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08.04.2022 14:03

Bei Nachfolgen für Unternehmen: Nicht zögern, einfach starten

Eva Echterhoff Media Relations
HHL Leipzig Graduate School of Management

    Zweite Phase der „Zukunftsland Sachsen“-Veranstaltungen mit Erfahrungsberichten von Unternehmenden und Einblicken in praxisnahe Forschungen hat erfolgreich begonnen / Unternehmende greifen Netzwerk-Angebote der gemeinsamen Digitalisierungsinitiative des Freistaates Sachsen und der Handelshochschule Leipzig (HHL) positiv auf.

    OELSNITZ/LEIPZIG. Keinen Augenblick habe er gezögert, meint Jörg Walther, als er angefragt wurde, die Auftaktveranstaltung für die 2022er Eventreihe der Erlebnisreise „Zukunftsland Sachsen“ in seiner Firma abzuhalten. Der Geschäftsführer der Walther Büroorganisation und Einrichtung GmbH in Oelsnitz begrüßte zusammen mit seinen Co-Gastgebern von der Handelshochschule Leipzig (HHL) rund 50 Gäste in seiner Firma. „Zukunftsland Sachsen“ ist die gemeinsame Digitalisierungsinitiative des Freistaates Sachsen und der Handelshochschule Leipzig (HHL) für kleine- und mittelständische Unternehmen und Selbstständige. Im Vogtland drehte sich am Mittwochnachmittag alles um die Chancen der Digitalisierung im Zuge einer erfolgreichen Unternehmensnachfolge.
    Hausherr Jörg Walther steht einem Familienunternehmen vor, das 1977 von seinen Eltern gegründet wurde. Zusammen mit seinem Bruder Jens leitet er die Firma, weitere enge Familienangehörige sind ebenfalls hier tätig. Digitalisiert wird bereits seit Längerem: „Wir fassen schon lange kein Papier mehr an“, so Walther, „aber wir wissen auch, dass wir uns nicht auf dem Ist-Zustand ausruhen können. Digitalisierung geht ständig weiter.“

    Die Nachfolge in einem Unternehmen zu regeln ist ein Prozess, der frühzeitig beginnen und konstant vorangetrieben werden müsse. „Denn diese dauert immerhin drei bis sieben Jahre“, erläutert Dr. Maximilian Schreiter von der HHL anhand aktueller Studienergebnisse. Der Executive Director des Instituts für Familienunternehmen und Unternehmernachfolge (IFU) an der HHL weiß, dass viele Unternehmende das Thema vergleichsweise spät angehen: „Erst oft jeweils jenseits der 60, dann kann es zeitlich aber schon recht kritisch werden“, so der Wissenschaftler. Daher wundert es ihn nicht, dass rund die Hälfte der klein- und mittelständischen Unternehmen in Deutschland keine Nachfolgerin bzw. keinen Nachfolger finden. Klüger wäre es für Unternehmerinnen und Unternehmer, sich bereits im Alter von Anfang oder Mitte 50 Jahren Gedanken zur Nachfolgeregelung zu machen und diesen langwierigen Prozess ganz gezielt anzugehen.

    Sich für diese herausfordernde Phase Hilfe und Partner in die Firma zu holen, sei verantwortungsvolles Unternehmertum, erklärt Carola Kluge. Die Steuerberaterin ist die erste Referentin des Nachmittags; sie hat sich in ihrer „Kluge-Steinmüller Steuerberatungsgesellschaft mbH“ auf Unternehmensnachfolgen und Digitalisierungschancen spezialisiert. „Man darf keine Angst haben“, meint die Fachfrau, „diesen oftmals unbequemen Weg muss man gehen“. Werden die notwendigen Schritte gar nicht, zu spät oder falsch umgesetzt, kann das der Firma massiv schaden. So lassen wachsendes Desinteresse am eigenen Unternehmen, übermäßige Ausschüttungen aus dem Firmengewinn oder Blockaden innovativer Ideen sowie motivierter Mitarbeiter aus einem gutgehenden Betrieb schnell eine leere Hülle werden. „Ein derart wackeliges Konstrukt will dann aber auch niemand mehr übernehmen“, meint die Expertin aus Auerbach. Am Ende stehe das Unternehmen möglicherweise ohne Nachfolger da – und das oftmals unter harten Umständen aufgebaute Lebenswerk endet schnöde mit einer Betriebsschließung.
    Diese notwendige Weitsicht haben die Eltern von Alexander Scymanek bewiesen. Sie baten ihren Sohn, der erfolgreich als Verfahrenstechnik-Ingenieur für die Verbundnetz Gas AG in Leipzig arbeitete, bei einem Besuch zum Gespräch zwischen Mittagessen und Kaffeetrinken: Was er denn davon halte würde, die Firma zu übernehmen, fragten ihn die Eltern, die ein Großhandelsunternehmen für Säuberungs- und Hygieneprodukte in Treuen aufgebaut hatten. „Ich war anfangs überrascht. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto sinnvoller und logischer erschien mir der Schritt einer familieninternen Nachfolge“, so Scymanek in der Rückblende. Zumal er seinen Lebensmittelpunkt gern wieder zurück ins Vogtland verlagern wollte, bis dato aber auf dem regionalen Arbeitsmarkt keine spannende Tätigkeit gefunden hatte.
    Ab 2011 stieg Scymanek Junior für fünf Jahre als Assistent der Geschäftsführung ein. „Diese Zeit bis zum Ausscheiden meiner Mutter aus der Firma nenne ich scherzhaft meine Probezeit. Sie hat mir notwendige und entscheidende Einblicke ins Unternehmen verschafft.“ Begleitet und unterstützt wurde der Prozess von Carola Kluge.
    Erste digitale Maßnahme war die Einführung der papierlosen Buchhaltung, gefolgt von einem digitalen Warenwirtschafts-System samt modernem Online-Shop. Die positiven Folgen: Die Nachfrage stieg, ein neues Lager samt digitaler Lagerverwaltung wurde errichtet, die Belegschaft verdreifachte sich von 7 auf 25 Mitarbeitende. Bis Ende dieses Jahres wird Alexander Scymanek noch zusammen mit seinem Vater das Unternehmen führen, dann ist er der alleinige Chef der Scymanek GmbH.
    Steffen Fischer aus Leipzig teilt sich die Geschäftsführung der „Fischer Druck & Medien“ mit seinem Bruder Thomas. Beide hatten eine im Vergleich rasante Übernahmephase: Ganze drei Monate dauerte es, bis die beiden den väterlichen Betrieb 2012 übernahmen. Allerdings kannten beide Brüder die Firma und das Metier von klein auf: Steffen Fischer ist studierter Drucktechniker, Thomas Fischer ist Kaufmann. „Wichtig ist es, einen guten Juristen an Bord zu haben und sich vorweg selbst im Klaren zu sein, was man will und was nicht“, gibt Fischer einige Erfahrungswerte weiter. Auch Partner wie die Industrie- und Handelskammern sind wichtige Ansprechpartner und bieten Mediation an, wenn mal nicht alles so läuft wie geplant.
    Die Digitalisierung begann bei den Fischers bereits in den 1980er Jahren, der Vater der beiden jetzigen Firmeninhaber konnte zu DDR-Zeiten einen Robotron-Computer für die Druckerei organisieren. Nach der Wende verdrängten schnell Macintosh-Rechner den klassischen Setzkasten, die Druckplattenbelichtung wurde rasch eingeführt.
    Doch kann das Unternehmen, das 1922 vom Urgroßvater im Leipziger Graphischen Viertel gegründet wurde, in den aktuellen Zeiten des massiven Preiskampfes mit Internet-Druckereien überleben? „Ja, eben genau wegen der konstanten Digitalisierung“, so Steffen Fischer, der eine Zeit lang in Australien lebte. „Wir können unseren modernen Maschinenpark deutlich besser auslasten, zusätzlich neue digitale Leistungen für unsere Kunden anbieten und den individuellen Service deutlich verbessern.“ Wäre der Familienbetrieb eine klassische Druckerei geblieben, könnten die Fischer-Brüder 2022 wohlmöglich nicht mehr auf die 100 Jahre Firmenhistorie zurückblicken.
    Ins Wechselbad unternehmerischer Gefühle stieg Pierre Beer bei seiner Firmennachfolge. Nachdem der ehemalige Banker 2013 die Treuener „GETT GmbH“ vom Firmengründer Tobias Möckel übernommen hatte, wollte er das Unternehmen schnell und umfassend auf digitalen Kurs bringen. Doch stattdessen mussten er und sein Kompagnon Tino Pietsch das Kerngeschäft des Unternehmens retten: Langjährige Kunden hatten sich abgewandt, Wettbewerber boten technisch bessere und günstigere Produkte an. Die interne Kommunikation des Unternehmens und die Problemanalyse waren eingeschlafen, nicht zuletzt auch, weil der ehemalige Chef sich Stück für Stück aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen hatte.
    „Wir haben einen großen Teil dieses Problemkomplexes aufgelöst, weil wir die Belegschaft aus ihren fachlichen Silos rausgeholt und motiviert haben, wieder Abteilungs-übergreifend konstruktiv miteinander zu kommunizieren“, so Beer. Nach und nach herrschte wieder ein offenes Firmenklima, so konnten auch die notwendigen Veränderungen in der Produktion angegangen werden. Die Mitarbeiter haben mit einer Vielzahl kleiner Maßnahmen sehr viel erreichen können. „So brachten wir an die vorhandenen Maschinen eine Reihe von Sensoren an, um Verbräuche, Zeiten und andere Werte zu erfassen. Zudem haben wir die Fertigungsprozesse minutiös beobachtet und überprüft“, erinnert sich Pierre Beer, der ein erfolgreicher Absolvent des Part Time-MBA-Programms der HHL ist. Zusammen mit den gewonnenen Daten konnten die Fertigungssysteme durchleuchtet und entscheidende Veränderungen in der Produktion eingeführt werden. Heute ist die vogtländische GETT GmbH wieder eine erfolgreiche Firma mit 200 Angestellten an vier internationalen Standorten. Eine Erkenntnis bringt Beer auf der „Zukunftsland Sachsen“-Veranstaltung viel wissendes Kopfnicken der Gäste ein: „Ein bisschen positive Naivität gehört schon dazu – sonst hätte ich die Übernahme und den Firmenumbau nicht durchziehen können.“

    Der Tour- und Themenplan der Erlebnisreise „Zukunftsland Sachsen“ 2022
    • 13. April 2022, Radebeul: Digitalisierung im Handwerk
    • 27. April 2022, Delitzsch: Kompetenzen und Fachkräfte der Zukunft
    • 5. Mai 2022, Seifhennersdorf: Elektronischer Handel und E-Commerce
    • 10. Mai 2022, Dresden: ZLS zu Gast im Robot Valley Saxony
    • 18. Mai 2022, Zwickau: Mobilität – Infrastruktur für die Zukunft
    • 24. Mai 2022, Leipzig: New Work – Die neue Arbeitswelt


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    jedermann
    Wirtschaft
    regional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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