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03.02.2022 11:09

Biomimetisches Trommelfellimplantat: Ergebnis erfolgreicher Kooperation von Medizin und Wirtschaft

Frauke Frodl Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V.

    Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung: Erstmalig dauerhafte und komplette Rehabilitation des Trommelfells

    Über 30 Millionen Menschen leiden jährlich an den Folgen eines defekten Trommelfells. Ohne fachmedizinische Behandlung kann dies zu dauerhaften Schäden und schwerem Hörverlust führen. Ein Forschungsprojekt zu einem künstlichen Trommelfellimplantat, das erstmals die körpereigenen Schwingungseigenschaften exakt widergibt, war Ende 2021 unter den Nominierten für den Otto von Guericke-Preis der AiF Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. Sie vergibt den mit 10.000 Euro dotierten Preis seit 1997 an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für besondere Innovationsleistungen auf dem Gebiet der vorwettbewerblichen Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF).

    Erstmalig: Dauerhafte und komplette Rehabilitation des Trommelfells

    Zur Rekonstruktion des Trommelfells, der sogenannten Myringoplastik, werden heute körpereigene Knorpel-, Muskelhaut oder synthetische Materialien eingesetzt. „Da deren Materialeigenschaften nicht denen des natürlichen Trommelfells entsprechen, ist damit eine vollständige Rehabilitation der Trommelfell-Funktion nicht möglich“, erklärt Professor Marcus Neudert vom Ear Research Center Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO) Dresden der Technischen Universität Dresden.

    Dr.-Ing. Dilbar Aibibu und Lukas Benecke vom Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungstechnik der Technischen Universität Dresden sowie Dr.-Ing. Zhaoyu Chen und Neudert von der HNO-Uniklinik entwickelten innerhalb des IGF-Vorhabens „MyringoSeal“ ein biomimetisch aufgebautes künstliches Trommelfellimplantat, dessen Schwingungseigenschaften und Druckstabilität mit denen eines menschlichen Trommelfells vergleichbar sind. „Das ist bisher einmalig. Die neuartige Membran ermöglicht eine dauerhafte und komplette Wiederherstellung des Trommelfells. Die Herstellung solcher Implantate ist mithilfe der Elektrospinntechnologie aus den Biomaterialien Seidenfiboin und Polycaprolacton realisierbar“, beschreibt Aibibu die Forschungsergebnisse. Anders als die aktuell verwendeten Materialien erlaube das Trommelfellimplantat eine naturgetreue Schallleitung. Es fühle sich, laut Chen, operativ wie natürliches Gewebe an. „Bei der Entwicklung achteten wir darauf, dass es sich um schneidbare Materialien handelt. Damit kann die Membran direkt an den Trommelfelldefekt des Patienten oder der Patientin angepasst werden“, so Benecke weiter. Das Material halte aufgrund seiner Eigenschaften auch über Wasseradhäsion an Ort und Stelle, da Naht- und Klebetechniken in diesem Bereich naturgemäß nicht eingesetzt werden können.

    Forschungsergebnisse auch in völlig anderen Branchen anwendbar

    Die Forschenden kooperierten in dem IGF-Projekt unter anderem mit der Heinz Kurz GmbH aus Dusslingen. Deren Geschäftsführer Matthias Mertens fasst seine Erfahrungen zusammen: „Als mittelständischer Hersteller von Medizinprodukten, gerade im Bereich der HNO und der Passiven Mittelohrimplantate, sind wir von den Ergebnissen begeistert. Zum einen, weil sich für den Patienten völlig neue Therapien auftuen, für die es bisher keine Option gab. Zum anderen stärkt es uns auch im Wettbewerb, indem wir uns von dem, was auf dem Markt ist, abgrenzen können.“

    Weiter betont Dr. Andreas Förster, Geschäftsführer der DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V., eines von 100 AiF-Mitgliedern: „‘MyringoSeal‘ ermöglicht die passgenaue Herstellung von komplexen Fasermaterialien. Dadurch ergeben sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, nicht nur in der Medizintechnik, sondern auch in anderen Branchen, wie der Elektrotechnik oder der Architektur. Faktoren wie die anwendungsorientierte Zusammenarbeit mit kleinen und mittleren Unternehmen sowie die branchenübergreifende Nutzungsoption der Forschungsergebnisse machen dieses Projekt zu einem herausragenden Beispiel der Industriellen Gemeinschaftsforschung.“

    Das vorwettbewerbliche IGF-Projekt wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit öffentlichen Mitteln gefördert. Die AiF begleitet und koordiniert die IGF im Auftrag des BMWK. Im Jahr 2021 stellte das Bundeswirtschaftsministerium für die Industrielle Gemeinschaftsforschung rund 200 Millionen Euro für herausragende Forschungsprojekte und die Netzwerkbildung zwischen mittelständischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen bereit.

    Einen vierminütigen Film zum Projekt finden Sie im Medienraum der AiF-Website.
    Eine kurze Vorstellung aller 2021 für den Otto von Guericke-Preis nominierten IGF-Projekte gibt es ebenfalls auf der Website der AiF.

    Ansprechpartner zum IGF-Projekt:

    Prof. Dr. med. Marcus Neudert, Uniklinikum Dresden, E-Mail: marcus.neudert(at)ukdd(.)de, Tel.: +49 351 458 3107
    Dr. Andreas Förster, Geschäftsführer der DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V., E-Mail: andreas.foerster(at)dechema(.)de, Tel.: +49 69 7564 409

    Über die AiF

    Die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. ist das Forschungsnetzwerk für den deutschen Mittelstand. Sie fördert Forschung, Transfer und Innovation. Als Dachverband von 100 gemeinnützigen Forschungsvereinigungen mit mehr als 50.000 eingebundenen Unternehmen und über 1.200 beteiligten Forschungseinrichtungen leistet sie einen wichtigen Beitrag, die Volkswirtschaft Deutschlands in ihrer Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken. Die AiF als gemeinnütziger Verein organisiert die Industrielle Gemeinschaftsforschung und betreut über die AiF Projekt GmbH und die AiF F∙T∙K GmbH, ihre einhundertprozentigen Tochtergesellschaften, weitere Förderprogramme der öffentlichen Hand. Im Jahr 2021 setzte die AiF über 557 Millionen Euro an öffentlichen Fördermitteln ein. Seit ihrer Gründung im Jahr 1954 lenkte sie rund 13,5 Milliarden Euro öffentliche Fördermittel in neue Entwicklungen und Innovationen und brachte mehr als 245.000 Forschungsprojekte auf den Weg.

    Pressekontakt

    AiF e.V., Frauke Frodl, presse(at)aif(.)de, Telefon: +49 30 64475 215


    Bilder

    Lukas Benecke, Dr.-Ing. Dilbar Aibibu,  Dr.-Ing. Zhaoyu Chen (v.r.)
    Lukas Benecke, Dr.-Ing. Dilbar Aibibu, Dr.-Ing. Zhaoyu Chen (v.r.)

    AiF


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    jedermann
    Biologie, Medizin, Politik, Werkstoffwissenschaften, Wirtschaft
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Kooperationen
    Deutsch


     

    Lukas Benecke, Dr.-Ing. Dilbar Aibibu, Dr.-Ing. Zhaoyu Chen (v.r.)


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