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11.03.2022 11:14

Supergen für einen Sozialstaat mit vielen Königinnen breitete sich zwischen Arten der Feuerameisen aus

Sabine Heine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels

    Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Queen Mary University of London und Dr. Eckart Stolle vom LIB hat entdeckt, dass sich eine neue Form der Ameisengesellschaft artübergreifend ausbreitet. Sie fanden heraus, dass sich eine neue soziale Organisation in einer Feuerameisenart mit einem „soziale Supergen“ entwickelt hatte. Dieses Supergen enthält die Erbinformation für die neue Gesellschaftsform und breitete sich auf andere Arten durch Hybridisierung, das heißt durch Kreuzung zwischen Ameisen verschiedener Arten, aus. Die alternative Lebensform bietet den Ameisen einen evolutiven Vorteil und macht sie erfolgreicher, als nur mit der ursprünglichen Gesellschaftsform.

    Rote Feuerameisen bildeten ursprünglich nur Kolonien mit einer Königin. Vor etwa einer Million Jahren entwickelten sie eine neue Sozialform, bei der Kolonien mit Dutzenden Königinnen vorkommen. Eine bestimmte Version eines großen Chromosomenabschnitts, das so genannte "soziale Supergen", enthält die genetische Information, die notwendig ist, damit die Arbeiterinnen mehr als eine Königin akzeptieren. Im Rahmen der aktuellen Forschungsarbeit, die heute in Nature Communications veröffentlicht wurde, wurden die gesamten Genome von 365 männlichen Feuerameisen analysiert, um die Entwicklung des sozialen Supergens zu untersuchen.

    Die Übertragung großer Mengen genetischer Informationen zwischen verschiedenen Arten ist aufgrund genetischer Inkompatibilitäten selten. In diesem Fall jedoch überwogen die evolutiven Vorteile in einem Sozialstaat mit mehreren Königinnen, sodass sich das genetische Material wiederholt von der einen Ausgangsart, in der sich diese neue Sozialform entwickelt hatte, auf andere Arten verbreitete. „Die soziale Organisation mit mehreren Königinnen bietet Vorteile in verschiedenen Situationen. So verfügt eine Kolonie mit mehreren Königinnen über mehr Arbeiterinnen und kann daher eine Kolonie mit nur einer Königin überflügeln. Außerdem ist es bei einer Überschwemmung weniger wahrscheinlich, dass eine Kolonie mit mehreren Königinnen ohne Königin da steht“, erklärt Dr. Eckart Stolle, Sektionsleiter Vergleichende Genomik (Insekten) am LIB, Museum Koenig Bonn.

    Dr. Yannick Wurm, Dozent für Evolutionäre Genomik und Bioinformatik an der Queen Mary University of London und Fellow des Alan Turing Institute, führt aus: "Die Forschungsergebnisse zeigen, wie sich evolutionäre Innovationen über Arten hinweg verbreiten können, und wie Evolution auf der Ebene der DNA und der Chromosomen funktioniert. Es war erstaunlich zu entdecken, dass andere Arten durch Hybridisierung eine neue Form der sozialen Organisation erwerben konnten. Die Supergen-Region, die Multi-Königinnen-Kolonien hervorbringt, ist ein größerer Chromosomenabschnitt, der Hunderte von Genen enthält. Die vielen Teile eines Genoms entwickeln sich so, dass sie in fein abgestimmter Weise zusammenarbeiten. Solche komplizierten Prozesse, bei denen plötzlich eine Mischung aus verschiedenen Versionen mehrerer Gene einer anderen Art auftritt, sind selten.“

    Rodrigo Pracana, zusammen mit Eckart Stolle Erstautor der Studie, ebenfalls von der Queen Mary University of London, ergänzt: "Unsere Studie zeigt, wie die detaillierte Analyse einer großen Anzahl von Wildtieren überraschende neue Erkenntnisse darüber liefern kann, wie die Evolution funktioniert.“

    ____

    Über das LIB
    Das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) widmet sich der Erforschung der biologischen Vielfalt und ihrer Veränderung. Seit dem 1. Juli 2021 arbeiten unsere Forschenden an zwei Standorten: dem Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn sowie dem ehemaligen Centrum für Naturkunde in Hamburg. Generaldirektor ist Prof. Dr. Bernhard Misof, der das LIB standortübergreifend leitet.

    Über die Leibniz-Gemeinschaft
    Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 96 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung sowie drei assoziierte Mitglieder. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute arbeiten strategisch und themenorientiert an Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung Bund und Länder fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Eckart Stolle
    Sektionsleiter Vergleichende Genomik (Insekten), LIB Museum Koenig Bonn
    Tel. +49 228 9122-421
    e.stolle@leibniz-zfmk.de

    Dr. Yannik Wurm
    Dozent für Evolutionäre Genomik und Bioinformatik
    Queen Mary University of London
    Tel. +44 (0)20 7882 3049
    y.wurm@qmul.ac.uk


    Originalpublikation:

    Stolle, E., Pracana, R., López-Osorio, F. et al. Recurring adaptive introgression of a supergene variant that determines social organization. Nat Commun 13, 1180 (2022).
    DOI:10.1038/s41467-022-28806-7
    https://www.nature.com/articles/s41467-022-28806-7


    Bilder

    Solenopsis invicta Feuerameisenkönigin (groß), drei Arbeiterinnen (kleiner), eine Puppe (weißlich) auf einem DNA-Sequenzabschnitt ihres Sozialchromosoms.
    Solenopsis invicta Feuerameisenkönigin (groß), drei Arbeiterinnen (kleiner), eine Puppe (weißlich) a ...

    Romain Libbrecht & Yannick Wurm


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Solenopsis invicta Feuerameisenkönigin (groß), drei Arbeiterinnen (kleiner), eine Puppe (weißlich) auf einem DNA-Sequenzabschnitt ihres Sozialchromosoms.


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