idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
24.01.2022 14:57

Tonga-Vulkan: Forschende staunen über Wellenmuster in der Atmosphäre

Dipl.-Biologin Annette Stettien Unternehmenskommunikation
Forschungszentrum Jülich

    Die Analyse von Satellitendaten mit dem Jülicher Supercomputer JUWELS machte außergewöhnliche Muster von Schwerewellen sichtbar, wie sie bislang bei keinem anderen Vulkanausbruch beobachtet wurden. Die renommierte Fachzeitschrift Nature berichtete. Dr. Lars Hoffmann vom Jülich Supercomputing Centre erläutert im Interview den Hintergrund dieses einzigartigen Naturphänomens.

    Schon zum Jahreswechsel rumorte der Unterseevulkan Hunga Tonga-Hunga Ha’apai. Am 15. Januar 2022 folgte dann eine überaus heftige Eruption, deren Echo bis Alaska zu hören war. Der Ausbruch verwüstete mehrere Inseln des südpazifischen Inselstaats Tonga durch Wasserfluten und Ascheregen. Seit wenigen Tagen erreichen nun erste Hilfslieferungen das 2.400 Kilometer nördlich vor Neuseeland liegende Königreich. Doch der Vulkan löste nicht nur einen folgenschweren Tsunami an den Küsten und eine massive Druckwelle in bodennahen Luftschichten aus. Er verursachte zudem ein sich über 10.000 Kilometer ausbreitendes konzentrisches Muster von sogenannten Schwerewellen in der Stratosphäre. Das sind Luftschwingungen, die das Klimageschehen weltweit beeinflussen. Sichtbar wurde dieses einzigartige Naturphänomen durch eine spezielle Analyse von Daten, die der Atmospheric Infrared Sounder (AIRS) des Aqua-Satelliten der NASA liefert und welche kontinuierlich auf dem Jülicher Supercomputer JUWELS ausgewertet werden.
    Drei Fragen an Dr. Lars Hoffmann vom Jülich Supercomputing Centre

    Welches Ziel verfolgen Sie mit den Messdaten des AIRS-Instruments?

    Dr. Lars Hoffmann: Mit Hilfe der Messdaten machen wir Schwerewellen in der Stratosphäre sichtbar. Schwerewellen sind Luftschwingungen und sie entstehen üblicherweise wenn starke Winde auf hohe Gebirge treffen, wie die Anden oder Felsformationen in der Antarktis oder Norwegen, oder auch bei starken Gewitterstürmen, als Folge von rasch aufsteigender warmer Luft. Sie breiten sich von ihrem Entstehungsort vertikal nach oben aber auch horizontal zur Seite aus. Normalerweise brechen diese Wellen nach einigen hundert Kilometern. Ich habe eine Software entwickelt, mit denen die AIRS-Daten kontinuierlich analysiert werden. Aktuelle Resultate veröffentlichen wir täglich auf einer frei zugänglichen Internetseite, so dass auch andere Forschende davon profitieren.

    Welche Rolle spielen diese Schwerewellen?

    Hoffmann: Schwerewellen spielen eine zentrale Rolle für die Dynamik der Atmosphäre. Sie beeinflussen Winde, Temperaturen und die Zusammensetzung der mittleren und oberen Erdatmosphäre und somit das Wetter- und Klimageschehen auf der gesamten Welt. Sie können sogar den Polarwirbel über der Antarktis schwächen. Zudem tragen Schwerewellen zur Wolkenbildung bei und beeinflussen die Luftzirkulation in der Stratosphäre bis in Höhen von 50 Kilometern und darüber hinaus. Es ist wichtig, Schwerewellen korrekt in Wetter- oder Klimamodelle einzurechnen, sonst erhält man ungenaue Prognosen.

    Was ist das Besondere an der Wellenformation, die durch den Ausbruch des Vulkans Hunga Tonga-Hunga Ha’apai verursacht wurde?

    Hoffmann: Die Satellitenmessung des konzentrischen und über 10.000 Kilometer reichenden Wellenmusters in der Stratosphäre ist bisher einzigartig. Als der Pinatubo 1991 mit noch größerer Wucht ausbrach, gab es keinen entsprechenden satellitengestützten Infrarot-Sensor. Bei kleineren Vulkanausbrüchen der vergangenen 20 Jahre zeigten die AIRS-Daten keine vergleichbaren Luftschwingungen. Eine Theorie ist, dass Schwerewellen bei einem sehr heftigen Vulkanausbruch wie dem kürzlich in Tonga durch das rasche Aufsteigen von heißer Asche und Luft in die Stratosphäre ausgelöst werden. Für das Wetter oder Klima wird dieses einzelne relativ kurze Schwerewellen-Ereignis nach erster Einschätzung keine langfristigen Folgen haben. Für die Forschung ist das Naturphänomen aber von großem Wert: Wir prüfen damit, ob unsere Klima- und Wettermodelle die Bildung und Ausbreitung von Schwerewellen korrekt wiedergeben. Mit den Daten aus der Natur verbessern wir dann die Prognosekraft der Simulationsrechnungen für eine treffendere Vorhersage. Bei aller Begeisterung über die wissenschaftlichen Beobachtungen sollten wir aber nicht vergessen, dass der Vulkanausbruch für die Menschen vor Ort ein Schicksalsschlag ist.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Lars Hoffmann
    Jülich Supercomputing Centre (JSC)
    Tel.: +49 2461 61-1978
    E-Mail: l.hoffmann@fz-juelich.de


    Originalpublikation:

    Nature News "Tonga volcano eruption created puzzling ripples in Earth’s atmosphere" vom 18. Januar 2022, DOI: 10.1038/d41586-022-00127-1 https://www.nature.com/articles/d41586-022-00127-1

    "Tonga-Vulkan: Mysteriöse Wellen in der Atmosphäre entdeckt" vom 19. Januar 2022 auf Spektrum.de (deutsche Übersetzung des Nature-Beitrags) https://www.spektrum.de/news/tonga-vulkan-mysterioese-wellen-in-der-atmosphaere-...


    Weitere Informationen:

    https://datapub.fz-juelich.de/slcs/airs/gravity_waves/ Datenportal und Nah-Echtzeitanalyse von Schwerewellen durch das AIRS-Instrument auf dem Aqua-Satelliten der NASA
    https://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/UK/DE/2022/2022-01-24-sc... Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich mit Bildmaterial


    Bilder

    In den Aufnahmen des AIRS-Instrument werden ringförmige Wellen sichtbar. Am unteren Bildrand sind die Umrisse Neuseelands zu sehen, links die des australischen Kontinents.
    In den Aufnahmen des AIRS-Instrument werden ringförmige Wellen sichtbar. Am unteren Bildrand sind di ...
    Lars Hoffmann
    Forschungszentrum Jülich / Lars Hoffmann

    Dr. Lars Hoffmann, Leiter des Simulation and Data Laboratory Climate Science am Jülich Supercomputing Centre
    Dr. Lars Hoffmann, Leiter des Simulation and Data Laboratory Climate Science am Jülich Supercomputin ...
    Ralf-Uwe Limbach
    Forschungszentrum Jülich / Ralf-Uwe Limbach


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geowissenschaften, Informationstechnik, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    In den Aufnahmen des AIRS-Instrument werden ringförmige Wellen sichtbar. Am unteren Bildrand sind die Umrisse Neuseelands zu sehen, links die des australischen Kontinents.


    Zum Download

    x

    Dr. Lars Hoffmann, Leiter des Simulation and Data Laboratory Climate Science am Jülich Supercomputing Centre


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).