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16.12.1997 00:00

Gleiche Dosis-unterschiedliche Wirkung

Kornelia Suske Pressestelle
Klinikum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

    Pressemitteilung vom 16.12.1997 der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Universitätsklinikum

    Therapeutisches Drug-Monitoring von Psychopharmaka Gleiche Dosis - unterschiedliche Wirkung

    "Der Doktor verschreibt mir meine Pillen, meist mit der Angabe zur Dosis: Ž3 x täglich`. Damit folgt er allgemeinen Erfahrungen, bei welcher Dosis die beste Wirkung, möglichst ohne Nebenwirkungen, eintritt. Es gibt auch bestimmte Anhaltspunkte, um für mich eine individuelle Dosis zu finden. Allerdings, bei mir hilft die Pille trotzdem nicht, ich bekomme sogar noch Kopfschmerzen und Durchfall. Die Pille wandert in den Müll und ich gehe zu einem anderen Doktor. Wissenschaftlich ausgedrückt bin ich ein Nonresponder, ich bin noncompliant und habe UAWs. Neuerdings muß ich mir darüber hinaus auch noch Gedanken um die Kosten des Ganzen machen."

    Diese etwas launige Darstellung hat oft einen ernsten Hintergrund und beschreibt ein allgemeines Problem der Pharmakotherapie. Das Problem potenziert sich, wenn Arzneimittel über einen langen Zeitraum genommen werden müssen und ihre Wirkung zeitversetzt eintritt, wodurch eine individuelle Dosiseinstellung nach klinischem Bild erschwert ist. Beides trifft für Psychopharmaka zu. Die Anwendung der beiden Hauptgruppen von Psychopharmaka, Neuroleptika und Antidepressiva, ist weiterhin erschwert, da sie mit einer gewissen Stigmatisierung verbunden ist. Und Nebenwirkungen können nicht sofort bei jedem Patienten ausgeschlossen werden. Für die Universitätsklinik für Psychiatrie und das Institut für Klinische Pharmakologie sind das Gründe, nach neuen Wegen zu suchen, um die Anwendung von Neuroleptika und Antidepressiva zu verbessern; trotz des erwiesenen enormen Fortschritts, den diese Medikamente auch bisher bedeuteten.

    Wissenschaftlicher Ansatz ist die Pharmakokinetik, die die Gesetzmäßigkeiten der Aufnahme, der biochemischen Umwandlung und der Abgabe von Wirkstoffen im Körper beschreibt. Letztlich entscheidend für Wirkungen und Nebenwirkungen ist nämlich die Menge Arzneistoff, die am Zielort im Körper ankommt (der biologisch verfügbare Arzneistoff), und weniger die Dosis. Bei einer eingenommenen Normdosis ist der Unterschied der Konzentration im Körper für verschiedene Patienten sehr groß. Es verwundert daher nicht, daß es auch große Unterschiede in der Wirksamkeit und bei Nebenwirkungen zwischen den Patienten gibt, obwohl die gleiche Dosis gegeben wird. Bei dem einen Patienten ist die Konzentration im Blut (der Serumspiegel) einfach zu hoch, bei dem anderen Patienten viel zu niedrig. Nur bei einem Teil der Patienten stellt sich bei einer Normdosis auch ein optimaler Serumspiegel ein. Der Grund dafür sind genetisch vorgegebene Unterschiede von Enzymen, welche die Arzneistoffe im Körper abbauen. Hinzu kommen weitere Einflüsse wie Rauchen, Alkohol, gleichzeitige Gabe anderer Arzneimittel, Geschlecht, Alter, Diät. Aus diesen Gründen ist es von Vorteil, den Serumspiegel zu nutzen, um die Dosis für jeden Patienten individuell besser anzupassen. Man nennt dieses Verfahren Therapeutisches Drug-Monitoring (TDM) oder Serumspiegel-assistierte Arzneimitteltherapie.

    Das TDM von Psychopharmaka ist noch keine Routinemethode. Es wird bislang nur in wenigen Universitätskliniken Deutschlands angewendet, wobei aber ein Aufwärtstrend zu verzeichnen ist. Schwierigkeiten bereiten die hohen Anfangsinvestitionen in Geräte und Technik, obwohl in Kosten-Nutzen-Studien langfristig auch ein finanzieller Gewinn nachgewiesen werden konnte. Umso erfreuter sind die Mitarbeiter des Instituts für Klinische Pharmakologie, daß diese Investitionen aus unterschiedlichen Finanzierungsquellen ermöglicht wurden. Mit Hilfe des Bundes und des Landes sowie der bekannten Arzneimittelfirma Rhône-Poulenc Rorer konnte schrittweise eine moderne Konfiguration zur Arzneimittelbestimmung aufgebaut werden selbstverständlich, dem Anspruch eines Universitätsklinikums entsprechend, werden die Geräte zu 50 Prozent und mehr auch für Forschungsaufgaben auf dem Gebiet der Pharmakotherapie eingesetzt. Das sind zum Beispiel die Auffindung von optimalen Serumspiegelbereichen (sogenannte therapeutische Bereiche oder therapeutische Fenster), die Auffindung oder der Ausschluß ungünstiger Stoffwechselprodukte der Arzneistoffe (Metabolite), Wechselwirkungen bei Gabe von mehreren Arzneimitteln, Metabolismus neuer Psychopharmaka wie Zotepin (NipoleptTM). Beide Einrichtungen des Universitätsklinikums leisten so einen Beitrag zur Verbesserung der psychiatrischen Versorgung im Land Sachsen-Anhalt.

    Autoren: Dr. Sven Ulrich, Institut für Klinische Pharmakologie, und OA Dr. Peter Danos, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin am Universitätsklinikum Magdeburg


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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