Über einen eigenartigen Briefkasten werden bald viele Menschen am Hubland stolpern. Entstanden ist der „hubbel“ in einer Doktorarbeit, in der es um neue Ideen für Bürgerpartizipation geht.
Im Lauf des August 2022 soll ein ungewöhnlicher Briefkasten namens „hubbel“ im neuen Würzburger Wohngebiet am Hubland aufgestellt werden. Und zwar so zentral, dass man – deshalb auch der Name – im übertragenen Sinn darüber stolpert.
Der hubbel wird hybrid sein: Die Bürgerinnen und Bürger können entweder analog über Postkarten oder digital per Touchscreen Informationen für andere Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils einpflegen. Dahinter steht die Idee einer digitalen Teilhabe an der Kommunalpolitik.
Der hubbel ist nur eine der Ideen, die Franzisca Maas, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Psychologische Ergonomie der Universität Würzburg, bei ihrer Doktorarbeit zusammen mit Bewohnerinnen und Bewohnern des Hubland entwickelt hat.
Das bayerische Wissenschaftsministerium fördert das Vorhaben im Forschungsverbund „For Democracy“ über fünf Jahre bis Ende 2022 mit 170.000 Euro. Dem Verbund gehören elf Forschungsgruppen an acht bayerischen Hochschulen an. Sie alle beschäftigen sich mit Fragen zur Zukunft der Demokratie – im interdisziplinären Austausch, in Kooperation mit der Praxis.
Tools für mehr Teilhabe an der Kommunalpolitik
Franzisca Maas hatte sich das Ziel gesetzt, bürgerzentriert technologiebasierte Partizipationstools für die Kommunalpolitik zu entwickeln und zu evaluieren.
Die Zukunft der Demokratie, sagt die Doktorandin, könne nicht losgelöst von der fortschreitenden Digitalisierung betrachtet werden. Diese bringe nun mal reichlich Vorteile mit sich: Mehr Menschen und vor allem auch andere Zielgruppen seien zu erreichen, die Geschwindigkeit sei eine andere, es gebe mehr Platz für Informationen.
Maas spricht von einer „Ressource, die da ist und genutzt werden sollte“ in einer Zeit zunehmender Politikverdrossenheit. „Es wird jedoch viel zu wenig zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern überlegt, was es braucht, um daran etwas zu ändern“, sagt sie – und setzte eben hier an. Die gebürtige Aalenerin war 2012 zum Studium nach Würzburg gekommen. Hier machte sie den Bachelor und Master in Psychologie sowie den Bachelor in Mensch-Computer-Systeme.
HublandTreff brachte viele Ideen hervor
Projektstart war 2018. Zunächst wurden im Projekt breit angelegte Interviews geführt. Ab 2019 konzentrierte es sich dann komplett auf den neu entstehenden Würzburger Stadtteil Hubland-Nord. Auf dem ehemaligen US-Stützpunkt-Gelände sollen bis 2024 insgesamt 4.500 Menschen in direkter Nachbarschaft zur Universität ein neues Zuhause gefunden haben.
Zusammen mit der Stadtteilbücherei und dem Sozialreferat der Stadt lud Franzisca Maas alle zwei Wochen zum HublandTreff ein, zwischen fünf und 20 Bürgerinnen und Bürger nahmen das Angebot mal mehr, mal weniger regelmäßig an. Herausfinden wollte die Psychologin etwa, was Partizipation für die Bewohnerinnen und Bewohner bedeutet und welche Probleme sie im Stadtteil beschäftigen, um dann aus dem Status quo heraus gemeinsam mit denjenigen, die letztlich das Tool nutzen werden, Designideen abzuleiten.
Manche Idee wurde wieder verworfen, etwa technische Geräte, die mit Gesichtserkennung arbeiten. „Der Vorschlag kam auf, die Bürgerinnen und Bürger kamen aber zu dem Schluss, dass das Wohngebiet nicht videoüberwacht sein sollte“, erzählt Maas.
Etwas zum „Darüberstolpern“ war gefragt
Im nächsten Schritt entstanden bis zum Pandemiebeginn im März 2020 ebenfalls beim HublandTreff erste, simple Papierprototypen – viele mit Eigenschaften, um die digitalen Anwendungen auch in der „realen Welt“ sichtbar zu machen, um die Menschen zu erreichen.
„Es muss im öffentlichen Raum etwas zum ‚Darüberstolpern‘ geben“, sagt Maas. So kam zum Beispiel die Idee zu einem Abstimmungstool auf, bei dem man sich interaktiv über eine Projektion auf einem öffentlichen Platz an Umfragen beteiligen kann.
Wozu das Ganze? Zum Beispiel, um Rückhalt in der Bevölkerung in Gesprächen des HublandTreffs mit Vertreterinnen und Vertretern der Stadt nachweisen zu können. Auch die Idee zu einem interaktiven Tisch schaffte es bis zum Papierprototypen. Flyer sind auszuteilen? Oder es braucht Freiwillige, die Grünflächen reinigen? Wer eine Aufgabe erledigt hat, meldet dies am interaktiven Tisch und erhält dafür eine Belohnung, so der Gedanke.
Wunsch nach einer gemeinschaftlichen Informationsbasis
Die Pandemie bremste dann die HublandTreffs und damit einhergehend die weitere Prototypenentwicklung aus. Einmal pro Monat fanden nun Digitalveranstaltungen statt mit fürs Hubland relevanten Referentinnen und Referenten.
Hier kristallisierte sich heraus, dass es nicht selten am Informationsfluss hapert. Als etwa die Frage um eine Kita aufkam, zeigte sich, dass es durchaus Personen gab, die entsprechende Informationen längst zusammengetragen hatten, während andere wieder bei null begannen. „Daraus entstand der Wunsch nach einer gemeinschaftlichen Informationsbasis als zentrale Voraussetzung, um sich politisch zu engagieren“, erzählt Maas.
Die Designidee für den hubbel war geboren, der gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von engagierten Anwohnenden entworfen und gebaut wurde und an einem zentralen Einsatzort getestet werden soll. „Im Moment sind wir dabei, ein entsprechendes Tool zu programmieren“, so die Doktorandin. Stehen soll der digitale Briefkasten dann im Laufe des August 2022 an einem zentralen Ort.
Wie der hubbel funktionieren wird
Neuigkeiten zum Stadtteil können dort auf einer Postkarte notiert werden. Wird die Karte in den Briefkasten „eingeworfen“, wird sie gescannt und direkt digitalisiert – ein Angebot einerseits für wenig Technikaffine; ein spielerisches Element andererseits als besonderer Anreiz. Neuigkeiten werden direkt am hubbel, über eine Website und über eine mobile Anwendung abrufbar sein.
Maas reizt zudem die Idee, selbst hier hybrid zu denken, eine bürgerschaftliche Redaktion zu entwickeln und hubbel-Neuigkeiten vielleicht vierteljährlich in gedruckter Form zu kommunizieren.
Möglicher Baustein für die öffentliche Infrastruktur
Was erst einmal nur ein zeitlich begrenztes wissenschaftliches Projekt ist, das Ende 2022 abgeschlossen sein wird, könnte sich bei städtischer Beteiligung zur öffentlichen Infrastruktur entwickeln, hofft Franzisca Maas.
Als erste Erkenntnisse hält sie fest: Für regelmäßige freiwillige bürgerschaftliche Partizipation braucht es einen festen Raum und feste Termine, zu denen die Menschen kommen können, aber nicht müssen. Es sollte keine Arbeitsatmosphäre herrschen. Und es braucht einen Ort, an dem die Akteure sehen, dass es voran geht und ihr Engagement Wirkung zeigt.
Franzisca Maas, Lehrstuhl für psychologische Ergonomie, T +49 931 31-85370, franzisca.maas@uni-wuerzburg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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