Einsatz von Nützlingen außer als Bioinsektizid auch als Biofungizid im Pflanzenschutz könnte zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und besseren Nahrungsmittelversorgung beitragen
Befürchtungen zufolge wird sich die Nahrungsmittelknappheit in vielen Teilen der Welt noch weiter verschärfen. Einen Beitrag zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion von Getreide und anderen Nahrungspflanzen könnten nachhaltige, biologische Methoden leisten, die im Gegensatz zu chemischen Pestiziden außerdem umweltverträglich sind. Das Bakterium Photorhabdus luminescens wird bereits als Bioinsektizid gegen eine breite Palette von Insekten eingesetzt. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben nun nachgewiesen, dass P. luminescens auch gegen Pilzerkrankungen von Pflanzen schützt. Hierfür ist eine zweite Lebensform des Bakteriums verantwortlich. Diese Variante setzt sich zunächst auf das Pilzmycel und zerstört es dann durch den Abbau von Chitin, einem Hauptbestandteil der Zellwand von Pilzen. Die Forschungsergebnisse könnten in Zukunft vor allem für den Getreidebau von Bedeutung sein. „Wir sehen hier eine gute Chance, um mithilfe dieser Bakterien den Ackerbau umweltverträglicher und nachhaltiger zu gestalten“, sagt Prof. Dr. Ralf Heermann von der JGU.
Biologische Methoden können zu einer höheren Agrarproduktion beitragen
Nutzpflanzen sind wie andere Pflanzen auch anfällig für Umweltstress, Schädlinge und Krankheiten. Dies wirkt sich auf die Ernteerträge und die Nahrungsmittelproduktion aus und ist angesichts der wachsenden Weltbevölkerung ein Problem für die Ernährungssicherheit. Die größten landwirtschaftlichen Verluste entstehen durch Unkraut, tierische Schädlinge und durch Pflanzenkrankheiten aufgrund von Bakterien, Pilzen oder Viren. Der intensive Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel hat in der Vergangenheit zwar höhere Erträge ermöglicht und damit die Versorgung mit Nahrungsmitteln verbessert. Der Preis war allerdings häufig sehr hoch: Umweltschäden und tödliche Gefahren für den Menschen und für Organismen wie etwa die Bestäuberinsekten zählen ebenso dazu wie eine veränderte Zusammensetzung des Bodenmikrobioms.
Eine Alternative dazu sind biologische Mittel wie Rhizobakterien, die das Pflanzenwachstum fördern, oder Fadenwürmer, die Schadinsekten befallen – neue nachhaltige landwirtschaftliche Techniken, um die Pflanzen vor Schädlingen zu schützen.
Erste Lebensform von Photorhabdus luminescens bringt den „leuchtenden Tod“
Zu diesen Entwicklungen zählt auch der Einsatz von Photorhabdus luminescens als Nützling gegen Insektenlarven. Die Bakterien leben in Symbiose mit kleinen Fadenwürmern, die in die Insektenlarven eindringen und dort die Bakterien freisetzen. Die Bakterien bilden dann zum einen zahlreiche Giftstoffe, die zum Tod der Insektenlarven führen, produzieren aber außerdem ein Enzym namens Luziferase, das die Larven zum Leuchten bringt – daher auch „leuchtender Tod“ genannt.
Vor rund zwei Jahren hatte nun die Arbeitsgruppe von Ralf Heermann entdeckt, dass P. luminescens in einer weiteren Lebensform auftritt, die zwar keine Symbiose mit Fadenwürmern eingehen kann, aber auch allein im Boden überlebensfähig ist. Diese Sekundärform ist mit der ersten Lebensform genetisch identisch, es fehlen ihr jedoch gewisse Ausprägungen wie zum Beispiel die Fähigkeit zur Biolumineszenz. Allerdings, so die neuen Erkenntnisse, kann die zweite Lebensform außerordentlich effektiv gegen eine Pilzerkrankung vorgehen. Am Beispiel von Fleischtomaten zeigten die Mikrobiologen um Heermann, wie der Befall mit dem pathogenen Pilz Fusarium graminearum gestoppt wird, indem die Bakterien das Pilzgeflecht kolonisieren und Chitin abbauen. Dazu haben die Wissenschaftler den molekularen Mechanismus identifiziert, der von einer Chitinase und einem Chitin-bindenden Protein ausgeht. Dadurch lösen die Bakterien das Gerüst des Pilzmycels, nämlich die Zellwände, auf und das Pilzwachstum wird effektiv unterbunden.
Neues Anwendungsgebiet: Pflanzenwachstum fördern und vor Pilzbefall schützen
„Außerdem konnten wir zeigen, dass die zweite Lebensform der Bakterien speziell die Hyphen der Pilze kolonisiert. Damit wird einer der ersten Mechanismen in Gang gesetzt, um die Pflanzen vor Krankheitserregern zu schützen“, sagt Dr. Nazzareno Dominelli aus der Arbeitsgruppe von Heermann und Erstautor der jetzt veröffentlichten Studie. „Wir können mit unseren Erkenntnissen ein neues Anwendungsgebiet von P. luminescens aufzeigen, und zwar als ein Organismus, der das Pflanzenwachstum fördert und die Pflanzen vor Pilzbefall schützt.“
Das Team wird sich in Zukunft weiter mit den vielversprechenden Möglichkeiten befassen, die P. luminescens für den biologischen Pflanzenschutz leisten kann. Erste Hinweise deuten darauf hin, dass auch die zweite, freie Lebensform, die von sich aus aktiv die Pflanzenwurzeln aufsucht, noch weitere biotechnologische Chancen für die Landwirtschaft bietet.
Bildmaterial:
https://download.uni-mainz.de/presse/10_imp_mikrobiologie_photorhabdus_chitin.jp...
Die Sekundärzellen von Photorhabdus luminescens beschützen die Pflanze vor dem pathogenen Pilz Fusarium graminearum: Die Bakterien schützen die Pflanze und töten den Pilz durch Chitin-abbauende Enzyme (r.). Die infizierte Pflanze verwelkt ohne Schutz (l.).
Abb./©: Nazzareno Dominelli / JGU
Weiterführende Links:
https://www.imw.bio.uni-mainz.de/forschungschwerpunkte-der-arbeitsgruppe-prof-dr... - Arbeitsgruppe Prof. Dr. Ralf Heermann
https://www.bio.uni-mainz.de/fachbereich/institute/imp/ - Institut für Molekulare Physiologie (IMP)
Lesen Sie mehr:
https://www.uni-mainz.de/presse/aktuell/12113_DEU_HTML.php - Pressemitteilung „Bakterien führen Doppelleben: Zweite Lebensform von Photorhabdus luminescens interagiert mit Pflanzenwurzeln“ (09.09.2020)
Prof. Dr. Ralf Heermann
Mikrobiologie und Biotechnologie
Institut für Molekulare Physiologie (IMP)
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-28470
E-Mail: heermann@uni-mainz.de
https://www.imw.bio.uni-mainz.de/personal/professoren/
Nazzareno Dominelli, Fabio Platz, Ralf Heermann
The Insect Pathogen Photorhabdus luminescens Protects Plants from Phytopathogenic Fusarium graminearum via Chitin Degradation
Applied and Environmental Microbiology, 23. Mai 2022
DOI: 10.1128/aem.00645-22
https://journals.asm.org/doi/10.1128/aem.00645-22
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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