Seit Januar 2020 hat ein Forschungsteam der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin) 100 Berliner Unternehmen auf ihren digitalen Reifegrad hin untersucht. Das Projekt „Digital Plus“ war Teil des Masterplans Industriestadt Berlin 2018-2021 (MPI). Zum Projektabschluss hat das Team nun die Studienergebnisse veröffentlicht. Dabei wird deutlich, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen Unterstützungsbedarf haben.
Ein Team aus neun Forscherinnen und Forschern der HTW Berlin hat zwischen Januar 2020 und März 2022 den Stand der Digitalisierung in 100 Berliner Unternehmen erhoben. Dafür wurde das Geschäftsmodell von 100 Berliner Unternehmen auf digitale Leistungsfähigkeit geprüft, der digitale Reifegrad ermittelt und gemeinsam mit Unternehmensvertretern eine digitale Agenda aufgestellt. Zu den teilnehmenden Unternehmen zählten sowohl Soloselbstständige als auch Unternehmen mit mehreren Hundert Beschäftigten, darunter Handwerksbetriebe, Maschinenbauer, Steuerberatungen, Unternehmensberatungen, E-Commerce-Unternehmen bis hin zu Dienstleistern der Informationstechnik.
„Die Corona-Krise hat erneut gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) verfügen jedoch häufig nicht über die notwendigen Ressourcen, um die digitale Transformation ihrer Betriebe voranzutreiben. Um passende Unterstützungsangebote für die digitale Transformation der Unternehmen zu entwickeln, muss zunächst ein Verständnis über den aktuellen Stand der Digitalisierung bestehen. Trotz des hohen Stellenwertes der Digitalisierung besteht jedoch Unklarheit über den tatsächlichen Status quo der Unternehmen,“ erläutert Projektleiter Prof. Dr. Stefan Wittenberg die Motivation hinter dem Forschungsprojekt.
In jeweils zweistündigen Workshops ermittelten die Forschenden mithilfe eines von der HTW Berlin entwickelten Modells den digitalen Reifegrad anhand von sechs voneinander unabhängigen Dimensionen. Die Geschäftsführung konnte das eigene Unternehmen jeweils auf einer Reifegradstufe von eins bis fünf einordnen, wobei eins die niedrigste und fünf die höchste Stufe war. Der wissenschaftliche und gleichzeitig praxisorientierte Ansatz ermöglichte den teilnehmenden Unternehmen wertvolle Erkenntnisse: Digitalisierungspotentiale und relevante Handlungsfelder konnten identifiziert werden.
96 Prozent der untersuchten Unternehmen lassen sich nach dem HTW-Reifegradmodell in den Stufen eins (Digital Basic), zwei (Digital Standard) und drei (Digital Automation) einordnen. „Auf diesem Niveau haben Zukunftstechnologien wie KI oder Robotic Process Automation (RPA), die heute ‚in aller Munde‘ sind, noch keine Bedeutung,“ ordnet Wittenberg die Ergebnisse ein. Der Einsatz dieser Technologien stehe zwar vereinzelt auf den digitalen Agenden der Unternehmen, sei jedoch von der Geschäftsführung nur in den seltensten Fällen hoch priorisiert. Eine höhere Priorität ergab die Bewältigung von alltäglichen Herausforderungen. Bei mehr als drei von vier der teilnehmenden Unternehmen standen Themen an erster Stelle, die die Digitalisierung der Beziehungen zu den Kund*innen oder die Digitalisierung der unternehmensinternen Prozesse betreffen. Beispiele sind die Gestaltung der Website und die Optimierung für Suchmaschinen, die Einführung einer betrieblichen Software zum Dokumentenmanagement oder die Optimierung von Schnittstellen innerhalb von zwei bereits bestehenden Systemen, die bisher keine Daten austauschen.
Das Forschungsteam stellte zudem fest, dass 79 der 100 Unternehmen keine formulierte Digitalstrategie haben. „Maßnahmen werden daher eher losgelöst von mittel- bzw. langfristigen Plänen und nach ‚operativer Dringlichkeit‘ umgesetzt,“ so Wittenberg. Mit zunehmender Größe erzielten die Unternehmen einen höheren Mittelwert beim Reifegrad. Ein höherer Digitalisierungsgrad bei größeren Unternehmen zeigt sich dabei in fast allen untersuchten Dimensionen, besonders deutlich in der Dimension „Strategie“: Während der Mittelwert bei den Soloselbstständigen hier bei 1,79 lag, erzielten die mittleren Unternehmen bereits einen Mittelwert von 2,50. Die Großunternehmen erreichten schließlich einen Mittelwert von 3,25.
Der Berliner Senat hat das Projekt im Rahmen des Masterplan Industriestadt (MPI), der industriepolitischen Grundsatzstrategie des Landes Berlin, gefördert. Die Studienergebnisse sollen unter anderem in die Lehre einfließen – zum Beispiel im Studiengangs Betriebswirtschaftslehre mit der Vertiefung Digital Business. Ziel ist, zukünftigen Fach- und Führungskräfte digitale Kompetenzen zu vermitteln, die an die Bedarfe der Unternehmen angepasst sind. Zudem können die Studienergebnisse als Grundlage für die Entwicklung zielgerichteter Unterstützungsangebote für KMU im Bereich Digitalisierung dienen.
Ein auf den Projektergebnissen aufbauendes Folgeprojekt an der HTW Berlin ist bereits im April 2022 gestartet und untersucht unter anderem im Rahmen von Fallstudien, welche Faktoren die Digitalisierung in Kleinen- und Mittelständischen Unternehmen fördern bzw. behindern. Durch die gewonnenen Erkenntnisse aus den Fallstudien sollen Inhalten in Form eines Digitalisierungsnavigators für die Unternehmen zur Verfügung gestellt und somit Unterstützung im Digitalisierungsprozess geschaffen werden.
Prof. Dr. Stefan Wittenberg
Stefan.Wittenberg[at]HTW-Berlin.de
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin)
Campus Treskowallee
10318 Berlin
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https://digital-value-berlin.de/digital-plus/
Workshop Digital+
Florian von Ploetz
HTW Berlin
Das Projektteam von Digital+ an der HTW Berlin (nicht im Bild: Leonhard Gebhardt)
Florian von Ploetz
HTW Berlin
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