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14.04.2004 14:34

100 Jahre Frauenstudium an der Universität Tübingen

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Veranstaltungsreihe erinnert an den Kampf der Frauen um Universitätszugang

    Mit einem Festakt im historischen Lesesaal der Universitätsbibliothek Tübingen beginnt am 21. April um 19 Uhr die Veranstaltungsreihe "100 Jahre Frauenstudium an der Universität Tübingen". Während des gesamten Sommersemesters widmen sich zahlreiche Ausstellungen, Vorträge und Diskussionen dem Kampf der Frauen um höhere Bildung und ihren Beitrag zur Wissenschaft. Die Reihe erinnert daran, dass sich vor 100 Jahren zum ersten Mal Studentinnen in Tübingen ordentlich einschreiben durften. Die Veranstaltungen werden von der Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit dem Bildungszentrum und Archiv zur Frauengeschichte Baden-Württemberg und dem Verein Frauen & Geschichte Baden-Württemberg organisiert.

    In Rahmen des Studium Generale wird in einer Ringvorlesung ausgewählten Themen zur Geschichte des Frauenstudiums in Tübingen nachgespürt. Die Vorträge können von allen Interessierten vom 21. April bis zum 23. Juni jeweils mittwochs um 20 Uhr im Hörsaal 22 des Kupferbaus an der Hölderlinstr. 5 besucht werden. Daneben illustriert eine zentrale Ausstellung in der Universitätsbibliothek, Wilhelmstr. 32, die Entwicklung des Frauenstudiums in Tübingen vom Kaiserreich bis heute. Sie ist vom 22. April bis zum 25. Juni wochentags zwischen 8 und 19 Uhr geöffnet.

    Nähere Informationen zum Programm der Veranstaltungsreihe finden Sie unter:
    www.uni-tuebingen.de/frauenstudium

    Vor 100 Jahren am 5. Mai 1904 beschloss der Senat der Universität Tübingen, auch Frauen zum ordentlichen Studium an der Universität zuzulassen. Damit erhielten Frauen erstmals das Recht, sich "unter den gleichen Voraussetzungen und in der gleichen Weise wie männliche Personen an der Universität Tübingen als ordentliche Studierende" (Erlass des württembergischen Königs vom 17. Mai 1904) zu immatrikulieren. Mit diesem Beschluss feierte der jahrelange Kampf der Frauenbewegung um ein ordentliches Frauenstudium einen wichtigen Erfolg.

    In Tübingen hat dieser Kampf am Ende des 19. Jahrhunderts begonnen. Obwohl in anderen europäischen Ländern, beispielsweise in Frankreich seit 1863, Frauen an Universitäten zugelassen wurden, war ihnen in Württemberg dieser Zugang verwehrt. Trotzdem fragte die Studentin Alexandra Popowa 1873 beim Tübinger Rektorat an, ob sie hier ihr in Zürich begonnenes Studium fortsetzen dürfe. Der Senat stimmte einstimmig gegen die Anfrage. Weiteren Bitten von Frauen in den folgenden Jahren erging es nicht anders. Erst 1892 erhielt Maria von Linden als erste Frau eine Zulassung zum Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften. Auch die Möglichkeit, als Hörerinnen Vorlesungen zu besuchen, wurde in den folgenden Jahren in einzelnen Fällen gewährt. Bis 1904 konnten so insgesamt 20 Frauen Lehrveranstaltungen an der Universität besuchen.

    Diese Zulassungen waren jedoch weniger einer fortschrittlichen Einstellung der Universitätsleitung zu verdanken, sondern dem Engagement der betroffenen Frauen und der Politik der bürgerlichen Frauenbewegung. Durch zahlreiche Petitionen übten sie Druck auf Regierungsstellen aus und initiierten eine öffentliche Diskussion über Frauenbildung. Diese führte 1899 in Stuttgart zur Eröffnung eines Mädchengymnasiums. Ziel dieser Einrichtung war es, Frauen über den Zugang zur Universität die Ausübung akademischer Berufe zu ermöglichen. Als dann 1904 der erste Abitursjahrgang seinen erfolgreichen Abschluss feiern konnte, hatten zum erstenmal in Württemberg Frauen auf einem regulären institutionellen Weg die Hochschulreife erlangt. Dieser Umstand war ein wesentlicher Grund für den Beginn des Frauenstudiums in Tübingen im gleichen Jahr.

    Doch die Hoffnung der Frauen auf freien Zugang zu akademischen Berufen erfüllte sich damit noch nicht. Erst 1920 fiel in ganz Deutschland das Habilitationsverbot für Frauen. In Tübingen habilitierte sich sogar erst 24 Jahre später eine Frau. Zudem blieb der Zugang zu den Universitäten in den folgenden Jahrzehnten regelmäßigen Einschränkungen unterworfen. Besonders in knappen Zeiten gab es für Frauen Zulassungsbeschränkungen, wie beispielsweise nach dem I. Weltkrieg. Auch als die Universität Tübingen nach dem II. Weltkrieg ihren Lehrbetrieb wieder aufnahm, wurden Kriegsheimkehrer bevorzugt und Frauen zum Sommersemester 1946 sogar ganz von der Neuimmatrikulation ausgeschlossen. In der Folgezeit sank der Frauenanteil an der Universität von 50% während des Krieges auf 20% in der Nachkriegszeit ab. Erst durch die Debatte um Chancengleichheit in den 60er und 70er Jahren erhöhte sich der Studentinnenanteil wieder auf 40%.

    Mittlerweile sind über die Hälfte aller Studierenden an der Universität Tübingen Frauen. Auf der akademischen Karriereleiter sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert: so sinkt der Anteil der Frauen, je höher die akademische Position ist. Trotz der nachweislich besseren Abschlüsse auch in Tübingen wird nur jede dritte Promotion von einer Frau gemacht. Und einer weiblichen C4-Professorin stehen statistisch 32 männliche Professoren gegenüber.

    Für weitere Informationen:
    Melanie Stelly
    Büro der Frauenbeauftragten, Wilhelmstr. 26, 72074 Tübingen
    Tel.: 0701 / 29 - 74958
    frauenbuero@uni-tuebingen.de

    Bei der Pressemitteilung im Netz finden Sie Abbildungen, die wir Ihnen auf Anforderung gerne per E-mail zusenden (http://www.uni-tuebingen.de/uni/qvo/index.html) . Die Ausstellungsposter können Sie in Kopie per Post erhalten.


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-tuebingen.de/frauenstudium


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Recht
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Studium und Lehre
    Deutsch


     

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