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16.05.2022 15:24

Wie arbeitet ein Fotoarchiv? Eine neue Online-Ausstellung gibt Einblicke

Dr. Rafael Ugarte Chacón Public Relations
Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut

    In ihrer neusten Online-Ausstellung „Archivpraktiken in der Photothek“ gibt die Photothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut Einblicke in die Arbeit eines Fotoarchivs. Anhand zahlreicher Foto-Objekte zeigt die Ausstellung die Arbeitsabläufe und Archivierungsprozesse in der Photothek und hebt die aktive Rolle der ArchivarInnen hervor. Dabei wird deutlich, dass Archive keine bloßen Repositorien von Dokumenten sind, sondern dynamische Orte, an denen Wissen nicht nur bewahrt, sondern kontinuierlich produziert und transformiert wird.

    Seit 125 Jahren werden in der Photothek kunsthistorische Dokumentarfotografien gesammelt, die einem internationalen Kreis an WissenschaftlerInnen für ihre Forschungen zur Verfügung stehen. Die Foto-Objekte werden bei ihrer Ankunft in der Photothek gesichtet, auf Trägerkartons montiert, mit Inventarnummern versehen, beschriftet, katalogisiert und in die Systematik des Archivs eingeordnet. Die Strukturen und Arbeitsabläufe, die in den ersten Jahrzehnten entwickelt wurden, haben bis heute ihre Gültigkeit behalten, obwohl sie immer auch an neue Bedürfnisse angepasst werden, und zwar nicht nur seit der Einführung des Digitalen. Den ArchivarInnen kommt dabei eine aktive Rolle zu: Kontinuierlich treffen sie Entscheidungen, die die Dynamik des Archivs bestimmen und die Biographie jedes einzelnen Foto-Objektes weiter formen. Denn durch die jeweiligen Archivierungspraktiken und -prozesse werden die Objekte mit neuem Wissen angereichert und ihre Biographien kontinuierlich fortgeschrieben.

    Beispiele für archivarische Techniken

    Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen verschiedene, in der Photothek etablierte Archivpraktiken, die in unterschiedlichen Momenten Anwendung finden. Dazu gehört zum Beispiel der selektive Zuschnitt von Bildern als fotografische wie auch archivarische Technik. Auf diese Weise werden nicht nur Bildausschnitte definiert, sondern auch die Neuzugänge für ihre Ablage in den Archivschachteln in Standardgröße vorbereitet. Die charakteristische Kennzeichnung vieler Fotografien oder ihrer Trägerkartons mit einem roten Punkt ist ein weiteres Beispiel archivarischer Handlungen. Der mit Kugelschreiber oder Filzstift gesetzte Punkt verweist auf die Katalogisierung des analogen Foto-Objektes in der elektronischen Datenbank der Photothek. Dadurch bildet er eine Brücke zwischen analogen und digitalen Archivpraktiken.
    Auch auf den Rückseiten der Fotografien oder ihrer Trägerkartons finden sich häufig Spuren, die nicht nur zusätzliche Informationen zu den dargestellten Werken enthalten: Vielmehr sind es weitere Puzzleteile bei der geradezu archäologischen Rekonstruktion der Biographien der einzelnen Foto-Objekte. Dazu gehören Stempel, Notizen oder auch wissenschaftliche Expertisen zu den fotografierten Kunstwerken. Nicht immer kamen diese Zusätze mit den Fotografien in die Photothek. Es gehörte auch zur archivarischen Praxis, weitere mit dem Werk oder der Fotografie in Verbindung stehende Informationen auf die Rückseiten zu übertragen. Aus diesem Grund werden bei der Digitalisierung der Foto-Objekte auch die Rückseiten berücksichtigt.

    Wertesysteme des Archivs

    In den archivarischen Routinen spiegeln sich aber auch Wertesysteme des Archivs, die Änderungen unterworfen sind. Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit fotografischen Dubletten. In den 1920er Jahren hatten die ArchivarInnen begonnen, vergilbte, schadhafte oder doppelt vorhandene Fotografien aus dem Freihandbestand auszusortieren. Sie wurden aber nicht entsorgt, sondern in sogenannte „Dublettenschachteln“ überführt, um sie gegebenenfalls anderen Fotoarchiven zum Tausch anzubieten. Seit einigen Jahren jedoch werden diese Foto-Objekte mit ihren jeweils eigenen Biographien als multiple Originale oder sogar Unikate anerkannt und in den Sonderbestand „Cimelia Photographica“ der Photothek überführt.
    Somit ist das Archiv ein nachhaltiger Ort: Jedes Dokument, und sei es ein zerschnittenes Foto oder ein Trägerkarton ohne Fotografie, wird aufbewahrt. Gemeinsam bilden sie das Ökosystem des Archivs. Den archivarischen Praktiken kommt dabei die Aufgabe zu, dieses Ökosystem im Gleichgewicht zu halten. Aus diesem Grund stehen die Archivpraktiken selten alleine. Sie sind aufeinander abgestimmt und verweisen aufeinander. Anhand zahlreicher Fotografien und Digitalisate von Objekten aus dem Bestand der Photothek erlaubt die Ausstellung auch Außenstehenden Einblicke in das Ökosystem eines Fotoarchivs.

    Archivpraktiken in der Photothek

    Eine Online-Ausstellung des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut
    Konzept und Texte: Costanza Caraffa, Ute Dercks, Almut Goldhahn
    Redaktion: Almut Goldhahn, Julia Biel
    Online ab Mai 2022 unter expo.khi.fi.it

    Weitere Informationen

    Das Kunsthistorische Institut in Florenz, 1897 gegründet, ist seit 2002 ein Institut der Max-Planck-Gesellschaft. Forschungsschwerpunkte sind Kunst- und Architekturgeschichten in transkultureller Perspektive. Ein wichtiges Anliegen ist die Verbindung von innovativer historischer Forschung und kritischer Auseinandersetzung mit aktuellen, globalen Herausforderungen (Urbanistik, Ökologie, Cultural Heritage im Anthropozän, Zukunft der Museen, Digital Humanities). Ein besonderes Engagement gilt dabei der Förderung exzellenter junger, internationaler Wissenschaftler*innen.
    Die Photothek ist eine der wichtigsten Sammlungen dokumentarischer Fotografie zur italienischen Kunst und Architektur. Als Forschungseinrichtung und Labor spielt sie eine Hauptrolle in der internationalen und transdisziplinären Debatte über die Funktion von Fotoarchiven in Forschung und Gesellschaften des 21. Jahrhunderts. Ihre täglichen Aufgaben, wie Fotokampagnen, Katalogisierung und Digitalisierung, sind untrennbar mit den wissenschaftlichen Aktivitäten verbunden. Mit ihren Projekten, Tagungen, Workshops und Publikationen trägt die Photothek zum akademischen Leben des Instituts aktiv bei.
    Die Sammlung von derzeit rund 630.000 Fotografien hat sich entlang des wissenschaftlichen Profils des Instituts entwickelt. Deren Erhalt und Erweiterung, sowie die Erforschung der historischen Strukturen und Bestände gehören zu den wesentlichen Aufgaben der Photothek. Damit hat sie sich als Zentrum der internationalen Archiv- und Fotografieforschung etabliert, in der das Foto als materielles Objekt im Fokus steht.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Rafael Ugarte Chacón
    Forschungskoordination und Öffentlichkeitsarbeit
    Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut
    Via Giuseppe Giusti 44, 50121 Florenz / Italien
    Tel. +39 055 249 11-90, Fax +39 055 249 11-55
    khi-presse@khi.fi.it
    www.khi.fi.it


    Weitere Informationen:

    http://expo.khi.fi.it Online-Ausstellung "Archivpraktiken in der Photothek"
    https://www.khi.fi.it/de/photothek/index.php Photothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut


    Bilder

    Archivpraktiken in der Photothek (Plakat)
    Archivpraktiken in der Photothek (Plakat)

    Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut

    Brief des Kunsthistorikers Wilhelm Bode an den römischen Kunsthändler Alfredo Barsanti vom 10.10.1913 mit seiner Expertise zu einer Skulptur der Heiligen Katharina. Rückseite des Objekts, dessen Vorderseite eine Fotografie der Skulptur zeigt.
    Brief des Kunsthistorikers Wilhelm Bode an den römischen Kunsthändler Alfredo Barsanti vom 10.10.191 ...

    Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften, Kunst / Design, Medien- und Kommunikationswissenschaften
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

    Archivpraktiken in der Photothek (Plakat)


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    Brief des Kunsthistorikers Wilhelm Bode an den römischen Kunsthändler Alfredo Barsanti vom 10.10.1913 mit seiner Expertise zu einer Skulptur der Heiligen Katharina. Rückseite des Objekts, dessen Vorderseite eine Fotografie der Skulptur zeigt.


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