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16.02.2022 11:22

Studie: Umweltfachleute unterstützen Umweltpolitik jenseits des Wirtschaftswachstums

Richard Harnisch Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH, gemeinnützig

    ► Befragung unter Mitarbeitenden des Umweltbundesamtes zeigt Skepsis, dass „grünes“ Wachstum Umweltprobleme lösen kann

    ► Expert*innen halten wachstumskritische Konzepte für zielführender

    ► Artikel in Fachzeitschrift „Journal of Cleaner Production“ erschienen

    Berlin, 16. Februar 2022 – Damit die Wirtschaft klimaschonender und nachhaltiger wird, setzen die meisten Politikansätze auf die Strategie eines „grünen Wachstums“. Doch Umweltfachleute stehen diesem Konzept, das auf weiteres Wirtschaftswachstum abzielt, kritisch gegenüber, wie eine neue Studie zeigt. Eine Befragung von Mitarbeitenden des Umweltbundesamtes – Deutschlands zentraler Umweltbehörde – ergab, dass die Expert*innen wachstumskritische Konzepte für zielführender halten. Die Studienautor*innen vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der ESCP Business School haben ihre Ergebnisse im Journal of Cleaner Production vorgestellt. Sie sehen die Befunde als Unterstützung für eine Umweltpolitik jenseits des Wachstums.

    Mehrheit der Befragten zeigt sich wachstumskritisch

    „Bei einer Auswahlfrage, welche Strategie sie am geeignetsten finden, um Umweltprobleme zu lösen, wählten drei Viertel der Befragten solche Wirtschaftskonzepte, die nicht auf Wachstum setzen. Nur ein Viertel entschied sich für grünes Wachstum“, so Cathérine Lehmann, IÖW-Hauptautorin der Studie. Bei weiteren Fragen, die die Zustimmung implizit über Aussagen zu ökonomischem Wachstum und Umweltbelangen erhoben, ist das Bild sogar noch deutlicher: Fast 99 Prozent der befragten Umweltfachleute stimmten in der Summe eher wachstumskritischen Standpunkten zu.

    „Grünes Wachstum setzt darauf, dass die Emissionen und Ressourcenverbräuche vom Wirtschaftswachstum entkoppelt werden, damit die Umwelt entlastet wird“, erklärt IÖW-Ökonom Steffen Lange. „Ob dies allerdings eintreffen und ausreichend sein wird, ist überaus umstritten.“ Längst werden daher alternative Konzepte diskutiert. Der Ansatz „Degrowth“ etwa argumentiert, dass eine Nachhaltigkeitstransformation, die den ökologischen Herausforderungen gerecht wird, in den wohlhabenden Ländern mit einer deutlichen Reduktion des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf einhergehen würde. Eine Mittelposition zwischen grünem Wachstum und Degrowth ist „A-Growth“. Dieser Ansatz geht davon aus, dass es nicht vorab abzusehen ist, ob das Bruttoinlandsprodukt steigen oder fallen wird.

    Die Befragten bewerteten auch die „vorsorgeorientierte Postwachstumsposition“ als sehr gut, die 2018 vom IÖW, dem RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und dem Wuppertal-Institut entwickelt wurde. Sie zielt vor dem Hintergrund der großen Unsicherheit der Möglichkeit einer weitreichenden Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltbelastungen darauf ab, dass gesellschaftliche Systeme wachstumsunabhängig(er) gestaltet werden sollten.

    Je mehr Fachwissen zu Wachstumskonzepten, umso wachstumskritischer

    „Um Umweltprobleme zu lösen, halten unserer Erhebung zufolge die Mitarbeiter*innen im Umweltbundesamt Ansätze wie Degrowth, A-Growth oder die vorsorgeorientierte Postwachstumsposition für geeigneter, als auf weiteres Wachstum zu setzen“, so Lehmann. „Unsere Befragung zeigt, dass diese Sichtweise bei Fachleuten mit größerer Expertise zu den genannten Wachstumskonzepten sogar besonders stark ausgeprägt ist. Viele Befragte scheinen also eher skeptisch zu sein, dass politische Strategien für grünes Wachstum wie der European Green Deal zur erforderlichen Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wachstum führen werden.“

    Über 250 Teilnehmende an Befragung

    Die Wissenschaftler*innen hatten alle Beschäftigten des Umweltbundesamts eingeladen, an der 20-minütigen Onlinebefragung teilzunehmen. 259 Mitarbeitende der Bundesoberbehörde haben sich im Jahr 2020 an der Befragung beteiligt.

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    Download Journal-Artikel:
    Cathérine Lehmann, Olivier Delbard, Steffen Lange (2022): Green growth, a-growth or degrowth? Investigating the attitudes of environmental protection specialists at the German Environment Agency. Journal of Cleaner Production, https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2021.130306

    Pressekontakt:

    Richard Harnisch
    Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)
    Tel.: +49 30/884594-16
    kommunikation@ioew.de

    Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) ist ein führendes wissenschaftliches Institut auf dem Gebiet der praxisorientierten Nachhaltigkeitsforschung. Rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erarbeiten Strategien und Handlungsansätze für ein zukunftsfähiges Wirtschaften – für eine Ökonomie, die ein gutes Leben ermöglicht und die natürlichen Grundlagen erhält. Das Institut arbeitet gemeinnützig und ohne öffentliche Grundförderung. Das IÖW ist Mitglied im „Ecological Research Network“ (Ecornet), dem Netzwerk der außeruniversitären, gemeinnützigen Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschungsinstitute in Deutschland.

    Das IÖW forscht seit vielen Jahren zum Thema Wachstum in der Nachhaltigkeitsdebatte. Um eine verantwortliche Wirtschafts- und Umweltpolitik gestalten zu können, kommt es weniger auf Wachsen versus Schrumpfen an, so die Umweltökonom*innen um IÖW-Volkswirt Ulrich Petschow. Vielmehr müsse auf Vorsorge gesetzt werden: Die Gesellschaft sollte unabhängiger vom Wachstum werden, damit ambitionierte umweltpolitische Vorschläge nicht länger wegen eines Wachstumsvorbehalts ausgebremst werden können, so die „Vorsorgeorientierte Postwachstumsposition“ (https://www.ioew.de/publikation/gesellschaftliches_wohlergehen_innerhalb_planeta...).

    http://www.ioew.de | http://twitter.com/ioew_de | http://www.ioew.de/newsletter


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Fachliche Ansprechpersonen:
    Cathérine Lehmann, Dr. Steffen Lange
    Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)
    Tel.: +49 30/884594-0
    catherine.lehmann@ioew.de
    steffen.lange@ioew.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, jedermann
    Gesellschaft, Meer / Klima, Politik, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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