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21.06.2022 10:01

Korallengärten auf der „Mauretanischen Mauer“ entdeckt

Judith Jördens Senckenberg Pressestelle
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

    Wissenschaftler*innen von Senckenberg am Meer und der Universität Tel Aviv haben eine neue Korallenart entdeckt. Die Oktokoralle Swiftia phaeton wurde auf der weltweit größten Tiefwasserkorallenhügelkette vor der Küste Mauretaniens während verschiedener Tauchgänge in Tiefen zwischen etwa 400 und 600 Metern gefunden. Dort bildet sie „Korallengärten“ – dichte Ansammlungen von einer oder mehreren Korallenarten. Die Neubestimmung erfolgte mittels Mikro-Computertomographie. Die Forschenden warnen in ihren in den Studien vor der Gefährdung der gerade erst entdeckten Art – in ihrem Ökosystem wird Kohlenwasserstoff gefördert und seit den 1960er Jahren Fischerei betrieben.

    Über 580 Kilometer erstreckt sich in einer Wassertiefe zwischen 400 und 600 Metern die bis zu 100 Meter hohe „Mauretanische Mauer“ – eine Hügelkette geformt von Tiefwasserkorallen, die sich in den vergangenen 120.000 Jahren parallel zur mauretanischen Küste entwickelt hat. „Dieser Meeresbereich beherbergt nicht nur die weltweit größte Hügelkette mit lebenden Tiefwasserriffen, sondern wird – aufgrund der außergewöhnlich hohen Fischbestände – auch intensiv vom Menschen genutzt“, erläutert Dr. Íris Sampaio, vormals bei Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven und heute bei der Universität Tel Aviv beschäftigt. Die Meeresforscherin fährt fort: „Das hat Konsequenzen für die Riffe: Nicht nur zerstören Schleppnetze den Lebensraum von Koralle und Co., die aufgewirbelten Sedimente sind ein zusätzlicher Stressfaktor und die sauerstoffreichen Bereiche schwinden zunehmend. Es ist deshalb unerlässlich, die dortige Biodiversität zu erforschen, um sie – vor einer weiteren Zerstörung – schützen zu können.“

    Sampaio hat mit ihren Kolleg*innen von Senckenberg am Meer Prof. Dr. André Freiwald und Dr. Lydia Beuck nun eine weitere neue Oktokorallenart von der „Mauretanischen Mauer“ beschrieben: Swiftia phaeton lebt an den Kontinentalhängen Mauretaniens. Die Art unterscheidet sich von ihren nordostatlantischen und mediterranen Verwandten durch die dunkelrote Farbe der Kolonien, eine Schicht von stabförmigen Hartteilen (Skleriten) auf den Polypenhügeln und die unterschiedlichen Größen der Polypen und Skleriten. „Mit Hilfe eines ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugs konnten wir Lebendnachweise der Korallen in einer Tiefe von 396 bis 639 Metern vor Mauretanien erbringen. Die neue Art besiedelt hauptsächlich abgestorbene Korallengerüste, Korallenschutt oder Gestein. Sie ist die bislang im Nordostatlantik am südlichsten auftretende bekannte Art und bildet – anders als weitere Swiftia-Arten – große ‚Korallengärten‘“, ergänzt Sampaio.
    Zur taxonomischen Bestimmung der Oktokoralle setzte das Team erstmalig Mikro-Computertomographie ein. Die Methode ermöglicht ein detailliertes dreidimensionales Bild der inneren Struktur von sehr kleinen Proben. „Wir konnten so die Skleritenschicht entdecken, die Swiftia phaeton von anderen Arten unterscheidet“, erklärt Sampaio.

    Freiwald resümiert: „In zukünftigen Forschungsprojekten möchten wir diese Methode häufiger einsetzen, um die verschiedenen Korallen noch zuverlässiger und einfacher zu bestimmen. Bislang sind etwa 850 Arten von den Tiefwasserriffen der ‚Mauretanischen Mauer‘ beschrieben – das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Wir brauchen genaue Kenntnisse zur Fauna der ‚Mauretanischen Mauer‘, um die Folgen der natürlichen und anthropogenen Einflüsse zu bewerten. Die Widerstandsfähigkeit der Korallengärten vor Mauretanien hängt vor allem mit dem Vorhandensein von Hartsubstrat für die Ansiedlung und mit der Exposition gegenüber nahrungsreichen Strömungen zusammen. Und nicht nur die Korallenriffe sind gefährdet – auch die Fischerei und damit die Lebensgrundlage vieler Menschen sowie etwa 20 Prozent der mauretanischen Staatseinnahmen stehen auf dem Spiel!“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Íris Sampaio
    School of Zoology, George S. Wise Faculty of Life Sciences
    Tel Aviv University
    irisfs@gmail.com

    Prof. Dr. André Freiwald
    Senckenberg am Meer
    Tel. 04421 9475 200
    andre.freiwald@senckenberg.de

    Dr. Lydia Beuck
    Senckenberg am Meer
    Tel. 04421 9475 224
    lydia.beuck@senckenberg.de


    Originalpublikation:

    Sampaio I, Beuck L, Freiwald A (2022) A new octocoral species of Swiftia (Holaxonia, Plexauridae) from the upper bathyal off Mauritania (NE Atlantic). ZooKeys 1106: 121-140. https://doi.org/10.3897/zookeys.1106.81364

    Íris Sampaio, Lydia Beuck, Gui M. Menezes and André Freiwald (2022): The Mauritanian Slope (NE Atlantic) Has No Desert: Swiftia sp. (Holaxonia: Plexauridae) Shaping Coral Gardens. In: Chimienti G (Ed.) Corals - Habitat formers from the shallow to the deep. IntechOpen


    Bilder

    Die neu entdeckte Oktokoralle Swiftia phaeton.
    Die neu entdeckte Oktokoralle Swiftia phaeton.
    Senckenberg
    Senckenberg

    Ein Tintenfisch (Neorossia caroli) sucht Schutz in den Korallengärten vor der Küste Mauretaniens.
    Ein Tintenfisch (Neorossia caroli) sucht Schutz in den Korallengärten vor der Küste Mauretaniens.
    T. Lundälv
    T. Lundälv, Sven Lovén Centre for Marine Infrastructure, Sweden


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Meer / Klima
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Die neu entdeckte Oktokoralle Swiftia phaeton.


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    Ein Tintenfisch (Neorossia caroli) sucht Schutz in den Korallengärten vor der Küste Mauretaniens.


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