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13.12.2021 12:10

MHH: Die Lunge vor Schäden durch künstliche Beatmung schützen

Stefan Zorn Stabsstelle Kommunikation
Medizinische Hochschule Hannover

    Forschungsteam will Mechanismen in den Lungenbläschen aufklären

    Die Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV2 kann eine Lungenentzündung auslösen. Bei schwerem Covid-19-Verlauf kann es zu einem akuten Atemnotsyndrom (ARDS) kommen. Betroffene müssen dann oft wochenlang über eine Maschine beatmet werden. Doch die mechanische Beatmung ist ein zweischneidiges Schwert: Sie übernimmt zwar die lebensnotwendige Sauerstoffversorgung, schädigt aber gleichzeitig die ohnehin durch das Virus stark angegriffene Lunge. Was bei der künstlichen Beatmung einer vorgeschädigten Lunge in den Lungenbläschen auf mikromechanischer Ebene abläuft und wie das den Lungenschaden negativ beeinflussen kann, untersucht jetzt ein Forschungsteam der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) um Professor Dr. Lars Knudsen am Institut für Funktionelle und Angewandte Anatomie und Professor Dr. Ulrich Maus an der Abteilung Experimentelle Pneumologie. Das Projekt in Kooperation mit Partnern des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über drei Jahre mit 470.000 Euro unterstützt.

    Lungenbläschen sind als feines Netz miteinander verbunden

    „Covid-19 verursacht bei schwer erkrankten Patientinnen und Patienten ein Chaos in der Lunge“, sagt Professor Knudsen. Die Viren dringen in das Lungenparenchym ein, also den Teil der Lunge, in dem die Sauerstoffaufnahme ins Blut stattfindet. Dort befallen sie bevorzugt die Verteidiger der Lungenbläschen, die Alveolären Epithelzellen Typ 2 (AE2). Sie bilden das sogenannte Surfactant (Surface active agent). Dieses spezielle Tensid verringert die Oberflächenspannung – etwa wie die Tenside im Spülmittel die Oberflächenspannung von Wasser herabsetzen. Dadurch können sich die Lungenbläschen problemlos auffalten und bleiben geöffnet, so dass der Gasaustausch möglich ist und die Lunge gleichmäßig belüftet wird. „SARS-CoV2 schädigt das Alveolarepithel und die AE2-Zellen, wodurch die Surfacant-Funktion gestört wird und die Lungenbläschen in sich zusammenfallen“, erklärt der Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie. Weil die Lungenbläschen wie eine Art schlaffer Luftballon aus vielen Falten bestehen und ähnlich wie ein feines Netz aus Gummibändern miteinander verbunden sind, üben die geschrumpften Alveolen auf ihre Nachbarn Zugkräfte aus und dehnen sie übermäßig. Dieser mechanische Stress könnte bei künstlicher Beatmung weiter erhöht werden und die nur wenige tausendstel Millimeter dünnen Wände der Lungenbläschen nachhaltig schädigen.

    Beatmungssituationen am Computer nachstellen

    Ob ein Lungenschaden durch das Zusammenspiel zwischen kollabierten und offenen Alveolen tatsächlich durch künstliche Beatmung verstärkt wird und die kollabierten Lungenbläschen als Keimzentren dafür sorgen, dass sich die Schäden im Alveolarepithel weiter ausbreiten, will das Forschungsteam nun im Mausmodell untersuchen. „Leider können wir ja nicht den Alveolen bei der Arbeit zusehen, denn unsere bildgebenden Verfahren sind zu ungenau, um die hauchdünnen Wände der Lungenbläschen darzustellen“, sagt Professor Knudsen. Die Untersuchungen stützen sich daher auf Beobachtungen an Gewebeschnitten mittels licht- und elektronenmikroskopischer Techniken.

    In vorgeschädigten, beatmeten Lungen sollen mechanische Daten wie Elastizität und Dehnbarkeit des Lungenparenchyms sowie Strukturdaten der Alveolen wie etwa die Anzahl ihrer Falten oder ihr Volumen in Computermodellen zusammengeführt werden, mit denen sich verschiedene Beatmungssituationen simulieren lassen. Da sowohl der Aufbau der Mäuselunge als auch die Mechanismen der Atmung Parallelen mit unserer Lunge aufweisen, lassen sich die Ergebnisse übertragen. „Beim Menschen spielen natürlich auch noch Gravitation, Alter und Vorerkrankungen eine Rolle“, räumt der Pneumologe ein. Generell ließen sich aber allgemeine Rückschlüsse ziehen, unter welchen Voraussetzungen eine künstliche Beatmung die Lunge am wenigsten schädige. Außerdem will das Forschungsteam testen, ob sich die Lungenbläschen mit Hilfe von fein vernebeltem Surfactant frühzeitig stabilisieren lassen, und so einer zusätzlichen Schädigung durch mechanische Beatmung vorgebeugt werden könnte.

    Hintergrundinformation: So funktioniert der Gasaustausch in der Lunge
    Die Lungenbläschen (Alveolen) sind Ausstülpungen der Atemwege, welche das Feingewebe der Lunge bilden. Mit Blutgefäßen (Kapillaren) überzogen, sind sie der Ort, wo der Gasaustausch zwischen dem Blut und der Luft stattfindet. An diesen Stellen gelangt der lebenswichtige Sauerstoff aus eingeatmeter Luft in die Blutgefäße der Lunge und wird mit dem Blutstrom zu den Organen und Geweben transportiert. Gleichzeitig gibt das Blut in den Lungengefäßen das Kohlendioxid wieder in die Lungenbläschen ab, das dann ausgeatmet wird.

    SERVICE:

    Weitere Informationen erhalten Sie bei Professor Dr. Lars Knudsen, knudsen.lars@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-2888.


    Bilder

    Professor Dr. Lars Knudsen mit einem Ausgussmodell einer menschlichen Lunge.
    Professor Dr. Lars Knudsen mit einem Ausgussmodell einer menschlichen Lunge.
    Copyright: Karin Kaiser / MHH


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    regional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Professor Dr. Lars Knudsen mit einem Ausgussmodell einer menschlichen Lunge.


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