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23.04.2004 11:31

European Alliance Against Depression - Europaweites Aktionsprogramm zur Verbesserung der Versorgung

Anke Schlee Pressereferat
Kompetenznetz Depression

    In Deutschland sind fünf Prozent der Bevölkerung akut an einer Depression erkrankt, in Europa geht man von ähnlichen Zahlen aus. Obwohl es wirksame Behandlungsmethoden gibt, ist die Versorgung der Betroffenen häufig nicht optimal. Erschwerend kommt zu ihrer Situation hinzu, dass die Depression in der breiten Öffentlichkeit oft nicht als ernsthafte Erkrankung wahrgenommen wird. Um die Versorgung depressiv erkrankter Menschen zu verbessern, startet die "European Alliance Against Depression" in 15 europäischen Ländern Aktionsprogramme.

    Vier Millionen Deutsche sind in diesem Moment an einer behandlungsbedürftigen Depression erkrankt. Etwa 10 - 15 Prozent derjenigen unter ihnen, die an einer schweren Form der Depression leiden, nehmen sich irgendwann das Leben. Mehr als 90 Prozent aller Suizide werden im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen begangen, die allermeisten davon auf Grund einer Depression. In der Europäischen Union nehmen sich jedes Jahr mehr als 45.000 Menschen das Leben. Je nach Land rangieren die Suizidraten von 7 pro 100.000 Einwohnern in Großbritannien bis hin zu 36 pro 100.000 in Estland (WHO-Daten 1995/ 1996). Eine Studie zeigte, dass vierzig Prozent derer, die sich das Leben nahmen, innerhalb der letzten vier Wochen vor ihrem Tod einen Arzt aufgesucht hatten. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, im Hausarztbereich gezielt zu intervenieren.

    Eine hohe Suizidrate gilt als ein wichtiger Indikator für eine sub-optimale Diagnose und Therapie der Depression. Obwohl mit Medikamenten wie Antidepressiva oder psychotherapeutischen Maßnahmen wirksame Therapien zur Verfügung stehen, erhält nur eine Minderheit der Betroffenen eine optimale Behandlung. Die Gründe hierfür liegen in mangelndem Fachwissen und einem Unterschätzen der Erkrankung durch Hausärzte, in der Wahrnehmung in der öffentlichen Meinung, in der Depression häufig nicht als ernsthafte Erkrankung gesehen wird, aber auch in der krankheitsbedingten Hoffnungs- und Antriebslosigkeit der Betroffenen selbst.

    Vorbild "Nürnberger Bündnis gegen Depression"

    2001/ 2002 wurde in Nürnberg ein Interventions-Programm auf vier Ebenen durchgeführt, um die Versorgung depressiver Menschen zu verbessern und die Suizidalität zu verringern. Neben Hausärzten und Betroffenen wurden Multiplikatoren wie Geistliche, Lehrer, Polizeibeamte oder Journalisten und als breiteste Ebene die gesamte Öffentlichkeit angesprochen.

    Das "Nürnberger Bündnis gegen Depression" wird als Subprojekt des Kompetenznetzes Depression, Suizidalität vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Das erfolgreiche, wissenschaftlich evaluierte Programm führte zu einer signifikanten Senkung der Anzahl von Suiziden und Suizidversuchen in Nürnberg um über 20 Prozent. Inzwischen führen zwölf Regionen in Deutschland von Lübeck bis Kempten Aktionsprogramme als "Bündnis gegen Depression e.V." fort, 30 - 40 weitere deutsche Partner befinden sich in der Planungsphase.

    European Alliance Against Depression

    Das Interventionsprogramm "European Alliance Against Depression" (EAAD) gründet auf den Erfahrungen und Materialien des Nürnberger Bündnisses. Erweitert um Kenntnisse aus anderen europäischen Ländern, wird es europaweit zum Tragen kommen: Regionen aus 15 europäischen Ländern von Ungarn bis Portugal und Island bis Italien sind zum Start mit an Bord. Hinter den Partnern in den Ländern stehen, ebenso wie in den verschiedenen deutschen Regionen, ganz unterschiedliche Institutionen: Universitätskliniken, Krankenhäuser, Versorgungseinrichtungen aus der Primärversorgung oder spezielle mit öffentlichen Mitteln unterstützte regionale Kampagnen.

    Innerhalb der ersten 18 Monate werden verschiedene Länder auf regionalen Ebenen Interventionsprogramme starten (EAAD I). In einem zweiten Schritt sollen die Erfahrungen und die gewonnenen Daten der verschiedenen Länder genutzt werden, um die Aktivitäten auf weitere Regionen auszudehnen, wenn möglich landesweit durchzuführen (EAAD II + III). Die Evaluation des Programms wird zwischen den einzelnen Ländern koordiniert.

    Die European Alliance Against Depression wird im Rahmen des "Public Health Program" der Europäischen Kommission Health & Consumer Protection, Directorate-General während der ersten Förderphase mit über 650.000 Euro gefördert. Sie wird maximale Effekte bei vergleichsweise kleinem Budget erreichen, weil auf Maßnahmen und Materialien zurückgegriffen wird, die bereits existieren.

    Vier-Ebenen-Programm

    Je nach der aktuellen Situation vor Ort entscheiden nationale Networks, welche Maßnahmen in welchem Umfang umgesetzt und welche Materialien eingesetzt werden.

    · Für Hausärzte wird es interaktive Schulungen sowie eine Hotline geben, bei der sie individuelle Fälle aus der Praxis mit einem Spezialisten besprechen können. Außerdem erhalten Hausärzte Videokassetten zur Weitergabe an Patienten.
    · Betroffene, vor allem besonders gefährdete Patienten wie solche, die einen Suizidversuch hinter sich haben, werden gezielt über Hilfsangebote in Krisensituationen informiert: Sie erhalten eine Notfallkarte mit Telefonnummern von Ansprechpartnern, die rund um die Uhr erreichbar sind. Darüber hinaus werden bestehende oder neu zu gründende Selbsthilfegruppen unterstützt.
    · Menschen, die berufsbedingt mit depressiven Patienten zu tun haben, wirken als Multiplikatoren. Einzelne Gruppen wie Geistliche, Altenpflegekräfte, Polizeibeamte oder Journalisten werden in individuell zugeschnittenen, interaktiven Fortbildungsveranstaltungen sensibilisiert und informiert.
    · Ziel der European Alliance Against Depression ist auch, durch Aufklärung die Kenntnisse über die Erkrankung Depression und dadurch die Einstellung zur Erkrankung zu verbessern. Durch Plakate, Flyer, Broschüren oder Kino-Spots soll die breite Bevölkerung für das Thema sensibilisiert werden. Events wie Aktionstage sollen punktuelle Schwerpunkte setzen, der Internet-Auftritt der European Alliance Against Depression soll weitere Informationsmöglichkeiten bieten. Schon bald wird es unter www.eaad.eu eine zentrale Homepage mit Links zu den lokalen Angeboten in den einzelnen Ländern geben.

    Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Initiator und Sprecher der "European Alliance Against Depression" zum neuen Projekt: "Wir möchten durch die "European Alliance Against Depression" alle Kräfte bündeln, um europaweit die Situation depressiv erkrankter Menschen zu verbessern. Wir verstehen uns als Koordinator und Vermittler und freuen uns auf die Arbeit mit unseren Partnern im Ausland."

    Das Kompetenznetz Depression, Suizidalität ist ein bundesweites Netzwerk zur Optimierung von Forschung und Versorgung im Bereich depressiver Erkrankungen. Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

    Weitere Informationen:
    Kompetenznetz Depression Suizidalität
    Anke Schlee
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Nußbaumstraße 7, 80336 München
    fon 089/ 5160-5553 fax 089/ 5160-5557
    anke.schlee@med.uni-muenchen.de
    www.kompetenznetz-depression.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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