Forschende der ETH Zürich und des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS haben mehrere Asteroiden genau untersucht und deren Frühgeschichte präziser rekonstruiert als je zuvor. Die Ergebnisse deuten auf chaotische Zustände im frühen Sonnensystem – und auf heftige Kollisionen zwischen Asteroiden.
Bevor sich die Erde und die anderen Planeten gebildet hatten, war die junge Sonne von kosmischem Gas und Staub umgeben. Aus dem Staub bildeten sich über die Jahrtausende Gesteinsbrocken von unterschiedlicher Grösse. Viele wurden zu Bausteinen für die späteren Planeten. Doch manche dieser Brocken wurden nie Teil eines Planeten und umkreisen die Sonne noch heute, etwa als Teil des Asteroidengürtels.
Forschende der ETH Zürich und des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS analysierten nun in Zusammenarbeit mit weiteren Universitäten Eisenproben aus Kernen von Asteroiden, die als Meteoriten auf die Erde gefallen sind.
Mit diesen Analysen enthüllten die Forschenden einen Teil der Frühgeschichte unseres Sonnensystems, als sich die Planeten formierten. Die Ergebnisse wurden soeben in der Fachzeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht.
Zeugen des frühen Sonnensystems
«Frühere wissenschaftliche Studien zeigten, dass Asteroiden im Sonnensystem seit ihrer Entstehung vor Milliarden von Jahren fast unverändert geblieben sind», erklärt Alison Hunt, Hauptautorin der Studie und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ETH Zürich. «Sie sind daher eine Art Archiv, in dem die Bedingungen des frühen Sonnensystems erhalten sind.»
Doch um dieses Archiv zu entschlüsseln, mussten die Forschenden das ausserirdische Material gründlich aufbereiten und analysieren. Das Team entnahm Proben von 18 verschiedenen Eisenmeteoriten, die einst Teil des metallischen Kerns von Asteroiden waren. Für ihre Analyse isolierten sie aus den Proben die Elemente Palladium, Silber und Platin. Mithilfe eines Massenspektrometers untersuchten sie danach, wie häufig verschiedene Isotope dieser Elemente in den Proben vorkommen.
In den ersten Millionen von Jahren unseres Sonnensystems heizten sich die metallischen Asteroidkerne durch den radioaktiven Zerfall von Isotopen auf. Während der nachfolgenden Abkühlung reicherte sich darin ein spezifisches Silber-Isotop an, das ebenfalls durch den radioaktiven Zerfall entstanden ist. Indem die Forschenden die gegenwärtigen Silber-Isotopen-Verhältnisse in den Eisenmeteoriten massen, konnten sie bestimmen, wann und wie schnell sich die Asteroidenkerne abgekühlt hatten.
Asteroiden kühlten rasch ab
Die Ergebnisse zeigen, dass die Abkühlung rasch erfolgte und wahrscheinlich durch heftige Kollisionen zwischen den Himmelskörpern verursacht wurde. Durch die Kollisionen brach der isolierende äussere Gesteinsmantel der Asteroiden ab, so dass die Metallkerne der Kälte des Weltraums ausgesetzt wurden. Dass es zu einer schnellen Abkühlung kam, wurde bereits durch frühere Studien angedeutet, die ebenfalls auf Silber-Isotopen-Messungen beruhten. Allerdings blieb der Zeitpunkt der Kollisionen unklar.
«Unsere zusätzlichen Messungen von Platin-Isotopen erlaubten uns, die Messungen der Silber-Isotope zu korrigieren, da diese durch die kosmische Strahlung verzerrt wurden. Dadurch konnten wir den Zeitpunkt der Zusammenstösse genauer als je zuvor datieren», sagt Hunt. «Zu unserer Überraschung wurden alle von uns untersuchten Asteroidenkerne fast gleichzeitig der Kälte des Weltalls ausgesetzt, das heisst innerhalb eines Zeitraums von 7,8 bis 11,7 Millionen Jahren nach der Entstehung des Sonnensystems.»
Die nahezu gleichzeitigen Zusammenstösse der verschiedenen Asteroiden deuten darauf hin, dass es sich bei dieser Zeitperiode um eine sehr unruhige Phase des Sonnensystems gehandelt haben muss. «Alles scheint damals zusammengeprallt zu sein», sagt Hunt. «Und wir wollten wissen, warum.»
Vom Labor zum solaren Nebel
Um die Frage zu beantworten, kombinierte das Team die Messergebnisse mit neuen, ausgeklügelten Computersimulationen zur Entwicklung des Sonnensystems.
«Die unruhige Frühphase des Sonnensystems wurde vermutlich durch die Auflösung des so genannten solaren Nebels verursacht», sagt Maria Schönbächler, Mitautorin der Studie und Professorin für Kosmochemie an der ETH Zürich. «Dieser Sonnennebel ist der Überrest an Gas der kosmischen Wolke, aus der die Sonne entstanden ist. Während weniger Millionen Jahre umkreiste er die junge Sonne, bis er von Sonnenwind und -strahlung weggeblasen wurde.»
Solange der Nebel vorhanden war, bremste er die Objekte, die um die Sonne kreisten, ähnlich wie der Luftwiderstand ein fahrendes Auto abbremst. Nachdem der Nebel verschwunden war, so vermuten die Forschenden, führte der fehlende Widerstand des Nebels dazu, dass sich die Asteroiden beschleunigten und miteinander kollidieren konnten.
«Unsere Studie macht deutlich, wie wir dank verbesserter Labormessverfahren wichtige Prozesse im frühen Sonnensystem rekonstruieren können. Sie geben uns zum Beispiel Hinweise, wann der Sonnennebel verschwunden war. Planeten wie die Erde befanden sich zu dieser Zeit noch im Entstehungsprozess. Letztlich können wir so besser verstehen, wie unsere eigenen Planeten entstanden sind, aber auch Einblicke in andere Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems gewinnen», so Schönbächler.
Dr. Alison Hunt
Inst. für Geochemie und Petrologie, ETH Zürich
+41 44 632 46 43
alison.hunt@erdw.ethz.ch
https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2022/05/die-chaotische...
https://www.nature.com/articles/s41550-022-01675-2
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geowissenschaften, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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