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27.04.2004 15:34

Vorkämpfer des naturwissenschaftlichen Zeitalters

Stefanie Hahn Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Neue Publikation zeigt den Botaniker Schleiden als Anthropologen mit darwinistischer Prägung

    Jena (27.04.04) Matthias Jacob Schleiden (1804-1881), der 23 Jahre an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena wirkte, gilt als Vater der Zellbiologie. Weniger bekannt ist, dass der rührige Botaniker die erste fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der Universität und der örtlichen Industrie anregte. Dass er konsequent die darwinistische Neuinterpretation der Anthropologie verfocht und die wissenschaftliche Diskussion im 19. Jahrhundert entscheidend prägte, ist ebenfalls wenig bekannt und erforscht. Daher haben die Wissenschaftshistoriker der Universität Jena den 200. Geburtstag Schleidens zum Anlass genommen, um erstmalig in einer Gesamtausgabe seine anthropologischen Schriften zu publizieren. Ihr Band ist heute (27. April) vorgestellt worden. Zudem erinnern die Botaniker heute mit einem Kolloquium und einer Mikroskoppräsentation (Am Planetarium 1) an den bedeutenden deutschen Botaniker, Anthropologen und Wissenschaftspopularisator. Die Urenkelin Schleidens und ihr Sohn sind dazu aus England angereist. Das Ernst-Haeckel-Haus in Jena (Berggasse 7) zeigt seit gestern eine begleitende Ausstellung.

    "Schleiden hat die pflanzliche Zelle als selbstständiges Lebewesen erkannt und eine allgemeine Lehre von der Pflanzenzelle aufgebaut", verdeutlicht die Botanikerin Prof. Dr. Maria Mittag von der Uni Jena. Pflanzen wurden seitdem nicht mehr bloß in ihrer Formenvielfalt systematisiert, sondern bewusst als einheitlich aus Zellen aufgebaute Funktionstypen begriffen. Für seine Zellforschung verwendete Schleiden Mikroskope unterschiedlichster Bauart. Er war es, der den Jenaer Mechaniker Carl Zeiss anregte, die Präzision seiner optischen Geräte zu verbessern, indem er einen Physiker hinzuzog. Das gedeihliche Zusammenwirken von Carl Zeiss und Ernst Abbe ist heute in aller Munde. Diese erste Kooperation zwischen Uni und Industrie zitierend, präsentierte die Carl Zeiss Jena GmbH moderne Lichtmikroskope im Praktikumsraum des Instituts für Allgemeine Botanik.

    Doch Schleiden schränkte seine Lehre schon vom Beginn seiner Tätigkeit in Jena nicht auf die Bereiche Botanik oder Pharmazie ein, sondern hielt zudem Anthropologievorlesungen. "Sie zeigen Schleiden als einen prononcierten Gegner der seinerzeit gängigen naturphilosophisch fundierten Naturlehre", sagt Prof. Dr. Dr. Olaf Breidbach. Der Jenaer Wissenschaftshistoriker hat gemeinsam mit Uwe Hoßfeld, der Biologiehistorikerin Ilse Jahn sowie Andrea Schmidt erstmals den gesamten Bestand aller verfügbaren anthropologischen Publikationen und Vorlesungsnachschriften als Buch vorgelegt. Der neue Band, der heute im Ernst-Haeckel-Haus erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, eröffnet eine Publikationsreihe zur Wissenschaftskultur um 1900, die im Franz Steiner Verlag (Stuttgart) erscheint. "Wie aus drei 1863 publizierten Vorträgen hervorgeht, war Schleiden einer der ersten Anthropologen, der sein Vorstellungsgefüge in das darwinistische Programm integrierte", nennt Prof. Breidbach eine der neuen Erkenntnisse.

    Dass Schleidens Anthropologie bisher weitgehend unbeachtet blieb, lag vor allem daran, dass relevante Texte für die Forschung nur in Publikationen aus den 1860er Jahren oder als Archivalien verfügbar waren. Hier schafft die neue Publikation Abhilfe und steht damit auch exemplarisch für die Intention der neuen Reihe, die über Texteditionen aber auch durch Monographien die breite Diskussion der Wissenschaftskultur um 1900 erschließen und in ihren strukturellen, kultur-, ideen- und wissenschaftsgeschichtlichen Dimensionen verfügbar machen will.

    Parallel zu diesen Aktivitäten ist am 26. April im Ernst-Haeckel-Haus (Berggasse 7) eine Ausstellung eröffnet worden, die Schleiden als "Botaniker, Anthropologen und Popularisatoren" thematisiert. Diese Ausstellung ist bis zum 30. September während der Woche von Dienstag bis Freitag (9.00 bis 16.00 Uhr) zu sehen.

    Kurzbiografie Schleidens:
    1804 in Hamburg geboren, war Matthias Jacob Schleiden erst Jurist, studierte dann aber Medizin und schließlich Botanik. Er lehrte von 1839-1862 als Professor für Botanik an der Jenaer Alma Mater. Als ordentlicher Professor war er seit 1850 auch Direktor des Botanischen Gartens. Im Jahre 1862 legte er nach Differenzen mit der Fakultät seine Professur nieder und ging nach einem kurzen Aufenthalt in Dresden als Professor der Anthropologie und russischer Staatsrat für ein Jahr an die Universität Dorpat. Später führte er ein Leben als Privatgelehrter. 1881 ist er in Frankfurt am Main gestorben.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Dr. Olaf Breidbach
    Ernst-Haeckel-Haus
    Berggasse 7, 07743 Jena
    03641 / 949500
    olaf.breidbach@uni-jena.de

    Prof. Dr. Maria Mittag
    Institut für Allgemeine Botanik
    Am Planetarium 1, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 949200
    Mail: M.Mittag@uni-jena.de


    Bilder

    Matthias Jacob Schleiden (1804-1881)
    Matthias Jacob Schleiden (1804-1881)

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Geschichte / Archäologie, Informationstechnik, Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Matthias Jacob Schleiden (1804-1881)


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