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23.04.2004 11:18

Ausfälle genau voraussagen? Grüne Elektronik und ihre Folgen

Birgit Berg Pressestelle
Technische Universität Dresden

    Zuverlässigkeit und Lebensdauervorhersage beim Einsatz umweltfreundlicher Werkstoffe stehen im Mittelpunkt eines Kolloquiums an der TU Dresden.

    Ist grüne Elektronik wirklich zuverlässig gestaltbar, solange wenig über die Eigenschaften der neuen umweltfreundlichen Werkstoffe bekannt ist? Wie ist die Robustheit bleifreier Lötverbindungen zu bewerten? Welche neuen Methoden taugen, um Ausfälle in bleifreien Lötverbindungen richtig vorauszusagen?
    Antworten auf diese und ähnliche Fragen zu finden, ist Ziel des wissenschaftlichen Kolloquiums "Ausfälle genau voraussagen? Grüne Elektronik und ihre Folgen". Mehr als 50 Experten aus Industrie und Forschung werden zu der am 26. April an der TU Dresden stattfindenden Veranstaltung erwartet.

    Rund 30 Milliarden Lötverbindungen, so schätzen Fachleute, werden an jedem Tag weltweit hergestellt. Sie dienen dazu, jene elektrischen Bauelemente miteinander zu verbinden, aus denen sich elektronische Geräte, beispielsweise Computer, Handys oder Uhren, zusammensetzen. Bisher bestanden solche Lötstellen aus einer Verbindung der Elemente Blei und Zinn. Blei ist jedoch ein starkes Umweltgift. Wenn es in den menschlichen Körper gelangt, zum Beispiel über den Wasserkreislauf, kann es im Nervensystem Schädigungen hervorrufen. Aus diesem Grund will die EU-Kommission das Blei-Zinn-Lot ab dem Jahr 2006 aus allen elektronischen Geräten verbannen. Als Ersatz sind Verbindungen von Zinn mit anderen Metallen, zum Beispiel Kupfer, Silber oder Wismut, vorgesehen. Erste Versuche mit diesen neuen Verbindungen zeigten jedoch Mängel in der Zuverlässigkeit der damit montierten elektronischen Geräte. Aus diesem Grund untersuchen Wissenschaftler zur Zeit mit Hochdruck, welche dieser Verbindungen am ehesten eine Zuverlässigkeit erreichen, die mit dem Blei-Zinn-Lot vergleichbar ist.

    Das hat wohl jeder schon einmal erlebt: Ohne jede Vorwarnung versagt ein elektronisches Gerät den gewohnten Dienst. Anders als bei einem Kraftfahrzeug, das seine Ermüdungserscheinungen schon zuvor durch Klappergeräusche oder mangelnde Motorleistung anzeigt, fallen elektronische Geräte meist unvermittelt aus. Während beim Kraftfahrzeug dann der Weg in die Werkstatt führt, lohnt die Reparatur des Elektrogerätes in der Regel nicht. Häufig ist es nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich, den ursächlichen Defekt, etwa eine gebrochene Lötverbindung, zu orten. Oft hat auch die technische Entwicklung das Gerät inzwischen überholt und einen viel schnelleren Computer beziehungsweise ein viel kleineres Handy bereitgestellt, so dass eine Reparatur keinen Sinn mehr macht. Daher muss Spitzentechnologie in der Regel kaum länger als bis zum nächsten Produktzyklus durchhalten.

    Während der Entwicklung neuer Geräte müssen die Ingenieure eine bestimmte Lebensdauer sicherstellen, ohne dabei hohe Kosten zu erzeugen. Hierzu simulieren sie typische Umwelteinflüsse mit Hilfe spezieller Computerprogramme. Der kritische Punkt sind dabei die Materialmodelle. Ihre Genauigkeit bestimmt die Aussagekraft der Computersimulationen. Leider eignen sich die klassischen Untersuchungsmethoden der Werkstoffwissenschaft nicht für die kleinen Strukturen in der Elektronik. Lötverbindungen sind heute bereits so klein, dass Elektronenmikroskope verwendet werden müssen, um sie betrachten zu können. Derart kleine Lötverbindungen, die oft dünner sind als ein menschliches Haar, verhalten sich anders als die großen massiven Proben, die in der Werkstoffprüfung standardmäßig eingesetzt werden. Aus diesem Grund entstanden vor wenigen Jahren verschiedene Forschungsinitiativen, welche sich das Ziel setzen, das Verhalten der Werkstoffe in Mikrodimensionen untersuchen zu können.

    Die von der EU-Kommission für das Jahr 2006 geforderte Umstellung auf bleifreie Lotwerkstoffe, erfordert den Einsatz dieser neuen Untersuchungsmethoden, um aussagekräftige Materialmodelle für neue bleifreie Lote bereitzustellen. Mit diesen Materialmodellen, so die Hoffnung der Ingenieure aus der Industrie, soll es gelingen, die Lebensdauer der mit bleifreien Loten gefertigten Elektronik genau vorherzusagen.

    Das vom Institut für Aufbau- und Verbindungstechnik der Elektronik veranstaltete wissenschaftliche Kolloquium "Ausfälle genau voraussagen? Grüne Elektronik und ihre Folgen" widmet sich mit 12 wissenschaftlichen Beiträgen den dringenden Fragen der Lebensdauerprognostik und Zuverlässigkeit von bleifreien Lötverbindungen.
    Die Veranstaltung soll dabei vorrangig der Kommunikation zwischen Industrie und Forschung dienen. So soll sie den Vertretern der Hochschulen und Forschungsinstitute die Möglichkeit gegeben, sich über die in der Industrie bestehenden aktuellen Probleme und Fragen zur Zuverlässigkeit von Produkten und Bauelementen zu informieren. Dabei wird neben der Problemdarstellung auch über die strategisch-methodische Ausrichtung der Zuverlässigkeitsarbeit in der Industrie berichtet werden. Gleichzeitig können sich die Industrievertreter ein Bild über die neusten Entwicklungen und Ergebnisse auf dem Gebiet der Materialmodellierung und Lebensdauerprognostik in den Hochschulen verschaffen.
    Den Abschluss bildet eine Podiumsdiskussion, zu der auch Vertreter des Sächsischen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit eingeladen wurden. Aus dieser sollen Impulse für zukünftige gemeinsame Forschungsvorhaben hervorgehen, um bis zum Zeitpunkt des von der EU geforderten Bleiverbotes zu praktikablen Lösungen für die Sicherstellung der Zuverlässigkeit elektronischer Geräte zu gelangen.

    Weitere Informationen zu inhaltlichen Aspekten des Kolloquiums erteilt Dr. Steffen Wiese, TU Dresden, Institut für Aufbau- und Verbindungstechnik der Elektronik, Tel. 0351 463-33172, E-Mail: wiese@avt.et.tu-dresden.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Elektrotechnik, Energie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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