Ob Computerspiele oder Sex – mit Sucht kennt er sich aus: Prof. Dr. Matthias Brand von der Universität Duisburg-Essen (UDE) erforscht seit Jahren, was in den Köpfen von Süchtigen vor sich geht und wie sich ihr Verhalten ändern lässt. In der aktuellen Ausgabe von Science analysiert der Psychologieprofessor nun die Ähnlichkeit zwischen problematischem Internetgebrauch und anderen Süchten.
Beim tage- und nächtelangen Gaming vergisst so manche:r das Essen und Trinken und nimmt kaum noch Kontakt zu seiner Außenwelt auf. „Die problematische Nutzung des Internets bietet Vergnügen und hilft dabei, Stress und negative Stimmungen abzubauen. Hier lassen sich Parallelen zu anderen Suchtmitteln ziehen: Auch sie wirken sich auf das Belohnungssystem des Gehirns aus“, so Brand.
Weltweit leiden bis zu 3 % der Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter Computerspielsucht, rund 7 % der Allgemeinbevölkerung wendet sich immer wieder suchtartig verschiedenen Internetapplikationen zu. „Weil wir Menschen insgesamt immer häufiger online sind, ist es wichtig, nachzuvollziehen, wann eine bereichernde Nutzung zu einer problematischen wird.“, erklärt Brand in seinem Beitrag.
Welches sind die Resilienz- und die Risiko-Faktoren? Oder anders gefragt: Warum werden manche süchtig, während es anderen gelingt, ihre Internetnutzung gut zu kontrollieren, so dass sie funktional in den Alltag integriert ist und nicht zu negativen Konsequenzen führt? Brand beschreibt zwei Antriebswege zu süchtigem Online-Verhalten: „Der Wohlfühl-Pfad“ umfasst sowohl positive Verstärkungserfahrungen (Vergnügen, Belohnung) als auch negative (Abbau von Stress und negativer Stimmung). Der „Muss-Pfad“ umfasst Gewohnheiten, also z.B. automatische Reaktionen auf Reize, und insbesondere zwanghaftes Verhalten, obwohl man sich der negativen Konsequenzen bewusst ist.
Die Selbstkontrolle sei der wichtige Gegenpart zu den zwei Antriebswegen, so Brand, der argumentiert, dass es vermutlich ein Ungleichgewicht dieser Hirnsysteme bei Online-Süchtigen gibt. Was genau ein solches Ungleichgewicht verursacht, sei noch nicht klar. Genetische Faktoren könnten ebenso eine Rolle spielen wie familiäre.
Auch wenn bereits viel in der Forschung zu Online-Süchten erreicht wurde, sind noch viele Fragen offen. So sei noch nicht geklärt, ob eine verminderte Selbstkontrolle Ursache oder Folge des süchtigen Verhaltens sei, oder beides. „Die Mechanismen hinter Online-Süchten und welche Rolle spezifische Features von Internetapplikationen spielen, müssen wir besser verstehen, um Prävention und Therapie weiterzuentwickeln“, so Brand.
Redaktion: Cathrin Becker, Tel. 0203/37 9-1488, cathrin.becker@uni-due.de
Prof. Dr. Matthias Brand, Kognitionspsychologie, Tel. 0203/37 9-2541, matthias.brand@uni-due.de
https://www.science.org/doi/10.1126/science.abn4189
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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