Um die Klimaziele und mehr Energieunabhängigkeit zu erreichen, plant die Bundesregierung ein 100-Milliarden-Euro-Paket. Dabei rücken auch die CO2-Einsparziele im Gebäudebestand in den Fokus. Allein in der Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser liegt viel Potenzial: Energieeffiziente Wärmepumpen können die Abkehr von fossilen Brennstoffen unterstützen und zu Energieunabhängigkeit beitragen. Doch dafür muss der Bestand von derzeit einer Million Wärmepumpen auf vier bis sechs Millionen bis 2030 drastisch steigen. Energieexperten des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung haben untersucht, was die Umrüstung auf diese Technologie hemmt und wie Barrieren überwunden werden können.
Beim ökologischen Umbau des Gebäudesektors, wie ihn die Bundesregierung plant, spielen Wärmepumpen eine zentrale Rolle. Langfristig können sie die herkömmlichen CO2-intensiven Öl- und Gasheizungen ersetzen. Dabei nutzen sie Umgebungswärme aus unterschiedlichen Quellen wie Boden, Grundwasser und Luft zum Heizen und können mit erneuerbar erzeugtem Strom betrieben werden. „Um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, muss auch das Einsparpotenzial an Treibhausgasen im Gebäudebestand durch die Umrüstung auf Wärmepumpen so rasch wie möglich genutzt werden“, sagt ISOE-Energieexperte Immanuel Stieß. „Großer Nahholbedarf besteht insbesondere bei Mehrfamilienhäusern. Hier sind Wärmepumpen bislang noch kaum in Betrieb.“
Insbesondere als Teil von sogenannten Trigenerationssystemen, die Wärme-, Kälte- und Stromerzeugung kombinieren, können Wärmepumpen die Ökobilanz signifikant verbessern und zugleich Strom- und Heizkosten deutlich senken. In dem europäischen Forschungsverbund „TRI-HP – Trigenerationssysteme für die Nutzung verschiedener erneuerbarer Energiequellen“, an dem Immanuel Stieß und sein Team beteiligt waren, wurden solche Systeme untersucht. „Ein Großteil des für den Betrieb der Trigenerations-Wärmepumpen benötigten Stroms kann durch Photovoltaik vor Ort gewonnen werden“, sagt Stieß. „Die Nutzung von Sonnenenergie auf dem eigenen Dach macht den Betrieb dieser Wärmepumpen besonders energieeffizient, autark und kostengünstiger als fossil betriebene Heizungen.“
Technologie für die Wärmepumpen der nächsten Generation
Ein weiterer Vorteil dieser innovativen Wärmepumpensysteme ist, dass sie auch ohne synthetische Kältemittel auskommen, die ein sehr hohes Treibhauspotenzial haben. Stattdessen nutzen sie natürliche Kältemittel wie Propan oder CO2, wodurch sie im Betrieb besonders umwelt- und klimafreundlich sind. „In dieser Kombination stellen Trigenerationssysteme die Technologie für Wärmepumpen der nächsten Generation dar, eine Schlüsseltechnologie auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und mehr Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen dar“, sagt Stieß.
Doch der ISOE-Forscher weiß auch: Technik alleine macht noch keinen Klimaschutz. Technische Innovationen müssten auch bekannt sein und von den Anwender*innen und Entscheidungsträger*innen akzeptiert werden. In einem mehrstufigen Dialogprozess mit Investor*innen, Architekt*innen, Eigentümer*innen von Immobilien sowie Installateur*innen in vier europäischen Ländern, darunter Deutschland, haben Stieß und Kollegen ermittelt, wo nicht-technische Hürden, Anreize und Widerstände beim Thema Wärmepumpen liegen und welche ökonomischen, organisatorischen und kommunikativen Anforderungen und Bedürfnisse zu berücksichtigen sind, damit diese Technologie erfolgreich eingesetzt werden kann.
Energieeffiziente Lösungen im Wärmesektor ökologisch und sozial notwendig
„Im Dialog mit den Praxisakteuren haben wir gesehen, dass im Gebäudebestand die größte Herausforderung für den Einbau von Wärmepumpensystemen liegt,“ sagt Immanuel Stieß. „Denn wie jede energetische Ertüchtigung in bestehenden Häusern und Wohnungen muss auch der Umstieg auf eine Wärmepumpe gut geplant werden. Das ist mit anfänglichen Investitionskosten verbunden, denen aber dann später Einsparungen im Betrieb gegenüberstehen.“ Doch mit Blick auf die Pläne des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, wonach ab 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden muss, ergibt sich aus Sicht des Energieexperten zumindest im Neubau ein Gelegenheitsfenster, um die energieeffizienten Systeme zu etablieren.
Die möglichst schnelle Abkehr von fossilen Brennstoffen für die Wärmeerzeugung sei aber nicht allein mit Blick auf Klimaziele, sondern auch aus sozialer Sicht entscheidend. „Vor allem Haushalte, die zur Miete wohnen, müssen wegen der aktuell enorm steigenden Preise für fossile Energieträger einen immer größeren Anteil ihres Einkommens für Energiekosten aufwenden. Das trägt erheblich zur Belastung von geringen und mittleren Einkommensgruppen bei.“
Gesamtsystem verstehen: Schulungsoffensive für Fachverbände und Hersteller
Damit die Wärmewende vorankommt, müsse zunächst die ökologische Bedeutung von Wärmepumpen für die Einsparung von CO2 und Treibhausgasen ins öffentliche Bewusstsein rücken. Aber auch auf der Planungsebene bestehe Handlungsbedarf: Die befragten Stakeholder in Deutschland, der Schweiz, Spanien und Norwegen bezeichneten den höheren Aufwand für eine erfolgreiche Planung und Installation innovativer Wärmepumpen sowie die damit verbundenen hohen Investitions- und Vorlaufkosten als großes Hemmnis. „Es fehlen Blaupausen für eine vereinfachte Planung, die es Heizungsinstallateur*innen, Fachplaner*innen und Architekt*innen erleichtern, die Größe und Leistung einer Anlage an die Anforderungen von Gebäuden und Nutzer*innen anzupassen. Zudem ist vielfach das Fachwissen im Umgang mit den komplexen Systemen bei einigen zentralen Akteuren noch nicht vorhanden“, sagt Stieß.
Insgesamt komme der Aus- und Fortbildung der beteiligten Handwerker*innen eine besondere Bedeutung zu. Eine Schulungsoffensive sei notwendig, damit die innovativen Wärmepumpensysteme in Wohngebäuden routiniert geplant, installiert, in Betrieb genommen und gewartet werden können. Der akute Fachkräftemangel erschwere Aus- und Fortbildungsmaßnahmen allerdings, er wird von befragten Stakeholdern als Hürde wahrgenommen.
Standardisierte Lösungen entwickeln für bessere Marktakzeptanz
Zur Verbesserung der Marktakzeptanz empfehlen die ISOE-Forscher, dass Wärmepumpen zum einen stärker standardisiert und leichter installierbar werden. Kompakte, platzsparende Systeme oder Module, die fertig konfektioniert und einfach mit Komponenten anderer Hersteller kombiniert werden, erhöhen die Praxistauglichkeit sowohl für neue als auch für bestehende Gebäude. Die Lösungen müssen nach Einschätzung der Anwender leicht zu installieren und zu bedienen sein. Deshalb würden kombinierte Pakete, etwa eine Wärmepumpe mit Photovoltaik, intelligenter Steuerung und thermischem Speicher, von Investor*innen wie Architekt*innen sehr geschätzt.
Eine vergleichsweise übersichtliche Antragstellung zur Förderung von Wärmepumpensystemen durch interessierte Abnehmer wird ebenfalls als wichtig erachtet. Zudem gebe es einen Bedarf an neuen Finanzierungs- und Geschäftsmodellen, zum Beispiel eines sogenannten Wärme-Contracting, um die Marktverbreitung innovativer Wärmepumpensysteme zu verbessern.
Dr. Immanuel Stieß
Tel. +49 69 707 6919-19
stiess@isoe.de
www.isoe.de
Friedrich, Thomas/Immanuel Stieß (2021): Enhancing stakeholders’ acceptance of trigeneration heating and cooling systems: Recommendations from the TRI-HP stakeholder process. Brussels: European Commission. https://doi.org/10.5281/zenodo.5500482
https://www.isoe.de/nc/forschung/projekte/project/tri-hp/
https://www.tri-hp.eu/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Bauwesen / Architektur, Energie, Politik, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).