Bei der chronischen Ernährungs- und Stoffwechselerkrankung Adipositas kommt es zu einer übermäßigen Vermehrung des Körperfetts und dessen Ansammlung im Gewebe. Wer daran erkrankt, hat zudem ein erhöhtes Risiko für Begleit- oder Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Fettleber oder Atherosklerose. Forschende des European Research Institute for the Biology of Ageing (ERIBA) in Groningen, Niederlande, und des Leibniz-Instituts für Alternsforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena, Deutschland, wiesen nun im Mausmodell erstmals nach, wie der Transkriptionsfaktor C/EBPβ selbst bei besonders fettreicher Ernährung die Fettspeicherung positiv beeinflussen und die Gesundheit erhalten kann.
Jena/Groningen. In den letzten Jahren haben Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit) in den Industrienationen stark zugenommen. So ist in Deutschland inzwischen jeder Zweite übergewichtig, etwa 20% der Bevölkerung sind adipös. Unter Adipositas versteht man ein zu hohes Körpergewicht, das durch einen übermäßig hohen Fettanteil verursacht wird; meist durch eine Fettansammlung in stark vergrößerten (hypertrophen) Fettzellen (Adipozyten) im Bauchraum. Dieses sogenannte viszerale Fett ruft Entzündungen hervor, die die Entwicklung und das Fortschreiten verschiedener Stoffwechselstörungen, einschließlich Typ-2-Diabetes, Herzerkrankungen, Schlaganfall, sowie bestimmte Krebsarten, begünstigen. Der weltweite Anstieg der Adipositas-Prävalenz stellt folglich im Gesundheitswesen ein zunehmendes Problem dar, so dass Zusammenhänge zwischen Adipositas und Gesundheitsproblemen intensiv untersucht werden.
Forschende des European Research Institute for the Biology of Ageing (ERIBA) in Groningen, Niederlande, und des Leibniz-Instituts für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena, Deutschland, konnten nun in einer aktuellen Studie in der renommierten Fachzeitschrift eLife nachweisen, dass genetisch veränderte Mäuse mit einer erhöhten Funktion des Transkriptionsfaktors C/EBPβ überschüssiges Fett so abspeichern können, dass sie selbst unter Stressbedingungen, wie z.B. einer ausgesprochen fettreichen Diät, gesund bleiben.
Ort der Fettspeicherung beeinflusst Gesundheit
Die Fettspeicherung im viszeralen Fettdepot erfolgt hauptsächlich durch die Größenzunahme einzelner Fettzellen (hypertrophe Fettspeicherung). Diese Größenzunahme ist jedoch begrenzt, so dass eine fortdauernde Fettzufuhr zur schädlichen Anhäufung von Fett im Gewebe außerhalb der Fettdepots (Steatose) führt, insbesondere in Leber und Muskeln, was eine Beeinträchtigung der Funktion dieser Gewebe zur Folge hat. „Es gibt aber eine Untergruppe von Menschen, die trotz ihrer Fettleibigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg keine erkennbaren gesundheitlichen Probleme aufweisen“, berichtet Prof. Cornelis Calkhoven, früherer Forschungsgruppenleiter am FLI und nun am ERIBA tätig.
Bisherige Studien konnten nachweisen, dass zu diesem gesunden fettleibigen Phänotyp vor allem zwei Dinge beitragen: Zum einen begünstigt Fett, das nicht im Bauchraum, sondern als subkutanes Fett unter der Haut der Arme, der Oberschenkel und des Rückens gespeichert ist, die Gesundheit. Zum anderen trägt Fett, das im sogenannten hyperplastischen Fettgewebe gespeichert wird, ebenfalls zur Gesundheit bei. Dieses wird durch eine Zunahme der Anzahl der Fettzellen gebildet (hyperplastische Fettspeicherung). Da so mehr Zellen für die Fettspeicherung zur Verfügung stehen, bleiben diese kleiner und sind dadurch metabolisch gesünder und weniger entzündet. „Unser Wissen über die genetischen Faktoren, die die erwähnten günstigen Bedingungen der Fettspeicherung regulieren, ist jedoch noch sehr begrenzt und erfordert detailliertere Studien“, ergänzt Prof. Calkhoven.
Erhöhte Funktion des Transkriptionsfaktors C/EBPβ steuert Fetteinlagerung
Werden Mäuse im Labor mit einer fettreichen Diät gefüttert, dann nehmen sie binnen kurzer Zeit an Gewicht zu, werden fettleibig und entwickeln ähnliche Stoffwechselprobleme wie fettleibige Menschen, darunter Entzündungen im Fettgewebe, Fettansammlungen in normalerweise fettfreien Geweben wie Leber und Muskeln, sowie einen Typ-2-Diabetes.
„In unserer aktuellen Studie konnten wir zeigen, dass genetisch veränderte Mäuse mit einer erhöhten Funktion des Transkriptionsfaktors C/EBPβ einerseits überschüssiges Fett vorrangig im hyperplastischen Fettgewebe mit mehr und kleineren Fettzellen abspeichern“, berichtet Dr. Christine Müller vom ERIBA. Selbst bei extrem fettreicher Diät weisen diese C/EBPβ-Superfunktionsmäuse ein weniger entzündetes Fettgewebe auf, sammeln kein Fett in der Leber oder im Herzen an und bewahren einen gesunden Glukosestoffwechsel. Andererseits stimuliert die C/EBPβ-Superfunktion bei männlichen Tieren zudem die günstige Einlagerung von Fett in Depots unter der Haut. „Beides Faktoren, die beim Menschen zu einem gesunden fettleibigen Phänotyp beitragen,“ so Dr. Müller.
In zwei früher erschienenen Studien konnten die Forschenden aus Jena und Groningen bereits nachweisen, dass dieselben C/EBPβ-Superfunktionsmäuse bei normaler Ernährung einen allgemein verbesserten Stoffwechsel haben, der im Vergleich zu ihren Wurfgeschwistern des Wildtyps auch mit weniger Krebs und einer ausgeprägten Verzögerung verschiedener alternsbedingter Erkrankungen einhergeht.
Ist die Speicherung von überschüssigem Fett bald steuerbar?
„Unsere Studien belegen eindrucksvoll, dass die C/EBPβ-Superfunktion die Physiologie der Mäuse auf einen gesünderen Stoffwechsel hin zuschneidet, und das selbst unter ungesunden Nährstoffbedingungen, wie beim Stress durch eine fettreiche Diät“, fasst Prof. Calkhoven die Ergebnisse zusammen. „Die aktuelle Studie identifiziert den Transkriptionsfaktor C/EBPβ als einen Schlüsselregulator der gesunden Fettspeicherung, wirft aber auch gleichzeitig die Frage auf, ob die pharmakologische Induktion der C/EBPβ-Superfunktion möglicherweise genutzt werden kann, um die Speicherung von überschüssigem Fett vom schädlichen hypertrophen Modus in den vorteilhafteren hyperplastischen Modus umzuleiten. Das hätte immense Auswirkungen auf die metabolische Gesundheit und das Altern“.
Erste Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass eine solche pharmakologische C/EBPβ-Target-Strategie prinzipiell durchführbar ist. Die Entwicklung derartiger Medikamente hätte damit enorme Auswirkungen auf die Behandlung von Fettleibigkeit und mit ihr verbundener Stoffwechselkrankheiten.
Publikationen
Enhanced C/EBPβ function promotes hyperplastic versus hypertrophic fat tissue growth and prevents steatosis in response to high-fat diet feeding. Müller C, Zidek LM, Eichwald S, Kortman G, Koster MH, Calkhoven CF. eLife 2022, 11, e62625. DOI: 10.7554/eLife.62625.
Reduced expression of C/EBPβ-LIP extends health- and lifespan in mice. Müller C, Zidek LM, Ackermann T, de Jong T, Liu P, Kliche V, Zaini MA, Kortman G, Harkema L, Verbeek DS, Tuckermann JP, von Maltzahn J, de Bruin A, Guryev V, Wang ZQ, Calkhoven CF. eLife 2018, 7, e34985. DOI: 10.7554/eLife.34985.
A screening strategy for the discovery of drugs that reduce C/EBPβ-LIP translation with potential calorie restriction mimetic properties. Zaini MA, Müller C, Ackermann T, Reinshagen J, Kortman G, Pless O, Calkhoven CF. Scientific Rep. 2017, 7, 42603. DOI: 10.1038/srep42603.
Kontakt
Dr. Kerstin Wagner
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 03641-656378, E-Mail: presse@leibniz-fli.de
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Hintergrundinformation
Das Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena widmet sich seit 2004 der biomedizinischen Alternsforschung. Rund 350 Mitarbeiter aus ca. 40 Nationen forschen zu molekularen Mechanismen von Alternsprozessen und alternsbedingten Krankheiten. Näheres unter http://www.leibniz-fli.de.
Das niederländische European Research Institute for the Biology of Ageing (ERIBA) ist 2013 vom University Medical Center Groningen (UMCG) in Zusammenarbeit mit der Universität von Groningen gegründet worden. Das international orientierte ERIBA widmet sich der Grundlagenforschung im Bereich der molekularbiologischen Mechanismen des Alternsprozesses und alternsbedingter Krankheiten. Näheres unter http://eriba.umcg.nl
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 97 eigenständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Die Leibniz-Institute unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das Finanzvolumen liegt bei 2 Milliarden Euro. (http://www.leibniz-gemeinschaft.de).
Enhanced C/EBPβ function promotes hyperplastic versus hypertrophic fat tissue growth and prevents steatosis in response to high-fat diet feeding. Müller C, Zidek LM, Eichwald S, Kortman G, Koster MH, Calkhoven CF. eLife 2022, 11, e62625. DOI: 10.7554/eLife.62625.
Mäuse mit C/EBPβ-Superfunktion (b) speichern überschüssiges Fett im hyperplastischen Fettgewebe. Bei ...
(Quelle: FLI / Kerstin Wagner; created with BioRender.com)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Mäuse mit C/EBPβ-Superfunktion (b) speichern überschüssiges Fett im hyperplastischen Fettgewebe. Bei ...
(Quelle: FLI / Kerstin Wagner; created with BioRender.com)
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