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06.12.2021 17:00

Gasblasen in Gesteinsporen – Wiege des Lebens auf der frühen Erde

Katrin Boes Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik

    Dresdner und Münchner Forscher entwickeln schlüssiges Szenario für die Entstehung von membranlosen Mikrotröpfchen auf der frühen Erde als Ursprung des Lebens.

    Wo und wie entstand Leben auf der frühen Erde vor mehr als 3,5 Milliarden Jahren aus unbelebten chemischen Stoffen? Die Antwort auf diese Frage wird seit langem diskutiert und ist eine Herausforderung für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Mögliche Umgebungen, in denen Leben entstanden sein könnte, sind eine Möglichkeit, nach der Forscher suchen können. Eine wesentliche Voraussetzung für die ersten Zellen auf der Erde ist deren Fähigkeit, Kompartimente zu bilden und sich weiterzuentwickeln, um so erste chemische Reaktionen zu ermöglichen. Membranlose Koazervat-Mikrotröpfchen eignen sich ausgezeichnet zur Beschreibung von Protozellen, mit ihrer Fähigkeit sich zu teilen, Moleküle zu konzentrieren und biochemische Reaktionen zu unterstützen. Wissenschaftler haben bisher nicht nachweisen können, wie sich diese Mikrotröpfchen entwickelt haben könnten, um dem Leben auf der Erde auf die Sprünge zu verhelfen. Nun zeigen Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden und des Center for NanoScience (CeNS) an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München erstmals, dass das Wachstum und die Teilung von membranlosen Mikrotröpfchen in einer Umgebung, die Gasblasen in einer erhitzten Gesteinspore auf der frühen Erde ähnelt, möglich ist. Das deutet darauf hin, dass Leben dort seinen Ursprung gehabt haben könnte.

    Das Team um Dora Tang, Forschungsgruppenleiterin am MPI-CBG, zeigte 2018, dass einfache RNA in membranlosen Mikrotröpfchen aktiv ist und diese damit eine geeignete chemische Umgebung für die Entstehung des Lebens bieten. Diese Experimente wurden in einer einfachen wässrigen Umgebung durchgeführt, in der miteinander in Konflikt stehende Kräfte ausgeglichen waren. Zellen brauchen jedoch eine Umgebung, in der sie sich kontinuierlich teilen und weiterentwickeln können. Auf der Suche nach einer geeigneteren Umgebung wandte sich Dora Tang an Dieter Braun, Professor für Systembiophysik an der LMU in München. Seine Gruppe entwickelte eine Umgebung mit ungleichgewichtigen Bedingungen, in der mehrere Reaktionen gleichzeitig ablaufen können und in denen sich Zellen auch weiterentwickeln können. Diese Zellen sind allerdings nicht diese, die wir heute kennen, sondern eher deren Vorläufer, auch Protozellen genannt, die aus Koazervaten ohne Membran bestehen.

    Die Umgebung der Forschungsgruppe um Dieter Braun stellt ein wahrscheinliches Szenario auf der frühen Erde dar, wo poröses Gestein in Wasser in der Nähe von vulkanischen Aktivitäten teilweise aufgeheizt wurde. Für ihre Experimente verwendeten Dora und Dieter wasserhaltige Poren mit einer Gasblase und einem Temperaturgradienten mit einem heißen und einem kalten Pol, um zu sehen, ob sich die Protozellen teilen und weiterentwickeln würden. Alan Ianeselli, Erstautor der Studie und Doktorand im Labor von Dieter Braun, erklärt: „Wir wussten, dass die Grenzfläche zwischen dem Gas und dem Wasser Moleküle anzieht. Die Protozellen sammeln sich dort an und verbinden sich zu größeren Zellen. Deshalb haben wir auch diese spezifische Umgebung gewählt.“ Tatsächlich beobachteten die Forscher, dass Moleküle und Protozellen an die Gas-Wasser-Grenzfläche wanderten, um dort größere Protozellen aus Zucker, Aminosäuren und RNA zu bilden. Alan fährt fort: „Wir beobachteten auch, dass sich die Protozellen teilen und zerlegen konnten. Diese Ergebnisse sind möglicherweise ein Mechanismus für das Wachstum und die Teilung von membranlosen Protozellen auf der frühen Erde.“ Zusätzlich fanden die Forscher heraus, dass sich als Folge des thermischen Gradienten mehrere Typen von Protozellen mit unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung, Größe und physikalischen Eigenschaften bildeten. Daher könnte der thermische Gradient in dieser Umgebung ein evolutionären Ausleseprozess für membranlose Protozellen sein.

    Dora Tang und Dieter Braun, die die Studie geleitet haben, schlussfolgern: „Diese Arbeit zeigt zum ersten Mal, dass Gasblasen innerhalb einer erhitzten Gesteinspore ein schlüssiges Szenario für die Entstehung von membranlosen Koazervat-Mikrotröpfchen auf der frühen Erde sein könnten. Zukünftige Studien könnten weitere mögliche Umgebungen und Bedingungen für die Entstehung von Leben untersuchen.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Dora Tang
    MPI-CBG
    +49 (0) 351 210 2560
    tang@mpi-cbg.de

    Prof. Dieter Braun
    LMU
    49 (0)89 2180-2317
    dieter.braun@lmu.de


    Originalpublikation:

    Alan Ianeselli, Damla Tetiker, Julian Stein, Alexandra Kühnlein, Christof Mast, Dieter Braun and T-Y Dora Tang: “Non-equilibrium conditions inside rock pores drive fission, maintenance and selection of coacervate protocells”, Nature Chemistry, 06. Dezember 2021, doi: 10.1038/s41557-021-00830-y


    Bilder

    Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme von Protozellen in Kontakt mit einer Gasblase. Koazervat-Ansammlungen sind ein geeignetes Modell, um die ersten Protozellen auf der frühen Erde nachzuahmen und zu untersuchen, wie sich Lebens entwickelt haben könnte.
    Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme von Protozellen in Kontakt mit einer Gasblase. Koazervat-Ansammlu ...

    Alan Ianeselli / LMU


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Chemie
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme von Protozellen in Kontakt mit einer Gasblase. Koazervat-Ansammlungen sind ein geeignetes Modell, um die ersten Protozellen auf der frühen Erde nachzuahmen und zu untersuchen, wie sich Lebens entwickelt haben könnte.


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