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07.02.2022 13:40

Von der Deutschen Bucht in die Tiefsee: Die erstaunliche Wanderung der Hundshaie

Dr. Michael Welling Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei

    Forschende des Thünen-Instituts können erstmals nachweisen, dass die heimische Haiart ihr Schwimmverhalten komplett verändert, wenn sie aus der flachen Nordsee um Helgoland in den offenen Ozean wandert – Studienergebnisse in Scientific Reports veröffentlicht

    Bei der Erforschung der Wanderrouten erwachsener Hundshaie haben Wissenschaftler*innen des Thünen-Instituts eine überraschende Entdeckung gemacht: Einige der bedrohten Tiere wanderten nicht nur aus der flachen, südlichen Nordsee um Helgoland bis in den offenen Atlantik, sondern sie unternahmen dort ausgeprägte Vertikalwanderungen in die Tiefsee. Die Haie folgen dabei wahrscheinlich ihrer bevorzugten Beute, den Kalmaren, bei deren täglichen Wanderungen aus Tiefen von mehreren hundert Metern an die Meeresoberfläche und zurück. Dies konnten die Thünen-Forscher*innen zeigen, indem sie Messdaten von Satellitensendern, mit denen die Hundshaie zuvor bestückt worden waren, mit Echolotdaten von Forschungsreisen im Nordatlantik kombinierten.

    Hundshaie, die bis zu zwei Meter groß werden können, gelten eigentlich als Bewohner der Kontinentalschelfe und flachen Küstenmeere, wurden aber auch schon in Hochseegebieten und dort auch in größerer Wassertiefe nachgewiesen. Die übermittelten Messdaten der bei Helgoland mit Satellitensendern markierten Haie konnten diese Beobachtung bestätigen. Sehr überraschend für die Forschenden war jedoch, dass einige dieser Tiere nicht nur besonders weit in den offenen Atlantik wanderten (ein Tier wanderte sogar bis in die Gewässer um die portugiesische Insel Madeira), sondern dort ihr vorheriges Schwimmverhalten änderten und Wassertiefen von über 700 Metern aufsuchten.

    Bei näherer Betrachtung der Daten zur Tiefenverteilung der markierten Haie erkannten die Wissenschaftler*innen wiederkehrende Muster: In den offenen Gebieten des Nordatlantiks hielten sich die Tiere nachts überwiegend in oberflächennahen Schichten von bis zu 150 Meter Wassertiefe auf und wanderten dann bei Sonnenaufgang in Tiefen von 400 bis 600 Meter, wo sie bis Sonnenuntergang blieben, um dann wieder in Richtung Oberfläche aufzusteigen.

    Im Rahmen der aktuellen Studie, die in Scientific Reports veröffentlicht worden ist, und an der neben deutschen und schottischen Forschenden auch Wissenschaftler*innen aus den Niederlanden und Spanien beteiligt sind, wurden die Tiefenprofile der Haie mit Echolotdaten von mehreren Forschungsreisen im Nordostatlantik verglichen. In allen Weltmeeren sind in vielen hundert Metern Tiefe deutliche Schichten auf dem Echolot erkennbar, sogenannte Echostreuschichten, die durch eine enorme Dichte und Biomasse an mesopelagischen Organismen gekennzeichnet sind. „Indem wir die Messdaten der Haie und der Echolote quasi übereinandergelegt haben, konnten wir eindeutig zeigen, dass sich die Hundshaie im offenen Atlantik fast durchgehend innerhalb dieser Echostreuschichten aufhielten“, erläutert Dr. Matthias Schaber, Erstautor der Studie vom Thünen-Institut für Seefischerei. „Mesopelagische Organismen – eine Vielzahl von Tieren, von der kleinen Leuchtgarnele über Quallen und Tintenfische bis zu kleinen und größeren Fischen – halten sich vorwiegend in großen Tiefen auf, in die sehr wenig bis kein Licht mehr vordringt. Viele dieser Tiere wandern jedoch täglich im Schutz der Dunkelheit zur Meeresoberfläche und kehren tagsüber in die dunklen Tiefen der Ozeane zurück. Diese Wanderung gilt biomassemäßig als die größte Wanderung im Tierreich – und die Hundshaie wandern offenbar mit.“

    Das Team um Schaber konnte darüber hinaus zeigen, dass die Haie sich vor allem dort aufhielten, wo die Echodaten auf ein erhöhtes Auftreten von Kalmaren hindeuteten. „Die Hundshaie ändern also in Hochseegebieten, die durch eine relative Nahrungsarmut in Oberflächennähe gekennzeichnet sind, ihr Schwimmverhalten, um aus der reichhaltigen Quelle der mesopelagischen Wanderer ihre Lieblingsbeute, die Kalmare, abschöpfen zu können“, so Schaber. „Das ist bisher noch nie so detailliert nachgewiesen worden.“

    Hundshaie gelten weltweit als vom Aussterben bedroht und sind auch auf der nationalen Roten Liste gefährdeter Arten als „stark gefährdet” eingestuft. Der Hauptgrund für die Gefährdung ist jahrzehntelange intensive Fischerei. Wegen langsamen Wachstums, später Geschlechtsreife und geringer Nachkommenzahl sind Hundshaie besonders empfindlich gegenüber der Fischerei, sowohl gegenüber dem gezielten Fang, als auch dem Beifang in einer Vielzahl von Fischereien. Zur Identifizierung kritischer Habitate – also Gebiete, in denen die Haie zum Beispiel ihren Nachwuchs zur Welt bringen oder sich saisonal gehäuft aufhalten – und zur Ableitung von Schutzmaßnahmen, die auf der Eingrenzung solcher Gebiete basieren können, markieren die Wissenschaftler*innen des Thünen-Instituts seit 2017 regelmäßig Hundshaie während ihrer sommerlichen Ansammlungen um Helgoland mit Satellitensendern.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Matthias Schaber
    Thünen-Institut für Seefischerei, Bremerhaven
    Tel.: 0471 94460-452
    matthias.schaber@thuenen.de


    Originalpublikation:

    Schaber, M., Gastauer, S., Cisewski, B. et al. Extensive oceanic mesopelagic habitat use of a migratory continental shark species. Sci Rep 12, 2047 (2022).
    https://doi.org/10.1038/s41598-022-05989-z


    Bilder

    Ein Hundshai (Galeorhinus galeus) schwimmt davon, nachdem er mit einem Satellitensender bestückt und wieder in die Nordsee entlassen wurde.
    Ein Hundshai (Galeorhinus galeus) schwimmt davon, nachdem er mit einem Satellitensender bestückt und ...
    C. Howe
    C. Howe/H2Owe, Thünen-Institut/M. Schaber


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Biologie, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Ein Hundshai (Galeorhinus galeus) schwimmt davon, nachdem er mit einem Satellitensender bestückt und wieder in die Nordsee entlassen wurde.


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