Metalle wie Kobalt und Lithium werden für die Energiewende benötigt, unter anderem in der Produktion von Solaranlagen, Windrädern und Elektroautos. Der Abbau dieser Rohstoffe ist allerdings ökologisch schädlich, die Arbeitsbedingungen sind oft gesundheitsgefährdend und die örtliche Bevölkerung wird von Planung und Betrieb der Bergwerke meist ausgeschlossen. Ein internationales Forschungsteam um IASS-Direktor Ortwin Renn beschreibt in einer neuen Publikation Wege, wie die bisherige Praxis verbessert und eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Form des Bergbaus und des Umgangs mit Rohstoffen umgesetzt werden könnte.
„Wir gehen davon aus, dass der Abbau von Metallen weiterhin notwendig sein wird. Es ist aber möglich, mit wirksamen Politikinstrumenten die negativen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen erheblich zu reduzieren. Wichtig dabei ist die Beteiligung einer Vielzahl von Interessengruppen, die die Auswirkungen der Bergbau-Aktivitäten auf Mensch und Umwelt umfassend in den Blick nehmen”, sagt Ortwin Renn.
Einen Teil der negativen Folgen kann der Bergbausektor nach Ansicht der Studienautorinnen und -autoren durch Ausgleichsmaßnahmen kompensieren. Bei der Beschaffung der Rohstoffe müssen hohe Nachhaltigkeitsstandards gelten, das Recycling sollte deutlich gestärkt werden und so zu einer effizienten und marktbasierten zirkulären Wirtschaft beitragen. Eine nachhaltigere mineralgewinnende Industrie kann zur Verwirklichung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) beitragen, zum Beispiel, indem sie den Bau von Infrastruktur (SDG 9) und die Herstellung von Wind- und Solartechnologien (SDG 7) ermöglicht.
Allerdings wird der Bergbau niemals alle Ziele einer nachhaltigen Entwicklung erreichen können, wie etwa den Verzicht auf Nutzung und Verbrauch von nicht erneuerbaren Rohstoffen. Daher schlägt das Autorenteam, vor, sich an dem Konzept der „schwachen Nachhaltigkeit“ zu orientieren, das zwar ambitionierte, aber realistische Ziele umfasst. Demnach können auch nicht erneuerbare Ressourcen genutzt werden, wenn sie andere nachhaltige Ziele wie erneuerbare Energiegewinnung ermöglichen.
Nachhaltigkeit braucht viele Akteure
Für eine verbessere Steuerung des Bergbaus braucht es Engagement auf vielen Ebenen, von einzelnen Unternehmen bis hin zur internationalen Politik. Auf der Grundlage ihrer Analyse empfehlen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die folgenden konkreten Schritte:
1) Management auf Organisationsebene: Unternehmen und Investoren sind dafür verantwortlich, Nachhaltigkeitsindikatoren in ihre Entscheidungs- und Kontrolltätigkeiten einzubeziehen. Nachhaltigkeit muss ein fester Bestandteil des Rechnungswesens werden.
2) Regionale und nationale Vorschriften: Alle Bergbautätigkeiten werden regional und national reguliert. Die Vorschriften sollten sich an den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit - ökologisch, wirtschaftlich und sozial – orientieren. Vor allem sollten sie Anreize wie Steuerermäßigungen für vorbildliche Nachhaltigkeitsleistungen oder Strafen für Verstöße gegen Nachhaltigkeitsziele umfassen. Damit wird die finanzielle Belastung für Investitionen in die nachhaltige Unternehmensführung ausgeglichen. Darüber hinaus sollten regionale Vorschriften die aktive und wirksame Beteiligung lokaler Gemeinschaften und Akteure bei der Gestaltung der Betriebsbedingungen sicherstellen.
3) Freiwillige Vereinbarungen und Zertifizierungssysteme in den Industriebranchen: Das wichtigste Instrument ist hier die Betriebsgenehmigung: Auf Grundlage der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit sollten hier Maßstäbe international vereinbart werden. Es braucht klare Vorschriften für die Messung, Überwachung und das Compliance-Management. Die Industrie könnte hierbei von nationalen Bergbauverbänden, aber auch von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) unterstützt werden.
4) Globale Governance-Strukturen: Regionale und nationale Vorschriften weltweit sollten harmonisiert werden. Ein solches globales Abkommen kann notwendige Anpassungen zur Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten enthalten. Eine neue Einheit bei den Vereinten Nationen könnte den weltweiten Bergbau regeln. Je mehr sich die Nachhaltigkeit zu einer wichtigen Triebkraft für Veränderungen entwickelt, desto mehr braucht die Weltgemeinschaft ein Forum, in dem Regeln für den Bergbau entwickelt, ausgehandelt und umgesetzt werden können.
5) Finanzinstrumente (grüne Investmentfonds): Der Finanzsektor kann die Wende zur Nachhaltigkeit unterstützen, indem er Nachhaltigkeitskriterien einbezieht, unter anderem bei Entscheidungen über Kredite oder wenn Rating-Agenturen die Leistung von Unternehmen einstufen.
Kompromisse sind unausweichlich
„Bei der Regulierung des Bergbaus wird es immer Kompromisse geben. Chancen wie die Erleichterung des Umstiegs auf erneuerbare Energien, innovatives Batteriedesign und E-Mobilität auf der einen Seite stehen Risiken für Ökosysteme und soziale Gemeinschaften auf der anderen Seite entgegen. Es ist wichtig, das richtige Gleichgewicht zu finden, das den gemeinsamen Nutzen gewährleistet, die nachhaltige Entwicklung insgesamt stützt und die Risiken verringert“, betont Ortwin Renn. Ein nachhaltiger Bergbau könne nur mit einer Politik erreicht werden, auf deren Agenda die ökologische, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit ganz oben steht.
Ein Patentrezept für die Herausforderungen der Bergbauindustrie gebe es nicht. Gesellschaftliche Forderungen wie die nach dem Recycling immer komplexerer Produkte kommen zwar den Nachhaltigkeitszielen entgegen, gehen aber oft mit negativen Auswirkungen auf andere Umweltbereiche, auf den eingesetzten Energieverbrauch und betriebliche Kosten einher. Langfristig gesehen sind Innovationen und Reformen sowohl im Bereich des Recyclings wie bei der Planung und Betrieb von Bergwerken allerdings unerlässlich, um den Bergbau zukunftsfähig zu machen und die notwendigen Rohstoffe für die Transformationsprozesse in Richtung Nachhaltigkeit bereitzustellen.
Prof. Dr. Drs. h.c. Ortwin Renn
ortwin.renn@iass-potsdam.de
Renn, O., Gloaguen, R., Benighaus, C., Ajjabou, L., Benighaus, L., Del Rio, V., Gómez, J., Kauppi, S., Keßelring, M., Kirsch, M., Komac, M., Kotilainen, J., Kozlovskaya, E., Lyytimaki, J., McCallum, C., Mononen, T., Nevalainen, J., Peltonen, L., Ranta, J.-P., Ruiz, S., Russill, J., & Wagner, F. (2022). Metal Sourcing For a Sustainable Future. Earth science, systems and society (ES3), 2: 10049. https://doi.org/10.3389/esss.2022.10049
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Energie, Geowissenschaften, Politik, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
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