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06.05.2004 15:00

Ostdeutsche Manager: Kapitalisten mit eigenem Flair

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Soziologen der Universität Jena präsentieren größte deutsche Studie zum mittelständischen "Management heute"

    Jena (06.05.04) Die ostdeutschen Manager sind im Kapitalismus angekommen und gleichen sich damit zunehmend ihren westdeutschen Kollegen an. Gleichwohl existieren aber noch deutliche Unterschiede vor allem hinsichtlich der Qualifikation, der Einstellungen zu gesellschaftspolitischen Fragen und der sozialen Zusammensetzung des Managements. Dies ist das knappe Fazit der bisher umfangreichsten Befragung von Topmanagern mittelständischer Unternehmen in Ost- und Westdeutschland, die das Institut für Soziologie der Universität Jena Ende 2002 durchgeführt und heute (06.05.) der Öffentlichkeit vorgestellt hat.

    In der Studie, die im Rahmen des Jenaer Sonderforschungsbereichs (SFB) 580 "Gesellschaftliche Entwicklungen nach dem Systemumbruch" durchgeführt wurde, sind 749 Unternehmensleiter aus Betrieben zwischen 50 und 1.000 Beschäftigten befragt worden. Die Manager aus Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurden nach ihrer Herkunft, ihrem Bildungsgang, der Berufskarriere, nach ihren Managementkonzepten und nach ihrer Leitungspraxis in den Unternehmen befragt.

    Der deutsche mittelständische Manager ist männlich, nur 7,5 % der befragten Betriebe wurden von Frauen geleitet. Ein Drittel der befragten Manager stammt aus Ostdeutschland und dieses Drittel leitet ganz überwiegend ein Unternehmen in den neuen Ländern. Von den westdeutschen Unternehmensleitern sind 51 % in den alten und 15 % in den neuen Bundesländern tätig.

    "Das ostdeutsche Management ist stark von den Führungskräften geprägt, die Anfang der 90er Jahre die frei gewordenen oder neu geschaffenen Positionen an der Unternehmensspitze besetzen und seitdem auf den Chefsesseln verblieben", erklärt Projektleiter Prof. Dr. Rudi Schmidt. Daraus resultiert ein insgesamt höherer Altersdurchschnitt im Osten, wo die heute 46- bis 60-Jährigen zu fast zwei Dritteln die Managerstellen besetzen. Nur rund 10 % der Ost-Manager sind jünger als 40 Jahre, während deren Anteil im Westen fast zweieinhalb Mal so hoch liegt. Der westdeutsche Unternehmensleiter kommt aus Haushalten, in denen fast vier Fünftel der Väter bereits als Selbstständige (28 %), Unternehmer (20 %) oder in beruflichen Leitungspositionen (31 %) tätig waren. "Die soziale Herkunft der ostdeutschen Geschäftsführer ist hingegen deutlich weniger elitengeprägt, wenn auch im Zeitverlauf der Anteil der Personen zunimmt, deren Väter bereits in leitender Stellung tätig waren", unterstreicht Projektmitarbeiter PD Dr. Bernd Martens.

    "Generell", so Prof. Schmidt, "ist das Qualifikationsniveau sehr hoch". Rund 80 % der befragten westdeutschen Manager verfügen über einen akademischen Abschluss, die Quote im Osten liegt sogar bei 94 %. In den neuen Ländern überwiegt dabei der Anteil von Technikern oder Ingenieuren in den Chefsesseln gegenüber einer zunehmenden kaufmännischen Qualifikation der westdeutschen Unternehmensleiter.

    Die hohe Qualifikation spiegelt sich auch im Verdienst wider. Im Durchschnitt bezieht die Hälfte der Befragten ein Brutto-Jahreseinkommen bis 100.000 Euro. Etwas mehr als ein Viertel erhält bis 150.000 Euro, das restliche knappe Viertel verdient mehr. "In den niedrigeren Einkommensklassen sind Frauen, ostdeutsche Unternehmensleiter und Geschäftsführer kleiner Betriebe häufiger vertreten", fasst Dr. Matthias Michailow aus dem Jenaer Projektteam zusammen.

    Die Manager arbeiten unter extremen Anforderungen, denn der hohe Restrukturierungsdruck zusammen mit einem verschärften Wettbewerb zwingen die Manager zu permanenten Anpassungsprozessen - was in westdeutschen Betrieben häufiger der Fall ist als in ostdeutschen. Dennoch haben die Chefs im gesamten Bundesgebiet ein überwiegend gutes Verhältnis zu den Betriebsräten. "Entgegen aktueller Debatten in der Öffentlichkeit zeigen unsere Untersuchungsergebnisse, dass die betriebliche Mitbestimmung als wesentliches Element der Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Deutschland vom weitaus überwiegenden Teil des leitenden Managements im industriellen Mittelstand mitgetragen wird", betont der Jenaer Soziologe Schmidt. Daraus resultiert auch ein kooperativer und partnerschaftlicher Führungsstil, den ost- wie westdeutsche Manager bevorzugen. Doch ostdeutsche Geschäftsführer stimmen eher einem Führungsstil zu, der auf überlegenes Fachwissen des Vorgesetzten als Grundlage seiner Autorität und auf direktive Anweisungen setzt. "Damit sind im Vergleich zu früheren Untersuchungen nur noch abgeschwächte traditionelle Relikte der für die DDR typischen Kombinatsführungskultur zu beobachten", so Schmidt.

    Diese und viele weitere Fakten, die die Jenaer Soziologen ermittelt haben, deuten auf eine zunehmende Angleichung von Ost und West. Dennoch existieren noch deutliche Unterschiede. "Wie bei den bekannten Strukturproblemen der ostdeutschen Industrie ist auch hier mit einem raschen Verschwinden nicht zu rechnen", erwartet Prof. Schmidt. Um diese Veränderungen des Managements mittelständischer Unternehmen über einen langen Zeitraum tiefenscharf beobachten zu können, soll die Studie an der Universität Jena über insgesamt zwölf Jahre fortgeführt werden.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Rudi Schmidt
    Institut für Soziologie und SFB 580 der Uni Jena
    Carl-Zeiß-Str. 2, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 945520 oder 945060 oder 945056
    Fax: 03641 / 945522
    E-Mail: schmidt@soziologie.uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.sfb580.uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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