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21.03.2022 13:57

Bürgerinnen und Bürger können neuartige und relevante Forschungsfragen für die Wissenschaft generieren

Jennifer Reo Corporate Communications
European School of Management and Technology (ESMT)

    Neue Erkenntnisse zeigen, dass die stärkere Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern in die frühen Phasen von Forschungsstudien der Schlüssel zu neuen, innovativen Perspektiven und zur Förderung wirkungsvoller Forschung sein könnte. Diese wurden nun in der Zeitschrift Research Policy veröffentlicht.

    Laut den Autorinnen und Autoren könnte die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern bei der Entwicklung der Forschungsagenda sowie bei der Formulierung konkreter Forschungsfragen und -hypothesen Vorteile gegenüber dem derzeitigen Ansatz haben, bei dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über Forschungsfragen entscheiden und die Ergebnisse später an die Öffentlichkeit weitergeben.

    Diese Erkenntnisse stammen aus einer Studie von Henry Sauermann, Professor für Strategie an der ESMT Berlin, zusammen mit Kolleginnen von der Copenhagen Business School und der österreichischen Ludwig Boltzmann Gesellschaft, darunter die wissenschaftliche Leiterin des Open Innovation in Science Center Marion Poetz. Die Autorinnen und Autoren wollten herausfinden, wie Forschungsfragen aussehen, die Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler entwickeln und wie sich diese Fragen von Forschungsfragen unterscheiden, die von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Rahmen des üblichen Forschungsprozesses gestellt werden.

    Die Forschenden analysierten zwei Projekte in den Gesundheitswissenschaften, bei denen Forschungsfragen per Crowdsourcing generiert wurden, um neue Forschungsprojekte zu ermitteln. Die Fragen wurden von einer Vielzahl an Personen eingereicht, darunter Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen, aber auch medizinisches Fachpersonal wie Krankenschwestern sowie Ärztinnen und Ärzte. Zum Vergleich zogen die Forscherenden Forschungsfragen aus wissenschaftlichen Konferenzbeiträgen heran.

    Unabhängige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Gesundheitswissenschaften bewerteten daraufhin beide Fragengruppen im Hinblick auf Neuartigkeit, wissenschaftliche Bedeutung und praktische Relevanz, wobei sie die Herkunft der Forschungsfragen nicht kannten. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bewertenden die Fragen aus dem Crowdsourcing im Durchschnitt als weniger neu und wissenschaftlich relevant einstuften, dafür aber eine ähnliche oder höhere praktische Bedeutung hatten.

    Nachdem die Forscher die Fragen einer Vorauswahl unterzogen hatten, übertrafen die besten 20 Prozent der von Bürgerinnen und Bürgern entwickelten Forschungsfragen die der Fachleute auf allen Dimensionen. Darüber hinaus waren die Fragen aus dem Crowdsourcing-Prozess tendenziell interdisziplinärer und kombinierten häufig Konzepte aus verschiedenen medizinischen Bereichen oder bezogen Ideen von außerhalb der Medizin mit ein.

    “Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versuchen, gesellschaftlich relevante Probleme zu lösen, etwa im Bereich der Medizin. Aber sie stoßen dabei oft an Grenzen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können sich dabei im Kreis drehen, indem sie sich mit denselben Problemen befassen und ähnliche Lösungsansätze versuchen. Betroffene Bürgerinnen und Bürger bringen eine neue Perspektive ein und können möglicherweise der Schlüssel zu neuen Forschungsansätzen und praktisch relevanten Lösungen sein”, so Professor Sauermann.

    Die Forscherenden sind sich darüber im Klaren, dass es nicht immer sinnvoll ist, Bürgerinnen und Bürger in die Entwicklung von Forschungsfragen einzubinden, um die Richtung wissenschaftlicher Forschung mitzugestalten. In einigen Fällen könnte dies jedoch der Schlüssel zu einem besseren Verständnis eines Themas sein und eine andere Perspektive bieten. Es sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um herauszufinden, welche Bürgerinnen und Bürger besonders wertvolle Beiträge für die Wissenschaft leisten und wie die Vielfalt der Mitwirkenden die Ergebnisse des Crowdsourcing beeinflusst.

    “Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten sich überlegen, in welchen Phasen des Forschungsprozesses Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler behilflich sein können, um effektiver zu forschen und letztlich eine größere Wirkung mit ihrer Forschung zu erzielen. Die Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern oder bestimmten Untergruppen wie Patientinnen und Patienten sowie medizinischen Fachkräften von Beginn eines Forschungsprozesses an kann dazu beitragen, Forschungsprojekte in neue Richtungen zu lenken und ihre Wirksamkeit bei der Lösung realer Probleme zu erhöhen”, sagt Professor Marion Poetz.

    Angewandte Forschungsprojekte, die sich mit gesellschaftlichen Themen befassen, können am meisten davon profitieren, wenn sie Ideen und Forschungsfragen von Bürgerinnen und Bürgern einbeziehen. Solche Projekte gibt es häufig in der Medizin, aber auch in Bereichen, die mit Nachhaltigkeit zu tun haben, wie Umweltwissenschaften, Bildung und wirtschaftliche Entwicklung. Aber auch in Bereichen wie Astronomie, Biologie oder Quantenphysik haben Bürgerinnen und Bürger wichtige Beiträge geleistet. Dies deutet auf viele weitere Möglichkeiten hin, die „Weisheit der Masse“ zu nutzen, um die wissenschaftliche Forschung voranzubringen.

    Pressekontakt:
    Jennifer Reo
    Pressesprecherin
    +49 151 1457 1830
    jennifer.reo@esmt.org


    Originalpublikation:

    https://doi.org/10.1016/j.respol.2022.104491


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    fachunabhängig
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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