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24.06.2022 09:05

MCC: Beim Klimaschutz rückt die Architektur des Welthandels in den Blick

Ulrich von Lampe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) gGmbH

    Die Klimapolitik bewegt sich derzeit auf schmalen Grat, das zeigte sich diesen Monat in Bonn bei den ersten UN-Verhandlungen seit Beginn des Ukraine-Kriegs. Einerseits müssen die Regierungen ehrgeiziger werden, klimaschädliches Wirtschaften verteuern und dies nach außen notfalls durch handelspolitische Maßnahmen absichern. Andererseits müssen sie die in der Welthandelsorganisation WTO vereinbarten Regeln einhalten, zumal in einer Zeit, in der die internationale Ordnung erschüttert wird. in der renommierten Fachzeitschrift Science beleuchtet jetzt ein internationales Forschungsteam, wie in dieser Lage die Handelspolitik dem Klima helfen kann.

    Leitautor ist Michael Jakob, Senior Researcher am Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change). Das Forschungsteam bündelt die Expertise von 33 Fachleuten aus zwölf Ländern, überwiegend aus der Wirtschafts-, Rechts- und Politikwissenschaft, die zu diesem Thema im März ein Buch veröffentlicht haben.

    „Die Länder müssen den Wunsch, die Handelsregeln einzuhalten, sorgfältig mit der Notwendigkeit einer wirksamen Klimapolitik austarieren“, heißt es in dem Artikel. Kniffelig sei etwa der Vorschlag der EU-Kommission, die in Europa steigende CO₂-Bepreisung auch Importeuren aus Übersee aufzuerlegen. „Frühzeitige Diplomatie sowie eine einheitliche und transparente Anwendung könnten die Chancen beträchtlich erhöhen, dass ein CO₂-Grenzausgleich vor der WTO Bestand hat.“ Ohne ihn droht Carbon Leakage, also Verlagerung von Produktion und entsprechend CO₂-Emissionen in Regionen mit weniger Klimaschutz – dem Weltklima wäre nicht gedient, aber in Europa gäbe es weniger Wohlstand.

    Umgekehrt könnte die Klimapolitik die WTO einspannen, um die in aller Welt noch immer bestehenden Subventionen auf fossile Brennstoffe einzudämmen. Deren Volumen beträgt 350 Milliarden Dollar jährlich – ein gewaltiger ökonomischer Anreiz zu klimaschädlichem Verhalten. „Die WTO ist in einer guten Position, um hier eine Reform voranzutreiben“, schreibt das Forschungsteam und verweist auf ihre zentrale Rolle bei dem aktuellen Ringen um eine Übereinkunft gegen Fischerei-Subventionen und damit die Überfischung der Weltmeere. „Um die fossilen Subventionen anzugehen, könnte sie das Thema in ihrem Trade Policy Review Mechanism aufgreifen.“ Damit wäre es bei den 164 Mitgliedsstaaten auf der politischen Tagesordnung.

    Dem Klima helfen könnte die Handelspolitik auch durch Zollsenkungen. Die sind global betrachtet für Endprodukte deutlich höher als für Rohstoffe und Vorprodukte, obwohl die Produktion von Endprodukten viel weniger CO₂-intensiv ist. Diese Schieflage verkörpert praktisch einen negativen CO₂-Preis in Höhe von 90 Dollar je Tonne. „Das ist das Gegenteil von dem, was ein klimafreundliches Handelssystem liefern müsste“, mahnt das Forschungsteam. Gespräche über Handelsliberalisierung könnten auf Umweltgüter fokussieren, damit sich saubere Technologien weltweit schneller durchsetzen. „Im Weiteren ginge es dann auch um ökologisch vorteilhafte Produkte wie Bio-Lebensmittel oder Holz aus nachhaltigem Anbau.“

    Insgesamt, so das Fazit des Artikels, wird das klimapolitische Potenzial der unter dem Dach der WTO vereinbarten Handelsordnung noch nicht voll genutzt. „Die oben diskutierten Optionen werden auf politische Hindernisse stoßen. Doch das wachsende Bewusstsein für die Dringlichkeit, die Weltwirtschaft in Richtung Klimaneutralität zu transformieren, könnte einer Umstrukturierung des Handelsregimes neuen Schwung verleihen.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    https://www.mcc-berlin.net/ueber-uns/team/jakob-michael.html


    Originalpublikation:

    Der zitierte Artikel: Jakob, M., Afionis, S., Åhman, M., Antoci, A., Arens, M., Ascensão, F., van Asselt, H., Baumert, N., Borghesi, S., Brunel, C., Caron, J., Cosbey, A., Droege, S., Evans, A., Iannucci, G., Jiborn, M., Kander, A., Kulionis, V., Levinson, A., de Melo, J., Moerenhout, T., Monti, A., Panezi, M., Quirion, P., Sager, L., Sakai, M., Sesmero, J., Sodini, M., Solleder, J., Verkuijl, C., Vogl, V., Wenz, L., Willner, S., 2022, How trade policy can support the climate agenda, Science, https://www.science.org/doi/10.1126/science.abo4207
    Das Buch: https://www.e-elgar.com/shop/gbp/handbook-on-trade-policy-and-climate-change-978...


    Weitere Informationen:

    https://www.mcc-berlin.net


    Bilder

    Anhang
    attachment icon MCC: Beim Klimaschutz rückt die Architektur des Welthandels in den Blick

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Energie, Meer / Klima, Politik, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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