Plädoyer für einen chancenorientierten und forschungsfreundlichen Umgang mit Digitalisierung und Datennutzung in Gesundheitsforschung und Versorgung
Deutschland befindet sich bei der Digitalisierung gegenwärtig in einem dringend notwendigen Aufholprozess. Das gilt auch für das Gesundheitssystem, in dem die Digitalisierung in den letzten Jahrzehnten nur schleppend voranging und erst in jüngerer Zeit verstärkte Anstrengungen zu erkennen sind.
Auch wenn Gesundheit einen besonders sensiblen Bereich darstellt, eine gewisse Zurückhaltung also plausibel ist, bleibt aus Sicht des Wissenschaftsrats festzustellen: Die Risiken von Digitalisierung und Gesundheitsdatennutzung werden gegenüber den Chancen, die sie bietet, vielfach überbetont. Die erheblichen Potenziale für die Gesellschaft und das Individuum sind weithin unbekannt, ein gesellschaftlicher Konsens zur Nutzung und zum Teilen von Gesundheitsdaten ist nicht erkennbar. Insbesondere im Vergleich mit anderen Industrienationen muss Deutschland in diesem Bereich dringend aufholen.
In seinem Positionspapier „Digitalisierung und Datennutzung für Gesundheitsforschung und Versorgung“ greift der Wissenschaftsrat diese Problematik auf. Professorin Dorothea Wagner, Vorsitzende des Wissenschaftsrats: „Man kann gar nicht oft genug darauf hinweisen, wie wichtig die Digitalisierung in Gesundheitsforschung und Versorgung für Wohlstand, Unabhängigkeit und Innovationskraft des Standorts Deutschland ist, aber vor allem für den einzelnen Menschen und sein Wohlergehen.“ Wagner betont: „Die Nicht-Nutzung von Daten kann Menschenleben kosten.“
Ein digitalisiertes Gesundheitssystem verspricht nicht nur Erleichterungen für Gesundheitspersonal sowie Patientinnen und Patienten, es ist außerdem die wesentliche Voraussetzung für die datenintensive Gesundheitsforschung, die wiederum den Bürgerinnen und Bürgern ganz neue und qualitativ hochwertige Versorgungsmöglichkeiten bringen kann (Stichwort: Personalisierte Medizin).
Der Wissenschaftsrat begrüßt daher, dass in den letzten Jahren durch große Initiativen des Bundes wie die Medizininformatik-Initiative und das Netzwerk Universitätsmedizin, durch verschiedene Förderprogramme und IT-Investitionsprogramme der Länder sowie durch zahlreiche Bundesgesetze wie das Patientendaten-Schutz-Gesetz und das Krankenhauszukunftsgesetz ein gewisses Momentum erzeugt wurde. Zusätzlichen Schub hat die COVID-19-Pandemie gebracht, die eine „missing data-Krise“ offengelegt und der Bevölkerung die Vorteile digitaler Gesundheitsangebote vor Augen geführt hat.
Hieran gilt es anzuknüpfen und vor allem die Universitätsmedizin in die Lage zu versetzen, die Potenziale der Digitalisierung zu heben: Ihr kommt an der Schnittstelle von Forschung und Versorgung eine besondere Innovationsfunktion zu. „Besonders wichtig ist die Vernetzung zwischen Akteuren über Sektoren- und Einrichtungsgrenzen, um den Datenaustausch zu erleichtern und das Ziel einer mit Forschung kompatiblen, dezentralen Gesundheitsdateninfrastruktur umzusetzen“, so Wagner. Dafür müssen zunächst eine einheitliche Datensprache und interoperable IT-Systeme implementiert werden. Ein nationales Gesundheitsdatenportal soll sodann Informationen über die dezentralen Datenbestände vermitteln und Forschende beim Zugang unterstützen. Auf Bundesebene gilt es überdies, das im Koalitionsvertrag festgehaltene „Gesundheitsdatennutzungsgesetz“ möglichst rasch voranzubringen, und im Zuge dessen auch eine Widerspruchslösung (Opt-Out-Regelung) für die Datenbereitstellung aus der elektronischen Patientenakte umzusetzen.
Der Wissenschaftsrat betont, dass die Digitalisierung eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung ist, die nur durch Bund und Länder gemeinsam zu bewältigen ist.
https://doi.org/10.57674/bxkz-8407 - Zum Positionspapier
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