunigt werden kann. Derzeit behindern die extrem kleinen Poren den Gasfluss zu stark. «Um ein solches System in industriellen Massstab betreiben zu können, müssen wir erst den Gasdurchfluss vergrössern und auch die Bestrahlung der Aerogele verbessern», sagt Niederberger. Mit seiner Gruppe arbeitet er bereits an diesen Fragestellungen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Markus Niederberger, Dep. Materialwissenschaft, ETH Zürich, Tel. +41 44 633 63 90; E-Mail: markus.niederberger@mat.ethz.ch


    Originalpublikation:

    Kwon J, Choi K, Schreck M, Liu T, Tervoort E, Niederberger M: Gas-​Phase Nitrogen Doping of Monolithic TiO2 Nanoparticle-​Based Aerogels for Efficient Visible Light-​Driven Photocatalytic H2 Production. ACS Applied Materials & Interfaces 2021 13 (45), 53691-​53701. DOI: 10.1021/acsami.1c12579


    Bilder

    Tablettenförmiges Aerogel aus Palladium und stickstoffdotierten TiO2-​Nanopartikeln, festgehalten mit einer Pinzette.
    Tablettenförmiges Aerogel aus Palladium und stickstoffdotierten TiO2-​Nanopartikeln, festgehalten m ...
    Markus Niederberger, ETH Zürich
    Markus Niederberger, ETH Zürich


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Energie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Tablettenförmiges Aerogel aus Palladium und stickstoffdotierten TiO2-​Nanopartikeln, festgehalten mit einer Pinzette.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).