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10.06.2022 16:44

Funktionelle MRT für Maus und Mensch: Direktere Translation von Lernvorgängen

Torsten Lauer Referat Kommunikation und Medien
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit

    Forschenden aus Mainz und Mannheim ist es gelungen, ein Netzwerk im Gehirn von Mäusen zu identifizieren, das beim Lernen von Erwartungen eine wichtige Rolle spielt und einem entsprechenden Netzwerk im menschlichen Gehirn erstaunlich ähnelt. Erstmals wurde dabei die Technik der funktionellen Magnetresonanztomographie für Mausmodelle in einem hierarchischen Ansatz etabliert. Dabei werden zunächst die für das Verhalten zuständigen, weitverzweigten Hirnnetzwerke identifiziert und im nächsten Schritt dann die zugrundeliegenden zellulären Mechanismen entschlüsselt.

    Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) ist beim Menschen ein Standardverfahren, um Hirnnetzwerke ohne direkten Eingriff in den Körper zu untersuchen. Sie kann aktive Bereiche des menschlichen Gehirns identifizieren, je nachdem, was der Patient oder die Patientin bei der Untersuchung macht. Die fMRT kann unter anderem helfen, neurologische und psychiatrische Fragestellungen zu beantworten. Dazu gehört etwa die Rolle bestimmter Netzwerke im Gehirn, die für das Verhalten und Lernen beim Menschen wichtig sind.
    Doch aus ethischen Gründen können zelluläre und molekulare Mechanismen bei vielen psychiatrischen Fragestellungen nur im Tier untersucht werden. Für Depression, Psychosen und Suchterkrankungen ist beispielsweise das Lernen von Erwartungen und deren Korrektur durch die Realität ein zentraler Mechanismus, der über fMRT sichtbar gemacht werden kann. Doch für das wichtigste Tiermodell – die Maus – war dieses Verfahren während des Lernens bislang nicht verfügbar. Hierbei ist es wichtig, auf ein Tiermodell zurückgreifen zu können, das einen gesicherten Wissenstransfer ermöglicht. Tiermodelle psychiatrischer Erkrankungen erzielen einen Mehrwert, wenn sie zwischen Mensch und Tier konservierte Mechanismen aufklären können. Genau dies ist Forscherinnen und Forschern des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim und der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz nun gelungen.

    Konservierte Netzwerke kodieren gelernte Belohnungserwartungen und Fehlersignale

    Die Forscherinnen und Forscher in Mannheim und Mainz konnten zeigen, dass Lernen von Erwartungen und deren Vorhersagefehler bei Mäusen in einem verzweigten funktionellen Netzwerk geschieht, das dem von Menschen im MRT erstaunlich ähnelt. Das Forscherteam, das seine Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht hat, konnte im MRT ein bestimmtes Netzwerk in der Maus identifizieren, in dem Erwartungen, die durch Umweltreize ausgelöst werden, durch kürzlich gemachte Erfahrungen aktualisiert werden. In diesem Netzwerk zeigten die Forschenden erstmals, dass in einem Hirngebiet zwei zelluläre Erwartungssignale parallel existieren. Eines kodiert langfristig erlernte Erwartung, die robust gegen kurzfristige Fluktuationen ist. Das andere Signal reguliert kurzfristige Erwartungsanpassung, je nachdem was zuletzt geschah.

    Verknüpfung von Hirnfunktionen zwischen Mensch und Tier für eine bessere Translation in der psychiatrischen Forschung

    Dieser neue Ansatz erlaubt die systematische Untersuchung neuronaler Mechanismen, die Verhalten generieren: von der Verhaltensmodellierung über funktionelle MRT, die funktional relevante Hirnareale identifiziert, bis zu der Aktivität einzelner Nervenzellverbände. Dies stellt eine breit einsetzbare Methode für die translationale, psychiatrische Forschung sowie die Grundlagenforschung dar. „Verhaltens-MRT ermöglicht dabei einerseits festzustellen, ob konservierte Netzwerkmechanismen zwischen dem Menschen und dem Tiermodell bestehen, und andererseits aus der Vielzahl möglicher Hirnregionen, die relevanten herauszufiltern, und deren Schlüsselmechanismen zu untersuchen“, sagt der Leiter des Teams Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Kelsch, Arbeitsgruppenleiter und Geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz sowie Arbeitsgruppenleiter am ZI in Mannheim. Diese konservierten Mechanismen zwischen Mensch und Tier sollen helfen, die Ursachen schwerer psychiatrischer Erkrankungen zu entschlüsseln und neue Therapieansätze zu entwickeln.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Pressekontakt Universitätsmedizin Mainz:
    Veronika Wagner, M.A., Unternehmenskommunikation, Telefon 06131 17-8391,
    E-Mail: pr@unimedizin-mainz.de
    Pressekontakt Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
    Torsten Lauer, Telefon 0621 1703-1312
    E-Mail: presse@zi-mannheim.de


    Originalpublikation:

    Winkelmeier L, Filosa C, Hartig R, Scheller M, Sack M, Reinwald JR, Becker R, Wolf D, Gerchen MF, Sartorius A, Meyer-Lindenberg A, Weber-Fahr W, Clemm C, Russo E, Kelsch W (2022) Striatal hub of dynamic and stabilized prediction coding in forebrain networks for olfactory reinforcement learning. Nature Communications https://doi.org/10.1038/s41467-022-30978-1


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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