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03.05.2004 15:28

Universitätsrat zum Gesetzesentwurf: So wird das Universitätsgesetz seinem Anspruch nicht gerecht

Saar - Uni - Presseteam Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes

    Zu Nachbesserungen des Entwurfs eines neuen Universitätsgesetzes in entscheidenden Punkten mahnte der Universitätsrat die Landesregierung und bekundete gleichzeitig seine Bereitschaft, bei einer wohlerwogenen Überarbeitung mitzuwirken. In seiner vorliegenden Fassung verfehle der Entwurf den eigenen Anspruch, klarere Organisationsstrukturen mit schärfer von einander abgegrenzten Entscheidungsorganen zu schaffen, monierte der Universitätsrat. Besonders befremdet zeigte man sich im höchsten Beratungsgremium der Universität, das am 26. April unter Vorsitz von Professor Ulrich Gäbler den Gesetzesentwurf behandelte, angesichts der widersprüchlichen Rollenzuweisungen, wie sie den Dekanen zugedacht sind: In einem neuen Gremium, dem so genannten Erweiterten Universitätspräsidium, sollen die Repräsentanten der Fakultäten die strategische Planung der Universität mitentscheiden, während sie gleichzeitig wie gewohnt zentral die Entwicklungsplanung ihrer Fakultäten zu verantworten haben. Hierzu gibt der Universitätsrat zu bedenken: "Zum Wesen der strategischen Planung gehört das Setzen von Prioritäten und Posterioritäten. Es widerspricht allen betriebswirtschaftlichen Erfahrungen innerhalb wie außerhalb der Universität, von den unmittelbar Betroffenen solch weitreichende Entscheide zu erwarten". Vollends in sich bedenklich droht eine Ämterkumulation auf Seiten der Dekane zu werden, wenn sie zusätzlich als Mitglieder des Senats und des Universitätsrats, was prinzipiell möglich ist, auch noch eine beratende Rolle einnehmen, während dagegen das (nicht erweiterte) Präsidium im Rahmen der Ziel- und Leistungsvereinbarung für die Erfüllung der Leistungen der Universität wieder alleine verantwortlich ist.

    Die vollständige Stellungnahme des Universitätsrates zum Entwurf des Universitätsgesetzes, die sich wesentlich auch am "ungekannt hohen Detaillierungsgrad" der gesetzlichen Regelungen stößt, findet sich anbei.

    Universitätsrat der Universität des Saarlandes - Sitzung vom 26. April 2004
    Stellungnahme des Universitätsrates zum Entwurf des Universi-tätsgesetzes

    Der Universitätsrat begrüßt die Absicht der Regierung, das Universitätsgesetz den sich wandelnden regionalen, nationalen und internationalen Rahmenbedingungen anzupassen, um die Qualitätssicherung an der Universität des Saarlandes zu befördern und die Innovationsfähigkeit der Universität zu stärken. Der Universitätsrat schließt sich namentlich der Absicht der Regierung an, so die Wettbewerbsfähigkeit der Universität des Saarlandes zu erhöhen. Dankbar anerkennt er, dass die zugesicherte, mehrjährige Mittelzuweisung einen entscheidenden Beitrag zur unerlässlichen längerfristigen strategischen Planung der Universität liefert.

    Allgemeines
    Der Gesetzentwurf soll diese Ziele mit drei Änderungen der geltenden Rechtslage erreichen (vgl. Landtagsdrucksache, s. 79). Dabei geht es um
    1. "ein neu austariertes Verhältnis zwischen Entscheidungskompetenzen des Landes und der Hochschule", um
    2. die "Neuordnung der hochschulinternen Organisations- und Entscheidungsstruktur", wobei das Verhältnis zwischen den Entscheidungsorganen "trennschärfer" ausgestaltet werden soll, und um
    3. die Umstellung der Hochschulfinanzierung auf staatliche Globalzuweisung mit Ziel- und Leistungsvereinbarungen.
    Der Universitätsrat stimmt dem ersten wie dem dritten Punkt zu und misst auch trennscharf ausgestalteten, effizienten hochschulinternen Organisations- und Entscheidungsstrukturen zentrale Bedeutung zu, kann freilich bei diesem zweiten Punkt keinen dringenden Handlungsbedarf ausmachen. Insgesamt schließlich ist das skizzierte Modell auch nach Auffassung des Universitätsrates eine wichtige Basis für eine Universität, die im Wettbewerb mit anderen Hochschulen bestehen will.
    Der Universitätsrat muss allerdings feststellen, dass der vorliegende Gesetzentwurf die genannten Ziele nicht erreicht. Aus zweierlei Gründen bleibt der Entwurf hinter den selbst gesteckten Zielen zurück.
    Zum Ersten weist das Gesetz einen ungekannt hohen Detaillierungsgrad auf, der die Innovationsmöglichkeiten der Universität einschränkt statt sie zu fördern. Insbesondere in den Kapiteln 4-7 (§§ 31-75), welche die eigentlichen akademischen Aufgaben der Universität betreffen, werden gesetzliche Regelungen getroffen, die in vergleichbaren Universitätsgesetzen in die Kompetenz universitärer Gremien fallen.
    Zum Zweiten lässt der Entwurf bei zentralen Fragen von inneruniversitärer Verantwortung, Entscheidungswegen und Strukturen die nötige Klarheit und Trennschärfe vermissen.
    Aus diesen Gründen empfiehlt der Universitätsrat eine wohlerwogene Überarbeitung und erklärt seine Bereitschaft, bei dieser Überarbeitung mitzuwirken.

    Einzelnes
    Im Hinblick auf die drei Punkte konkretisiert der Universitätsrat seine Haltung anhand ausgewählter Beispiele:
    Ad 1.: Es ist nicht einsichtig, warum das Land trotz des Bekenntnisses zur universitären Autonomie sich weiterhin operative und strategische Kompetenzen selbst bei akademischen Angelegenheiten vorbehält. Einige wenige Beispiele:
    Das Land regelt Urlaub für wissenschaftliche Tätigkeiten (§ 41, Abs. 3, Satz 3), es kann einzelne Universitätsmitglieder in unbegrenztem Ausmaß zur Gutachtertätigkeit verpflichten (§ 31, Abs. 1) und es entscheidet über den Zugang zum Studium im Falle ausländischer Vorbildung (§ 70). Detaillierte Regelungen zu den Vizepräsidenten beschneiden überflüssigerweise die Rechte der Universitätspräsidentin bzw. des Universitätspräsidenten(§ 15, Abs. 3 u. 4). Indem das Gesetz die Universität dazu zwingt, Evaluationsergebnisse bei der Mittelvergabe zu berücksichtigen, greift es auf alte Methoden der Input-Steuerung zurück und macht den bisher praktizierten, bewährten Einsatz der Evaluation als Organisationsentwicklungsmaßnahme für die Qualitätssicherung unmöglich (§15 Abs. 5 Nr. 4, § 19 Abs. 1 Nr. 12, § 20 Abs. 1 Nr. 5). Schließlich kann das Land jederzeit Aufforderungen an die Universität ergehen lassen (§ 76). Derlei Aufgaben gehören entweder in den alleinigen Kompetenzbereich der Universität oder sind im Rahmen der Ziel- und Leistungsvereinbarungen festzulegen. Ohne dem Land eine extensive Nutzung solcher Kompetenzen unterstellen zu wollen, könnten viele Bestimmungen dazu führen, dass die Universität durch das Eingreifen des Landes an der Erfüllung ihrer aus der Ziel- und Leistungsvereinbarungen erfließenden Verpflichtungen gehindert wird. Die Art und Weise, wie der Gesetzentwurf eine bewährte Methode der Qualitätssicherung untergräbt, kann Bedenken bezüglich anderer Paragraphen nicht aus dem Weg räumen. Mit anderen Worten: Die Lenkung mittels Ziel- und Leistungsvereinbarungen verlangt einen weiter gehenden Rückzug des Landes aus operativer Einflussnahme, Aufsicht und Kontrolle. Die verbleibenden Lenkungsinstrumente sollten sich zudem eher an einer modernen Outputsteuerung als an der klassischen Inputsteuerung orientieren, ungeachtete des parlamentarischen Rechts zur Kontrolle der Verwendung von Steuergeldern.
    In seltsamem Kontrast zur skizzierten Regelungsfülle steht die Zurückhaltung des Gesetzgebers auf Gebieten, die der gesetzlichen Regelung tatsächlich bedürfen. Da die Universität eine Gruppenuniversität bleibt, sollte der Gesetzgeber die Vertretung der Gruppen in den wichtigsten Gremien eindeutig regeln und offene Formulierungen durch konkrete Bestimmungen ersetzen (§ 19 Abs. 5 Nr. 2, § 20 Abs. 2 Satz 5, § 23 Abs. 2 Nr. 2).

    Ad 2.: Das heute geltende Universitätsgesetz weist den für die Führung der Universität zuständigen Organen - dem Ministerium, dem Senat, dem Universitätsrat, dem Präsidium, den Dekanen und den Fakultätsräten - klar umrissene Pflichten und Kompetenzen zu. Bei den schwerwiegenden Entscheidungen der vergangenen Jahre wie der Einführung des Globalhaushaltes, dem Universitätsentwicklungsplan und der Schwerpunktbildung sowie den Sparmaßnahmen hat sich diese Struktur bewährt. Es ist nicht einzusehen, warum sich an dieser Stelle fundamentale Änderungen aufdrängen. Die Begründung des Gesetzentwurfes schweigt sich über die Notwendigkeit von Änderungen leider aus und verzichtet bedauerlicherweise ebenso darauf, präzis die angeblichen Mängel und Schwachstellen der heutigen Ordnung zu bezeichnen.
    Insbesondere drei Änderungen hält der Universitätsrat für unzweckmäßig, weil weder die angestrebte Trennschärfe erreicht noch eine präzise Aufgabenfestlegung garantiert wird:
    - Die Bestimmungen über die Mitgliedschaften in den Leitungsorganen erlauben es, dass dieselbe Person in derselben Materie sowohl von der Entscheidung betroffen, wie Entscheidungsträger wie zuständige Aufsichtsperson ist. Beispielsweise ist ein Dekan Mitglied des Dekanats (Entscheidung über Struktur und Entwicklung der Fakultät, § 22 Abs. 1 Satz 7 Nr. 5) und zugleich Mitglied des Erweiterten Universitätspräsidiums (zuständig für strategische Planung, § 15 Abs. 10 Nr. 1), zugleich kann er auch Mitglied des Senats sein (Stellungnahme zur strategischen Planung des Erweiterten Präsidiums, § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3) und ferner noch des Universitätsrates (Zustimmung zur strategischen Planung, § 20 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4). Solche durchaus denkbaren Ämterkumulationen erschweren transparente Prozesse bei Entscheidungsfindung und Implementation. Sie widersprechen direkt den erklärten Zielen des Entwurfs.
    - Einem Erweiterten Universitätspräsidium wird die Aufgabe der strategischen Planung zugewiesen (§ 15 Abs. 10, Nr. 1). Zum Wesen der strategischen Planung gehört das Setzen von Prioritäten und Posterioritäten. Es widerspricht allen betriebswirtschaftlichen Erfahrungen innerhalb wie außerhalb der Universität, von den unmittelbar Betroffenen solche weit reichenden Entscheide zu erwarten. Blockaden und sachfremde Junktims sind die unvermeidliche Folge. Deshalb kann ein Erweitertes Universitätspräsidium nicht über strategische Fragen entscheiden. Trotzdem könnte ein Erweitertes Universitätspräsidium durchaus die Kommunikation des Präsidiums mit den Fakultäten fördern; dafür müsste es allerdings konsequent als Konsultativorgan konzipiert werden. Die strategische Planung muss wie bisher zu den Kompetenzen des Präsidiums, des Senats und des Universitätsrates gehören.
    - Der Senat ist eine unverzichtbare Einrichtung der Universität, allerdings hat er im vorliegenden Entwurf kein eindeutiges Profil. Neben Aufgaben von akademischer Bedeutung beschäftigt er sich mit Ressourcenzuweisung und Wirtschaftsentwicklung. Seine Kompetenzen (und Zusammensetzung!) sind nicht scharf genug von Universitätsrat und Universitätspräsidium unterschieden. Konsequent wäre allein eine Zuweisung gesamtuniversitärer Geschäfte von strategischer, akademischer Bedeutung. Der Senat könnte demnach beispielsweise zuständig sein für den Inhalt von Studiengängen, für die Schwerpunktplanung und für Regelungen für das wissenschaftliche Personal. Der Entwurf vermengt strategische und operative Aufgaben ebenso wie solche akademischer oder ressourcenrelevanter Art. Zweifelsohne lässt sich eine vollständige Trennung nicht durchführen, doch größere Klarheit ist gleichermaßen möglich wie nötig.

    Ad 3.: Die Bestimmungen zum Komplex Ziel- und Leistungsvereinbarungen finden grundsätzlich die Zustimmung des Universitätsrates. Allerdings räumt der Gesetzentwurf dem Land auch an diesem Punkt zu weit gehende Kompetenzen ein, insbesondere das Recht zur einseitigen Festlegung der Ziele und Leistungen der Ziel- und Leistungsvereinbarungen (§7 Abs. 3). Eine Ungereimtheit fällt zudem auf. Das Präsidium ist im Rahmen der Ziel- und Leistungsvereinbarungen für die Erfüllung der Leistungen der Universität verantwortlich (§7, Abs. 4). Doch zugleich schreibt der Gesetzentwurf dem Erweiterten Universitätspräsidium weit gehende Befugnisse zu.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    regional
    Studium und Lehre, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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