idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
13.06.2022 13:00

Faktor für Erbkrankheit des Gehirns unter Verdacht

Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Ähnlich wie Alzheimer führt die Erbkrankheit Spinozerebelläre Ataxie Typ 17 (SCA17) zum Untergang von Gehirnnervenzellen und zum vorzeitigen Tod der Betroffenen. Die genauen Mechanismen der Erkrankung sind unbekannt, daher gibt es bislang keine Behandlungsansätze. Forschende der Humangenetik der Ruhr-Universität Bochum (RUB) um Dr. Jonasz Weber haben nun eine Klasse von proteinspaltenden Enzymen, sogenannten Calpainen, unter Verdacht, zu der Erkrankung beizutragen. Im Modell gelang es durch Ausschaltung der Calpaine, den Verlauf aufzuhalten. Die Forschenden berichten in der Zeitschrift Cellular and Molecular Life Sciences vom 28. April 2022.

    Veränderter Bauplan eines Proteins

    Die Spinozerebelläre Ataxie Typ 17 (SCA17) ist eine seltene, erblich bedingte Erkrankung des menschlichen Gehirns. Durch die krankhafte Veränderung eines Gens, das den Bauplan für ein Protein namens TATA-Box-Binde-Protein (TBP) enthält, wird das Protein in Zellen in einer schadhaften Form gebildet. Dadurch ist auch seine Funktion beeinträchtigt. „Eine Folge davon ist, dass das Protein nachweisbare Eiweißablagerungen im Gehirn bildet und über bislang noch nicht vollständig aufgeklärte molekulare Mechanismen die Nervenzellen schädigt“, erklärt Jonasz Weber.

    Als Konsequenz entwickeln von der Krankheit Betroffene ab dem mittleren Lebensalter Symptome wie Bewegungsstörungen, Krampfanfälle, die Beeinträchtigung geistiger Leistungen sowie Wesens- und Verhaltensveränderungen, welche mit einem Abbau von Geweben wie dem Kleinhirn und Hirnstamm einhergehen.

    Eiweißbruchstücke lagern sich ab

    Die molekularen Mechanismen, die die Krankheit verursachen, sind noch nicht vollständig geklärt. Ein möglicher Mechanismus, der die Erkrankung mitverursacht oder zumindest beeinflussen könnte, ist die Spaltung des Erkrankungsproteins TBP durch bestimmte Enzyme. Diese Spaltung führt zu noch schädlicheren Fragmenten des TBP-Proteins in den Nervenzellen. „Interessanterweise konnte in früheren Studien gezeigt werden, dass diese Spaltprodukte auch im Gewebe von Alzheimerpatienten auftreten, und dass sie auch dort eine Rolle im Krankheitsverlauf mitspielen könnten“, so Jonasz Weber.

    Calciumhaushalt ist gestört

    Das Team der Bochumer Humangenetik unter Leitung von Prof. Dr. Huu Phuc Nguyen konnte nun nachweisen, dass eine besondere Klasse von proteinspaltenden Enzymen, die Calpaine, diese Spaltung von TBP verursachen kann. „Darüber hinaus konnten wir zeigen, dass diese Enzyme in Zell- und Tiermodellen der SCA17 überaktiviert sind“, so Jonasz Weber. Da die Aktivität der Calpaine calciumabhängig ist, deutet diese Erkenntnis darauf hin, dass möglicherweise auch Gene fehlreguliert sind, die an der Steuerung des Calciumhaushalts der Zellen beteiligt sind.

    Hemmten die Forschenden die Enzyme durch pharmakologische oder genetische Ansätze, konnten sie im Zellmodell die Ablagerungen von TBP und die Herstellung des schadhaften Proteins reduzieren. „Der Nachweis, dass Calpaine am Krankheitsmechanismus der SCA17 beteiligt sind, ebnet weiterer Forschung den Weg“, so Jonasz Weber. Weitere Arbeiten könnten die Relevanz dieses molekularen Prozesses bestimmen und herausfinden, ob und wie er sich beeinflussen lässt. So könnten sich auch therapeutische Ansätze für diese Erkrankung ergeben. „Dies gilt sowohl für die SCA17 als auch für ähnliche neurodegenerative Erkrankungen, bei denen bereits demonstriert werden konnte, dass Calpaine eine bestimmende Rolle in der Pathogenese spielen“, so der Forscher.

    Förderung

    Die Arbeiten wurden gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Förderkennzeichen WE 6585/1-1, NG 101/6-1, INST 37/1049-1), dem Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung der Universität Tübingen (IZKF; PK 2016-01-08), dem Brazilian National Council for Scientific and Technological Development (CNPq; 229957/2013-7).


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Jonasz Jeremiasz Weber
    Abteilung für Humangenetik
    Medizinische Fakultät
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel. +49 175 6740761
    E-Mail: jonaszjeremiasz.weber@rub.de


    Originalpublikation:

    Jonasz Jeremiasz Weber, Stefanie Cari Anger, Priscila Pereira Sena, Rana Dilara Incebacak Eltemur, Chrisovalantou Huridou, Florian Fath, Caspar Gross, Nicolas Casadei, Olaf Riess, Huu Phuc Nguyen: Calpains as novel players in the molecular pathogenesis of spinocerebellar ataxia type 17, in: Cellular and Molecular Life Sciences,2022, DOI: 10.1007/s00018-022-04274-6, https://link.springer.com/article/10.1007/s00018-022-04274-6


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).