Der Kinderonkologe Anton Henssen hat gemeinsam mit Forschenden aus den USA und Großbritannien den Zuschlag für eine „Cancer Grand Challenge“ erhalten: Mit fast 24 Millionen Euro wird das internationale Team die Rolle ringförmiger DNA bei der Entstehung und Bekämpfung von Krebs untersuchen.
Unter Embargo bis zum 16. Juni 2022, 15:00 Uhr MESZ (09:00 ET)
Gemeinsame Pressemitteilung der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin
Im Jahr 2014 machte Professor Anton Henssen in den Zellen krebskranker Kinder eine ungewöhnliche Entdeckung. Er bemerkte, dass sich dort kleine Ringe aus DNA angesammelt hatten. Ein Teil der genetischen Information war somit nicht mehr wie gewöhnlich in den Chromosomen verpackt. Und ganz offensichtlich brachten die Ringe das restliche Erbgut derart durcheinander, dass die kindlichen Zellen anfingen zu entarten.
Das Thema hat den 36-jährigen Forscher und Arzt, der seit 2019 am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC), die Emmy-Noether-Forschungsgruppe „Genomische Instabilität bei kindlichen Tumoren“ leitet, seither nicht mehr losgelassen.
Die Rolle der Ringe
„Als ich anfing, mich für die zirkuläre DNA und ihre Rolle bei der Entstehung von Krebs zu interessieren, war ich damit ziemlich allein“, erzählt Henssen, der nicht nur Wissenschaftler ist, sondern sich auch als Kinderarzt der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie der Charité um seine kleinen Krebspatient*innen kümmert. Inzwischen sei das Forschungsfeld jedoch weiter ins Zentrum des wissenschaftlichen Interesses gerückt, sagt Henssen.
Schon seit knapp zwei Jahren werden der Wissenschaftler und sein Projekt „CancerCirculome“ mit einem Starting Grant des European Research Council (ERC) unterstützt. Auch der Förderinitiative „Cancer Grand Challenges“ – die seit 2020 von den beiden größten Geldgebern in der Krebsforschung weltweit, der Cancer Research UK und des National Cancer Institute der National Institutes of Health in den USA, getragen wird – ist die bislang womöglich unterschätzte Rolle der winzigen DNA-Ringe nicht entgangen. Als eine von neun großen Herausforderungen in der Krebsforschung wählte sie das Thema „Extrachromosomale DNA“, kurz ecDNA.
Die „Cancer Grand Challenges“ unterstützen derzeit mehr als 700 Forschende und Befürworter*innen in zehn Ländern, die elf Teams vertreten, die sich zehn der schwierigsten Herausforderungen in der Krebsforschung stellen. Am 16. Juni wurden vier neue Teams bekannt gegeben.
Eine Million für das Berliner Team
„Für mich stand damit fest, dass ich an dieser Challenge teilnehmen will“, erzählt Henssen, der am 1. Juni an der Charité eine Mildred-Scheel-Professur der Deutschen Krebshilfe angetreten hat. Weltweit gebe es gerade einmal eine Handvoll Gruppen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Nun hat das Team aus den USA, Großbritannien und Deutschland, das von Professor Paul Mischel von Stanford Medicine in Kalifornien geleitet wird, mit seinem Projekt „eDyNAmiC“ (extrachromosomal DNA in Cancer) den Zuschlag erhalten. Verbunden ist damit eine finanzielle Förderung in Höhe von 20 Millionen britischen Pfund für die kommenden fünf Jahre. Etwa eine Million davon wird Henssen und seinem Berliner Team zur Verfügung stehen.
Man wisse inzwischen, dass fast ein Drittel aller kindlichen und erwachsenen Tumore in ihren Zellen DNA-Ringe tragen und dass diese Tumore fast immer besonders aggressiv seien, sagt Henssen. „Wir wollen nun herausfinden, was genau diese Ringe so gefährlich macht, wie sie entstehen und wie wir sie ausbremsen können – um so effektivere Therapien zu entwickeln“, sagt Henssen. Dieser Herausforderung stellen sich nicht nur Biolog*innen und Mediziner*innen, sondern auch Mathematiker*innen und Informatiker*innen.
Aussicht auf ganz neue Therapieansätze
Henssen und sein Berliner Team, zu dem auch Forschende des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) gehören, wollen sich zunächst die Struktur der Ringe genauer anschauen und herausfinden, wie ihre DNA in Histonen und anderen Proteinen verpackt ist und wie die Expression ihrer Gene reguliert wird. „Denn möglicherweise führen Veränderungen in der Genexpression dazu, dass Tumore mithilfe der Ringe gegen die derzeit vorhandenen Therapien resistent werden“, sagt er.
Dass sein einst vermeintliches Nischenthema nun eine solch große Aufmerksamkeit und Unterstützung erhält, freut Henssen natürlich sehr. „Mir persönlich hätte nichts Besseres passieren können“, sagt der Forscher. Seine große Hoffnung ist nun, seinen Patient*innen in absehbarer Zeit zu helfen, die ja eigentlich ihr ganzes Leben noch vor sich haben – dank einer neuartigen Therapie, die die Ringe attackiert und so den tödlichen Tumor verschwinden lässt.
Prof. Dr. Anton Henssen
Leiter der Arbeitsgruppe „Genomische Instabilität in pädiatrischen Tumoren“
Experimental and Clinical Research Center (ECRC) des MDC und der Charité – Universitätsmedizin Berlin
anton.henssen@charite.de
Jana Schlütter
Redakteurin, Abteilung Kommunikation
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC)
+49 30 9406-2121
jana.schluetter@mdc-berlin.de oder presse@mdc-berlin.de
http://Weiterführende Informationen
http://Pressemitteilung zu den Cancer Grand Challenges
http://Das eDyNAmiC Team
http://Porträt Anton Henssen
http://ECRC-Arbeitsgruppe von Anton Henssen
http://Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie der Charité
http://Berliner Wissenschaftspreis
http://ERC Starting Grant
Anton Henssen im Porträt
Wiebke Peitz
Charité
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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