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25.11.1998 16:52

Welt-AIDS-Tag 1998: HIV-Risiken und AIDS-Erkrankungen bei Jugendlichen in Deutschland

Dr. Ulrich Marcus Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Robert Koch-Institut

    24/98 25.11.1998

    Welt-AIDS-Tag 1998: HIV-Risiken und AIDS-Erkrankungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland

    Der Welt-AIDS-Tag am 1.12.1998 steht unter dem Motto "Force for change: World-AIDS-Campaign 1998 with young people". Jugendliche und junge Erwachsene bis zum Alter von 24 Jahren sind weltweit gesehen in besonderem Maße von HIV und AIDS betroffen. Etwa 7 000 der geschätzten 16 000 täglichen Neuinfektionen ereignen sich unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Dies kann nicht überraschen, weil HIV-Infektionen hauptsächlich sexuell und beim intravenösen Drogenkonsum übertragen werden. Junge Menschen aber experimentieren eher mit Drogen, sind sexuell aktiver und gehen öfter neue Partnerschaften ein. In der Tat steigen die Infektionsraten in den stark betroffenen Regionen der Dritten Welt in den Altersgruppen, die beginnen, sexuell aktiv zu werden, steil an.
    In den Industriestaaten und damit auch in Deutschland stellt sich die Situation etwas anders dar. Jugendliche und junge Erwachsene bis 24 Jahren stellen insgesamt in Deutschland nur knapp 10 % der HIV-Neuinfektionen. Das entspricht derzeit in Deutschland ca. 150 Neuinfektionen/Jahr. In der Altersgruppe zwischen 15 und 24 Jahren haben sich in Deutschland bisher insgesamt ca. 7 500 Menschen mit HIV infiziert. Aktuell leben in dieser Altersgruppe aber nur etwa 600 bis 700 HIV-Infizierte. Die anderen sind inzwischen älter oder sogar bereits verstorben. Nicht eingerechnet in diese Zahlen sind die in Deutschland lebenden Migranten aus den Regionen der Welt, in denen sich HIV bereits in der Gesamtbevölkerung dramatisch ausgebreitet hat. In der entsprechenden Altersgruppe werden bei Migranten aus diesen Ländern derzeit in Deutschland jährlich etwa 50 bis 60 HIV-Infektionen diagnostiziert, eine Schätzung der tatsächlichen Zahl der aktuell in Deutschland lebenden HIV-infizierten Migranten ist aber derzeit schwer möglich.
    Die deutlichen Unterschiede zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sind auf eine Reihe von Gründen zurückzuführen, u.a.:
    · Unterschiede in der Altersstruktur der Bevölkerung
    · Homo- und bisexuelle Männer sind in Deutschland nach wie vor die am stärksten von HIV betroffene Gruppe; junge Homosexuelle werden aber im Durchschnitt erst später sexuell aktiv als ihre heterosexuellen Altersgenossen.
    · Die relativ erfolgreiche Eindämmung der HIV-Epidemie unter Drogengebrauchern, die sowohl die nicht-sexuelle wie auch die sexuelle Ausbreitung von HIV unter jungen Menschen begrenzt.
    · Nicht zuletzt hat auch die Sexual- und AIDS-Aufklärung über Schule, Elternhaus und Massenmedien zur breiten Akzeptanz und einer erheblichen Steigerung der Kondomverwendung beigetragen.
    Im Unterschied zur Risikoverteilung bei der Gesamtzahl der HIV-Neuinfektionen sind heterosexuell aktive Jugendliche und junge Erwachsene in der Altersgruppe der 15- bis 24jährigen überproportional vertreten. Junge Homosexuelle stellen etwa ein Drittel der Neuinfektionen. Ein weiteres Drittel der HIV-Infektionen wird bei Migranten diagnostiziert, und das restliche Drittel verteilt sich auf Infektionen, die über Drogengebrauch oder über heterosexuelle Kontakte erworben wurden. Die beiden letztgenannten Infektionsrisiken sind in dieser Altersgruppe mittlerweile nahezu gleich häufig. Obwohl angesichts der überschaubaren Absolutzahlen kein Anlaß zur Dramatisierung besteht, zeigt dies, daß die gerade in dieser Altersgruppe weitverbreitete Meinung, die HIV-Epidemie betreffe "nur" die homosexuellen Männer, schon längst nicht mehr zutrifft.
    "Der relativ hohe Anteil der Migranten unter den jungen Infizierten verweist darauf, daß sich Deutschland wie auch alle anderen EU-Länder im Zeitalter der Globalisierung nicht von den Entwicklungen im Rest der Welt abschotten kann", erklärte Prof. Reinhard Kurth, Leiter des Robert Koch-Instituts. "Angesichts einer sich in weiten Teilen der Welt ungebremst ausbreitenden HIV-Epidemie wäre es eine Illusion zu glauben, Deutschland könne von dieser Entwicklung unberührt bleiben."
    Nicht nur die Entwicklungsländer allgemein, auch die in Deutschland lebenden, aus diesen Ländern stammenden Ausländer werden von den in den letzten Jahren erreichten therapeutischen Fortschritten faktisch weitgehend ausgeschlossen. Während in allen anderen Betroffenengruppen durch rechtzeitige Diagnose und Behandlung der HIV-Infektion AIDS-Erkrankungen zunehmend verhindert bzw. hinausgezögert werden, profitieren in Deutschland lebende, nicht aus einem der anderen westlichen Industriestaaten kommende Ausländer bisher nur vereinzelt von den verbesserten Behandlungsmöglichkeiten. Dies drückt sich darin aus, daß sich der Anteil der Ausländer aus den besonders von AIDS und HIV betroffenen Regionen an der insgesamt deutlich schrumpfenden Zahl der AIDS-Erkrankungen von 3 % im Jahre 1994 auf 12% im Jahre 1998 vervierfacht hat. Von 1994 bis 1997 ist die Zahl der AIDS-Erkrankungen in Deutschland insgesamt von mehr als 2 000 auf ca. 800 zurückgegangen. In der Altersgruppe der 15- bis 24-jährigen zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit, daß der Anteil der Personen an den AIDS-Erkrankungen in dieser Altersgruppe steigt, die nicht aus den westlichen Industriestaaten kommen. Und zwar kontinuierlich von 28 % (12 von 43) im Jahre 1994 bis auf 60 % (12 von 20) im Jahr 1997. Unter den 1998 diagnostizierten und bisher an das RKI gemeldeten Erkrankungen dieser Altersgruppe sind es bislang über 85 %.
    Gerade am Welt-AIDS-Tag, der die weltweite Solidarität mit den Betroffenen fördern soll, muß sich die deutsche Gesellschaft die Frage stellen lassen, ob sie HIV-infizierte Menschen ohne deutschen Paß nur als lästige potentielle Bedrohung wahrnimmt, oder ob sie auch in diesen Mitmenschen erkennt, die auf Unterstützung, Hilfe und Verständnis angewiesen sind.
    + + + Ende RKI-P + + +


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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