Musclin, ein hormonähnlicher Botenstoff des Skelettmuskels, wirkt als Schutzfaktor vor einer krankhaften Überlastung des Herzens
Wissenschaftler des European Center for Angioscience (ECAS) der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben erstmals gezeigt, dass Skelettmuskeln mit dem Herzen interagieren und dieses schützen.
Die chronische Herzschwäche – im Fachjargon: Herzinsuffizienz – ist weltweit auf dem Vormarsch. Die sehr verbreitete Erkrankung ist dadurch gekennzeichnet, dass das Herz nicht mehr in der Lage ist, den Körper ausreichend mit Blut, und damit mit Sauerstoff, zu versorgen. Die Ursachen für eine Herzinsuffizienz können vielfältig sein, zu den begünstigenden Risikofaktoren zählen beispielweise Bluthochdruck, Erkrankungen des Herzmuskels oder ein Herzinfarkt.
Die chronische Herzschwäche ist eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Besonders gefährdet sind die etwa 20 Prozent der Patienten, die im Zuge der Erkrankung einen signifikanten Abbau von Muskelgewebe zeigen. Gegenüber Patienten ohne Muskelschwund haben diese ein deutlich höheres Risiko, an der Herzschwäche zu versterben.
Wissenschaftler der Abteilung Kardiovaskuläre Physiologie am ECAS und am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislaufforschung, unter der Leitung von Professor Dr. Jörg Heineke, haben gemeinsam mit Forschern der MHH den Zusammenhang zwischen dem Abbau von Skelettmuskeln und der Herzschwäche untersucht. Sie sind dabei einem Botenstoff des Muskels, einem sogenannten Myokin, auf die Spur gekommen, der das Herz im Normalfall schützen kann. Der hormonähnliche Botenstoff heißt Musclin, wird im Skelettmuskel – nicht aber im Herzmuskel – gebildet und schützt das Herz auf zweierlei Weise: Musclin stärkt die Kraft der Herzmuskelzelle und verhindert die Ablagerung von Bindegewebe – und wirkt damit einer Fibrose entgegen.
Ihre Erkenntnisse gewannen die Wissenschaftler anhand von Mausmodellen. Wie beim Patienten zeigen sich auch im Mausmodell der Herzinsuffizienz stark erniedrigte Level an Musclin, sowohl im Muskel als auch im zirkulierenden Blut. Wird diesen herzschwachen Mäusen mittels Gentherapie Musclin in den Skelettmuskel verabreicht, also ein Mehr an Musclin erzeugt, so mildert dies die Herzschwäche. Dass ein Fehlen von Musclin im Skelettmuskel die Herzschwäche verschlechtert, zeigen genetische veränderte Mäuse, denen Musclin spezifisch im Skelettmuskel fehlt.
Musclin wird vor allem in Skelettmuskeln gebildet. Von dort gelangt es über den Blutstrom in das Herz, wo es unterschiedliche Reaktionen auslöst: Bindet Musclin an Herzmuskelzellen, so stärkt dies deren Muskelkraft, bindet es an Bindegewebszellen, so unterbindet es die Fibrose. „Wir haben damit erstmals gezeigt, dass der Skelettmuskel Stoffe ausschüttet, die über den Blutfluss dem Herzen zugeführt werden und dieses schützen“, fasst Dr. Malgorzata Szaroszyk, eine der beiden Erstautoren der im renommierten Journal Nature Communications veröffentlichten Arbeit*, zusammen.
„Da der Botenstoff Musclin beim Sport vermehrt gebildet wird, nehmen wir an, dass ein sportlich trainierter Muskel zur Herzgesundheit beitragen kann“, ergänzt Dr. Badder Kattih, ebenfalls Erstautor der Studie.
Für die Therapie der chronischen Herzinsuffizienz eröffnen die aktuellen Forschungsergebnisse eine mögliche Strategie: „Da in der Skelettmuskulatur von Patienten mit Herzinsuffizienz eine verringerte Expression des Musclins festzustellen ist, wäre es durchaus denkbar, dass eine Überexpression dieses Proteins im Muskel der Erkrankung entgegenwirken könnte“, folgert Professor Heineke zuversichtlich.
Prof. Dr. Jörg Heineke
Head of the Department of Cardiovascular Physiology
European Center for Angioscience
Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
phone: 0621/383-71855
email: Joerg.Heineke@medma.uni-heidelberg.de
website: https://www.umm.uni-heidelberg.de/kardiovaskulaere-physiologie/
Szaroszyk, M., Kattih, B., Martin-Garrido, A. et al.
Skeletal muscle derived Musclin protects the heart during pathological overload.
Nat Commun 13, 149 (2022).
https://doi.org/10.1038/s41467-021-27634-5
Prof. Dr. med. Jörg Heineke
FGV-Medienzentrum
Medizinische Fakultät Mannheim
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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