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10.03.2022 19:00

Röntgenblick in abtauchende Erdplatten - Hochdruck weicht die Erdkruste in Subduktionszonen auf

Dr. Thomas Zoufal Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY

    Die dünne Erdkruste weicht erheblich auf, wenn sie mit einer tektonischen Platte ins Erdinnere abtaucht. Das zeigen Röntgenuntersuchungen eines Minerals, das in basaltischer Kruste in großem Umfang vorkommt, mit DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III. Das Aufweichen kann sogar dazu führen, dass sich die Kruste von der darunter liegenden Platte abschält, wie das internationale Team um Hauke Marquardt von der Universität Oxford im Fachblatt „Nature“ berichtet. Die abgeschälte Erdkruste hat andere physikalische Eigenschaften als der restliche Erdmantel, was möglicherweise Anomalien in der Ausbreitungsgeschwindigkeit von Erdbebenwellen im Erdmantel erklären kann.

    Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es gelungen, erstmals das Verformungsverhalten des Minerals Davemaoit unter den Bedingungen des Erdmantels zu messen. „Davemaoit gehört zur weit verbreiteten Gruppe der Perowskite, entsteht allerdings erst ab einer Tiefe von etwa 550 Kilometern durch steigenden Druck und Temperatur aus anderen Mineralen“, erläutert Hauptautorin Julia Immoor vom Bayerischen Geoinstitut an der Universität Bayreuth. Die Existenz des Minerals war seit Jahrzehnten vorhergesagt worden, erst 2021 wurde jedoch ein natürliches Stück davon gefunden. Davemaoit unterscheidet sich unter anderem durch seine kubische Kristallstruktur von anderen Perowskiten. In ausreichender Tiefe kann es rund ein Viertel der abtauchenden basaltischen Ozeankruste ausmachen.

    Mit einer Spezialapparatur an DESYs Extreme Conditions Beamline (P02.2) bei PETRA III konnte das Team nun Davemaoit künstlich herstellen und mit dem Röntgenstrahl durchleuchten. Dazu erhitzten die Forscherinnen und Forscher fein gemahlenes Wollastonit (CaSiO3) bei hohem Druck auf rund 900 Grad Celsius, bis sich Davemaoit bildete. Anschließend wurde das Mineral durch steigenden Druck von bis zu 57 Gigapascal – rund 570 000 Mal so hoch wie der Luftdruck auf Meereshöhe – verformt und dabei per Röntgenstrahl untersucht. Diese Parameter entsprechen den Bedingungen in bis zu 1300 Kilometern Tiefe.

    „Die Messungen unter hohem Druck zeigen, dass Davemaoit im tiefen Erdmantel überraschend weich ist“, berichtet Forschungsleiter Marquardt. „Diese Beobachtung ändert unsere Vorstellung vom dynamischen Verhalten der abtauchenden Platten im tiefen Mantel komplett.“ Die Dynamik in solchen sogenannten Subduktionszonen, in denen eine tektonische Platte unter die andere taucht, hängt stark von der Härte der anwesenden Minerale ab. Das überraschend weiche Davemaoit in der absinkenden Erdkruste kann dafür sorgen, dass diese sich von der darunter liegenden Platte ablöst und der weitere Subduktionsprozess dann getrennt für Kruste und die restliche Platte verläuft.

    Über eine solche Ablösung wird seit langem spekuliert, weil die abgelöste Erdkruste charakteristische Änderungen von Erdbebenwellengeschwindgeiten erklären kann, die in verschiedenen Erdtiefen beobachtet werden. Bislang war jedoch unklar, welche Ursachen zu so einer Ablösung, der sogenannten Delamination, führen können. „Ich freue mich, dass der hier entwickelte Versuchsaufbau zur Lösung wichtiger Fragen beitragen kann, die mit Prozessen im tiefen Inneren unseres Planeten verknüpft sind“, sagt der Leiter der Extreme Conditions Beamline bei PETRA III und Ko-Autor der Studie, Hanns-Peter Liermann von DESY.

    An der Untersuchung waren Forscherinnen und Forscher der Universitäten von Bayreuth, Oxford und Utah sowie vom GeoForschungsZentrum Potsdam GFZ, vom California Institute of Technology und von DESY beteiligt. Das Projekt wurde zum Teil von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG finanziert.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    - Prof. Hauke Marquardt, University of Oxford, hauke.marquardt@earth.ox.ac.uk
    - Dr. Hanns-Peter Liermann, DESY, +49 40 8998-95722, hanns-peter.liermann@desy.de


    Originalpublikation:

    Weak cubic CaSiO3 perovskite in the Earth’s mantle; J. Immoor, L. Miyagi, H.-P. Liermann, S. Speziale, K. Schulze, J. Buchen, A. Kurnosov & H. Marquardt; „Nature“, 2022; DOI: 10.1038/s41586-021-04378-2
    https://dx.doi.org/10.1038/s41586-021-04378-2


    Bilder

    Das Erdinnere im Labor: In der luftleeren Experimentierkammer wird die Probe aufgeheizt und zwischen zwei Diamant-Stempeln unter Hochdruck gesetzt. Während des Prozesses lässt sich die Probe mit dem brillanten PETRA III-Röntgenstrahl analysiereren.
    Das Erdinnere im Labor: In der luftleeren Experimentierkammer wird die Probe aufgeheizt und zwischen ...
    Hauke Marquardt
    University of Oxford, Hauke Marquardt

    Blick ins Innere der Erde: Die Untersuchungsbedingungen entsprechen einer Tiefe von bis zu 1300 Kilometern.
    Blick ins Innere der Erde: Die Untersuchungsbedingungen entsprechen einer Tiefe von bis zu 1300 Kilo ...
    F. Lorenz & J. Stuhrmann
    DESY, Franziska Lorenz & Jochen Stuhrmann/illustrato


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Geowissenschaften, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Das Erdinnere im Labor: In der luftleeren Experimentierkammer wird die Probe aufgeheizt und zwischen zwei Diamant-Stempeln unter Hochdruck gesetzt. Während des Prozesses lässt sich die Probe mit dem brillanten PETRA III-Röntgenstrahl analysiereren.


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    Blick ins Innere der Erde: Die Untersuchungsbedingungen entsprechen einer Tiefe von bis zu 1300 Kilometern.


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