idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
08.02.2022 12:27

ERC-„Proof of Concept“-Grant für Gaetano Gargiulo

Jana Schlütter Kommunikation
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft

    Hochdurchsatzmethoden für die Suche nach neuen Krebsmedikamenten basieren oft auf grob vereinfachten Modellen. So vernachlässigen sie die häufigsten Zellzustände, die bei Krebs auftreten. MDC-Forscher Gaetano Gargiulo will mit einem ERC Proof of Concept Grant eine Lösung für dieses Problem finden.

    Krebszellen täuschen den Körper auf perfide Art und Weise. Dabei verändern sie nicht nur ihr Erbgut und werden so vielfältiger. Sie können auch immer wieder ihren Zustand wechseln. „Wer Krebszellen mit präzisen Therapien zu fassen kriegen will, muss ihre ganze Heterogenität beachten und mögliche Ausweichmanöver einkalkulieren“, sagt Dr. Gaetano Gargiulo, der Leiter der Arbeitsgruppe „Molekulare Onkologie“ am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC). Es wird immer klarer, dass die Zellzustände unbedingt dazugehören. Er und seine Kolleg*innen haben eine Technologie erfunden, die sie sichtbar machen und ihren Verlauf dokumentieren kann.

    Die Zellen vieler solider Tumore, einschließlich der häufigen Lungen-, Brust-, Dickdarm- und Bauchspeicheldrüsenkrebsarten, machen sich ein Zellprogramm aus der Embryonalentwicklung zunutze: die epithelial-mesenchymale Transition (EMT). Wenn epitheliale Tumorzellen in den mesenchymalen Zustand übergehen, können sie zum Beispiel leichter durch den Körper wandern und sie reagieren anders auf Krebsmedikamente. Mithilfe ihrer neuen Technologie konnten Gargiulo und sein Team zum Beispiel zeigen, dass Immunzellen dabei zu Kollaborateuren werden können. Im Gehirn helfen sie den Zellen des Glioblastoms, in einen mesenchymalen Zustand überzugehen und so resistent gegen eine Chemotherapie zu werden. Auch beim Lungenkrebs hat das Team die Zustandsänderungen verfolgt. „Und sie sind keine Einbahnstraße“, sagt Gargiulo.

    Die Erfindung der molekularen Reporter, die den Übergang sichtbar machen, war Teil eines Projekts, das der Europäische Forschungsrat ERC bereits mit einem Starting Grant fördert. Schnell war Gargiulo und seinem Team klar, dass die Technologie nicht nur für ihre eigenen Forschungsfragen relevant ist. Sie könnte die Suche nach neuen Wirkstoffen gegen Krebs effektiver machen. Das sieht auch der ERC so und fördert nun die ersten Schritte zur Kommerzialisierung der Erfindung mit einem „Proof of Concept“-Grant über 150.000 Euro. Gargiulo ist einer 166 Forscherinnen und Forschern aus ganz Europa, die der ERC in diesem Jahr so unterstützt und den Weg dafür ebnet, dass ihre Ergebnisse in breit verfügbare Lösungen übersetzt werden können.

    Effektiver nach neuen Wirkstoffen gegen Krebs suchen

    Gargiulos Projekt soll vor allem die Hochdurchsatz-Methoden verbessern, mit denen Wissenschaft und Pharmaindustrie nach neuen Krebsmedikamenten suchen. Um ganze Wirkstoff-Bibliotheken in einem Screening testen, nutzen sie etablierte Zelllinien als Standard-Modelle. „Dieser Ansatz ist allerdings derzeit zu grob vereinfacht. Denn Informationen zu den Zellzustände werden dabei weder erhoben noch im Prozess berücksichtigt“, sagt Gargiulo. „Dabei beeinflussen sie grundlegend, ob Therapeutika wirken können oder nicht. Und es ist mittlerweile Konsens, dass künftig eine Kombination verschiedener Wirkstoffe angewendet werden muss, um mögliche Ausweichmanöver zu verhindern.“ Mithilfe des „Proof of Concept“-Grants wollen er und seine Kolleg*innen nun einen Werkzeugkasten entwickeln, der die molekularen Reporter für oft genutzte Zelllinien nutzbar macht. Außerdem wollen sie die Nährmedien so definieren, dass sie die Zellen zielgerichtet in den einen oder anderen Zustand drängen.

    „Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können wir einen Prototyp entwickeln“, sagt Gargiulo. Doch das sei nur ein Schritt in Richtung breite Anwendung. Fachwissen zu geistigem Eigentum und eine Strategie, die die Wertschöpfung der Entdeckung fördert, seien ebenfalls unverzichtbar – etwa in Zusammenarbeit mit dem Technologietransfer-Team des MDC. „Der ERC-Grant gibt uns Zeit, uns auf diese Schritte zu konzentrieren. Das ist ein wichtiger Impuls.“ Er ist davon überzeugt, dass es sich lohnt. Schließlich verschlingen die Mängel in der Arzneimittelentwicklung derzeit Milliarden und selbst kleine Verbesserungen könnten erhebliche Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben. Und auf die unzähligen Patienten, die wirksame Therapien benötigen.


    Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC)

    Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft gehört zu den international führenden biomedizinischen Forschungszentren. Nobelpreisträger Max Delbrück, geboren in Berlin, war ein Begründer der Molekularbiologie. An den MDC-Standorten in Berlin-Buch und Mitte analysieren Forscher*innen aus rund 60 Ländern das System Mensch – die Grundlagen des Lebens von seinen kleinsten Bausteinen bis zu organübergreifenden Mechanismen. Wenn man versteht, was das dynamische Gleichgewicht in der Zelle, einem Organ oder im ganzen Körper steuert oder stört, kann man Krankheiten vorbeugen, sie früh diagnostizieren und mit passgenauen Therapien stoppen. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung sollen rasch Patient*innen zugutekommen. Das MDC fördert daher Ausgründungen und kooperiert in Netzwerken. Besonders eng sind die Partnerschaften mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin im gemeinsamen Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und dem Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité sowie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Am MDC arbeiten 1600 Menschen. Finanziert wird das 1992 gegründete MDC zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent vom Land Berlin. www.mdc-berlin.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Gaetano Gargiulo
    Leiter der Arbeitsgruppe „Molekulare Onkologie“
    Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC)
    +49 30 9406-3861
    Gaetano.Gargiulo@mdc-berlin.de


    Weitere Informationen:

    https://www.mdc-berlin.de/de/gargiulo - AG Gargiulo
    https://www.mdc-berlin.de/de/news/press/molekulare-reporter-stellen-verbuendete-... - Pressemitteilung zu den molekularen Reportern
    https://www.mdc-berlin.de/de/news/press/die-gangschaltung-von-tumorzellveraender... - Pressemitteilung zur Gangschaltung der Tumorzelländerungen
    https://erc.europa.eu/news/erc-2021-proof-of-concept-grants-results - Pressemitteilung des ERC


    Bilder

    Porträt von Gaetano Gargiulo
    Porträt von Gaetano Gargiulo
    David Ausserhofer
    MDC


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wettbewerbe / Auszeichnungen
    Deutsch


     

    Porträt von Gaetano Gargiulo


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).