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20.04.2022 16:16

Allgegenwärtige Nährstoffe hemmen Appetit und fördern Bewegung

Lina Ehlert Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

    Forschende der ETH Zürich zeigen in Versuchen bei Mäusen, dass nicht-​essenzielle Aminosäuren appetithemmend wirken und den Bewegungsdrang fördern. Ihre Forschung gibt Einblick in den neuronalen Mechanismus, der diese Verhaltensweise steuert.

    Proteine können den Appetit hemmen. Eine proteinreiche Ernährung kann daher Personen helfen, ihr Gewicht zu reduzieren. Nicht zuletzt deshalb ist eine solche Ernährung in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Forschende der ETH Zürich haben nun in Mäusen einen neuen Mechanismus aufgezeigt, über welchen die Bausteine der Proteine – die Aminosäuren – den Appetit zügeln. Dabei geht es um die sogenannten nicht-​essenziellen Aminosäuren.

    Unser Körper kann von den 21 Aminosäuren, die er benötigt, deren 9 nicht selbst herstellen. Sie werden essenzielle Aminosäuren genannt, und wir müssen sie zwingend über die Nahrung aufnehmen. Daher fokussierte sich die Ernährungsforschung bisher auf diese. Die anderen 12 Aminosäuren gelten als nicht-​essenziell. Der Körper kann sie durch die Veränderung anderer Moleküle selbst herstellen.

    Bei Mäusen gezeigt

    Dass sowohl essenzielle als auch nicht-​essenzielle Aminosäuren den Appetit hemmen können, ist seit Längerem bekannt. Für die nicht-​essenziellen ist der Wirkmechanismus bisher jedoch noch nicht in lebenden Organismen nachgewiesen worden. Forschende unter der Leitung von Denis Burdakov, Professor für Neurowissenschaften an der ETH Zürich, haben nun zum ersten Mal in einem Lebewesen gezeigt, dass die nicht-​essenziellen Aminosäuren das Gehirn auf eine Weise beeinflussen, die appetitzügelnd und bewegungsfördernd wirkt.

    Die Wissenschaftler fütterten Mäusen zunächst entweder eine Mischung aus verschiedenen nicht-​essenziellen Aminosäuren oder eine Zuckerlösung mit gleich vielen Kalorien (Kontrollgruppe). Anschliessend konnten beide Mäusegruppen einen Milchshake trinken, den sie normalerweise lieben. Während die Kontrollgruppe ausgiebig davon trank, mieden die Mäuse, die zuvor mit nicht-​essenziellen Aminosäuren gefüttert wurden, den Milchshake. Sie machten sich stattdessen in ihrem Gehege auf die Suche nach einer alternativen Nahrung.

    Ursprung in der Evolutionsgeschichte

    Mit weiteren Versuchen konnten die Forschenden den Mechanismus entschlüsseln, bei dem spezialisierte Nervenzellen im Gehirn – Orexin-​Neuronen – die Hauptrolle spielen. Proteine, welche die Mäuse über die Nahrung aufnehmen, werden im Darm in ihre Aminosäuren verdaut, welche dort ins Blut gelangen. Über das Blut werden sie auch ins Gehirn transportiert. Die Orexin-​Neuronen im Hypothalamus besitzen Rezeptoren, welche spezifisch die nicht-​essenziellen Aminosäuren erkennen. Als Reaktion setzen sie einen neuronalen Schaltkreis in Gang, der die beschriebenen Verhaltensänderungen bewirkt.

    Der Ursprung dieses Mechanismus dürfte in der Evolutionsgeschichte liegen. «Heute stehen uns von allen Nährstoffen genügend zur Verfügung, und wir haben für die Nahrungsaufnahme ausreichend Zeit. Während der Urgeschichte, als sich dieser Mechanismus entwickelt hat, dürfte das anders gewesen sein», sagt Paulius Viskaitis, Postdoc in Burdakovs Gruppe und Erstautor der Studie. «Damals war es für ein Individuum vorteilhaft, sich nur kurz mit einer Nahrungsquelle zu beschäftigen, die vor allem aus nicht-​essenziellen Aminosäuren bestand.» Wird durch das Essen von nicht-​essenziellen Aminosäuren der Bewegungsdrang gefördert, macht sich das Tier auf die Suche nach anderen Nahrungsquellen, die möglicherweise mehr essenzielle Nährstoffe enthalten und für das Individuum wichtiger sind.

    Die Forschungsergebnisse seien auf den Menschen und andere Tiere übertragbar, betont Viskaitis. Denn der Mechanismus betreffe eine evolutionsgeschichtlich sehr alte Hirnregion, die in allen Säugetieren und vielen weiteren Wirbeltieren gleichermassen vorkomme. Personen, die abnehmen möchten, könne man eine Diät mit besonders vielen nicht-​essenziellen Aminosäuren trotzdem nicht ohne Weiteres empfehlen, sagt der ETH-​Wissenschaftler. Ernährungsempfehlungen müssten individuell erfolgen und gesundheitliche Aspekte mitberücksichtigen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Denis Burdakov, Professor für Neurowissenschaften an der ETH Zürich
    denis.burdakov@hest.ethz.ch
    +41 44 655 74 52


    Originalpublikation:

    https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2022/04/allgegenwaerti...

    https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982222003372?via%3Dihub


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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