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23.02.2022 01:01

Während manche Insekten zurückgehen, können andere häufiger werden

Volker Hahn Medien und Kommunikation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig

    Bestandsveränderungen einer Insektengruppe, z. B. Heuschrecken, sagen wenig darüber aus, wie es anderen Insekten im selben Lebensraum ergeht, z. B. Fliegen. Grund: Während sich Insektengruppen mancherorts ähnlich entwickeln, können die Trends an anderen Orten ganz unterschiedlich sein. Diese Ergebnisse einer Metastudie haben Forschende in der Fachzeitschrift Biology Letters veröffentlicht. Sie untersuchten Insekten-Langzeitdaten von mehr als 900 Orten weltweit. Die Ergebnisse zeigen, dass man mehrere Artengruppen gleichzeitig monitoren muss, um die Natur zielgerichtet schützen zu können.

    Das sogenannte „Insektensterben“ ist 2017 ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Damals veröffentlichten Forschende eine Abnahme der Fluginsektenbiomasse in westdeutschen Naturschutzgebieten von über 75 Prozent in knapp 30 Jahren. Die Studie ließ viele Menschen erkennen, dass es heute weniger Insekten gibt als früher. Seitdem sind weltweit viele neue Studien erschienen, die oft große Rückgänge zeigen; hunderte Medien haben über das Thema berichtet.

    Unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) entwickeln Forschende seit 2018 eine neue Datenbank; sie beinhaltet hunderte internationaler Studien, welche über viele Jahre die Häufigkeit verschiedener Insekten untersucht haben. Geleitet wird das Team von Dr. Roel van Klink, Postdoktorand bei iDiv und der MLU. „Es ist alarmierend, dass ein solcher Rückgang vor unseren Augen passiert, und niemand gesehen hat, dass er an ganz vielen Orten gleichzeitig stattfindet“, sagt er. „Das zeigt, wie wichtig es ist, unsere Umwelt zu überwachen.“ Das Monitoring von Insekten ist jedoch schwierig, weil die meisten klein sind und weil es sehr viele verschiedene gibt; allein in Deutschland gibt es 30.000 Insektenarten. Zweitautorin Dr. Diana Bowler fügt hinzu: „Die meisten Monitoring-Programme untersuchen nur eine Insektengruppe. Niemand hat untersucht, ob der Zustand der untersuchten Gruppen auch etwas über den Zustand der anderen aussagt.“ Bowler ist Postdoktorandin bei iDiv, der Universität Jena und dem UFZ.

    Für die neue Studie untersuchten die Forschenden, ob Bestandsveränderungen bei einer Insektengruppe Aussagen über Veränderungen anderer Insektengruppen erlauben. Wenn zum Beispiel Schmetterlinge zurückgehen, bedeutet das, dass auch Käfer, Fliegen und Bienen zurückgehen? Wenn Trends bei einer Artengruppe Rückschlüsse auf andere Gruppen erlauben, würden sie sich als Indikatoren eignen. Der Vorteil wäre, dass man nicht alle Insektengruppen monitoren müsste. Forschende und Entscheidungsträger könnten dann Daten über eine Insektengruppe nutzen, um Schlussfolgerungen und Schutzempfehlungen für andere Insekten abzuleiten.

    Allerdings fanden van Klink und sein Team kaum Hinweise auf solche Indikatorarten: Die Bestände verschiedener Artengruppen zeigten oft unterschiedliche Trends. „Am ähnlichsten waren noch die Trends bei Käfern und Schmetterlingen, die oft gleichzeitig zu- oder abnahmen“, sagt van Klink. „Aber selbst bei diesen beiden Insektengruppen war die Korrelation gering. Heuschrecken dagegen machen komplett ihr eigenes Ding; ihre Bestandsveränderungen korrelieren mit keiner anderen Artengruppe“.

    Insgesamt unterstreichen die Ergebnisse der Studie, was die Forschenden schon seit Jahren sagen. „Insekten sind keine homogene Gruppe, die weltweit einen dramatischen Rückgang verzeichnen, wie uns manche Schlagzeilen glauben machen“, sagt Senior-Autor Prof. Jonathan Chase, Forschungsgruppenleiter bei iDiv und der MLU. „Die Natur ist nicht so einfach wie wir es gerne hätten“, fügt van Klink hinzu. „Zweifellos verändert der Mensch die Natur in beispielloser Weise. Es ist unsere Aufgabe herauszufinden, wie, warum und wo diese Veränderungen stattfinden und welche Insektengruppen davon betroffen sind.“ Die Studie unterstreiche die Notwendigkeit, Bestandsveränderungen vieler Insektengruppen gleichzeitig zu monitoren und ihre Ursachen besser zu verstehen. „Wir können nicht einfach eine Gruppe von Insekten beobachten und davon ausgehen, dass alle anderen dasselbe tun“, sagt Diana Bowler. „Wir müssen uns um die gesamte Vielfalt der Insekten kümmern.“

    Diese Forschungsarbeit wurde u. a. gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG; FZT-118).


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Roel van Klink (spricht Deutsch, Englisch und Niederländisch)
    Postdoktorand der Forschungsgruppe Biodiversitätssynthese
    Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
    Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
    E-Mail: roel.klink@idiv.de


    Originalpublikation:

    van Klink, R., Bowler, D. E., Gongalsky, K. B., Chase, J. M. (2022). Long-term abundance trends of insect taxa are only weakly correlated. Biology Letters. DOI: 10.1098/rsbl.2021.0554


    Weitere Informationen:

    https://www.idiv.de/de/news/medienmitteilungen/artikel/2187.html
    https://www.idiv.de/de/news/medienmitteilungen/archiv-2020/artikel.html?tx_ttnew...
    https://www.idiv.de/de/news/medienmitteilungen/archiv-2019/artikel.html?tx_ttnew... Thematisch verwandte Pressemitteilungen unter Beteiligung derselben Autor(inn)en


    Bilder

    Während sich die Bestände verschiedener Insektengruppen, beispielsweise Käfer und Schmetterlinge, mancherorts ähnlich entwickeln, können sie sich andernorts ganz unterschiedlich entwickeln.
    Während sich die Bestände verschiedener Insektengruppen, beispielsweise Käfer und Schmetterlinge, ma ...
    Oliver Thier

    Insekten werden gemonitort, weil sie Rückschlüsse auf den Zustand von Ökosystemen erlauben. Außerdem spielen sie wichtige Rollen in diesen Ökosystemen. Dieser Rosenkäfer zum Beispiel bestäubt Wildblumen.
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    Oliver Thier


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Während sich die Bestände verschiedener Insektengruppen, beispielsweise Käfer und Schmetterlinge, mancherorts ähnlich entwickeln, können sie sich andernorts ganz unterschiedlich entwickeln.


    Zum Download

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    Insekten werden gemonitort, weil sie Rückschlüsse auf den Zustand von Ökosystemen erlauben. Außerdem spielen sie wichtige Rollen in diesen Ökosystemen. Dieser Rosenkäfer zum Beispiel bestäubt Wildblumen.


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