Wissenschaftsrat bewertet einen Aufnahmeantrag und drei strategische Erweiterungen von Leibniz-Instituten
Der Wissenschaftsrat hat auf Bitten der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) einen Aufnahmeantrag und drei strategische Erweiterungsanträge von Leibniz-Instituten bewertet.
Mit der Bestnote „exzellent“ bewertet der Wissenschaftsrat den Erweiterungsantrag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums (RGZM), Mainz. Dieses Vorhaben sieht die Integration des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA) in Schleswig vor, wodurch die raum- und epochenübergreifende Forschung an beiden Einrichtungen nachhaltig gestärkt werden würde. „Durch die Zusammenführung von RGZM und ZBSA entstünden die institutionellen Voraussetzungen für eine Bearbeitung vieler verbindender Fragestellungen und hochaktueller Forschungsansätze“, so die Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Dorothea Wagner. Ebenfalls überzeugt haben den Wissenschaftsrat zwei Anträge der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN), Frankfurt am Main, und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), Berlin, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven dem Erhalt der Biodiversität verschrieben haben. Beide Anträge werden insgesamt als „sehr gut“ bewertet. Den Antrag auf Aufnahme von ZB MED/BIBI – Infrastruktur- und Forschungszentrum für lebenswissenschaftliche Daten und Informationen, Köln/Bonn/Bielefeld, in die Leibniz-Gemeinschaft bewertet er als „gut“. Die Entscheidung über die Aufnahme von ZB MED/BIBI und die Bewilligung der Erweiterungsanträge liegt nun bei der GWK.
Zu den Stellungnahmen im Einzelnen:
Das Erweiterungsvorhaben des Römisch-Germanischen Zentralmuseums (RGZM) in Mainz – die Integration des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA) in Schleswig – kann nach Einschätzung des Wissenschaftsrats einen Forschungsraum schaffen, der unterschiedliche Forschungstraditionen verbindet und langfristig zur Überwindung lokaler und regionaler archäologischer Forschungsperspektiven beiträgt. „Erst eine Zusammenführung von RGZM und ZBSA ermöglicht die notwendige Bündelung von Fachwissen für die Erforschung gesellschaftlicher Wandlungsprozesse über sehr lange Zeiträume hinweg“, erläutert Wagner. „Sie ist somit für die archäologische Forschung auch international von großer Bedeutung.“ Positiv bewertet der Wissenschaftsrat die bereits weit fortgeschrittene Verzahnung der Forschungsprogramme von RGZM und ZBSA. Die hierfür gewählten Themenfelder eignen sich ausgezeichnet, um die aus den bisherigen Forschungsaktivitäten der Einrichtungen gewonnenen Erkenntnisse zusammenzuführen und weiterzuentwickeln.
Im Zentrum der Arbeiten der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN) steht der Wandel und Verlust von Biodiversität. Dabei widmet sie sich grundlegenden Fragen mit dem Ziel, menschliche Eingriffe in die Natur im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu gestalten. Mit dem Erweiterungsvorhaben Anthropocene Biodiversity Loss will die SGN ihre herausragenden wissenschaftlichen Sammlungen für die Erforschung der Biodiversität nutzen. Hierfür sollen die digital erfassten Sammlungsdaten mit Geobiodiversitätsdaten verknüpft werden, um Modelle des Biodiversitätswandels in Raum und Zeit zu entwickeln und zu stützen. „Das Vorhaben ist geeignet, den Ansatz der Geobiodiversitätsforschung konsequent weiterzuentwickeln“, zeigt sich die Vorsitzende des Wissenschaftsrats überzeugt. Es wird außerdem darum gehen, evidenzbasierte gesellschaftliche Handlungsoptionen für den Schutz und die Förderung der Biodiversität zu entwickeln. Die strategische Erweiterung soll dazu beitragen, die notwendigen sozial-ökologischen Transformationen anzustoßen und zu begleiten. „Senckenberg greift damit eine hochaktuelle Thematik auf. Das Erweiterungsvorhaben eröffnet neue Wege, um über offene, partizipative Prozesse der Bürgerbeteiligung wirksame Lösungsansätze des Biodiversitätsschutzes zu entwickeln. Nach Auffassung des Wissenschaftsrats bieten die Museen hierfür wichtige Plattformen des Dialogs und der Teilhabe“, erläutert Wagner.
Der Erweiterungsantrag des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) zielt auf die Einführung von aktuellen Technologien ab, die die Wildtierforschung des Instituts auf ein neues Niveau bringen sollen. Das Institut will dafür Forschungsgeräte der neuesten Generation erwerben und Stellen für Personal einrichten, das diese Technologien anwenden kann. Der Einsatz moderner Technologien in den Untersuchungsgebieten des IZW zum Beispiel in Afrika und Südostasien soll eine schnellere Erfassung von Wildtierbeständen, ihrer Wanderungen und ihrer Erkrankungen ermöglichen, und die Untersuchung von Wildtierproben in den Laboren des IZW soll beschleunigt werden. Durch diese Maßnahmen sollen neue Lösungsansätze entwickelt werden, die ein sinnvolles Eingreifen in kritische Entwicklungen bei Wildtierpopulationen ermöglichen. „Durch die strategische Erweiterung wird das Forschungsspektrum des Instituts deutlich verbreitert. Das IZW wird durch die neuen Technologien ausgezeichnete Voraussetzungen erhalten, seine Position in der internationalen Spitzenforschung weiter ausbauen zu können“, so Wagner.
Das Infrastruktur- und Forschungszentrum für lebenswissenschaftliche Daten und Informationen (ZB MED/BIBI) ist eine forschende Infrastruktureinrichtung, die das Ziel hat, in der Funktion eines „Digital Enablers“ Literatur und Forschungsdaten für die Lebenswissenschaften zur Verfügung zu stellen („Service for Science“) sowie passgenaue IT-Lösungen für die Handhabung großer Datenmengen in den Lebenswissenschaften zu entwickeln („Science for Services“). „Gerade in datenintensiven Wissenschaften besteht großer Bedarf an Akteuren, die Infrastrukturleistungen und Forschungsdaten zusammenbringen und zielgruppenspezifische IT-Lösungen für deren Analyse anbieten“, erläutert Wagner. Die Einrichtung hat sich hiermit in das zukunftsträchtige Feld der digitalen Transformation des Wissenschaftssystems zu Open Science begeben. Die guten Forschungsleistungen von ZB MED/BIBI bieten die Voraussetzungen für eine weitere positive Entwicklung der Einrichtung innerhalb der Leibniz-Gemeinschaft. Allerdings empfiehlt der Wissenschaftsrat der Einrichtung, die Breite ihres Aufgabenspektrums zugunsten einer stärkeren Profilierung einzugrenzen und die Rückkopplung an die Zielgruppen zu stärken.
Der Anstoß zu den drei Begutachtungsverfahren ging von der GWK aus. Sie hat den Wissenschaftsrat im Februar 2021 gebeten, das Infrastruktur- und Forschungszentrum für lebenswissenschaftliche Daten und Informationen daraufhin zu begutachten, ob die Einrichtung den Anforderungen für eine Neuaufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft genügt. Zudem sollte er zu der angestrebten strategischen Erweiterung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung, der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Stellung nehmen. Geprüft werden sollten in allen vier Fällen jeweils die wissenschaftliche Qualität der Einrichtung bzw. der Erweiterungsmaßnahme, ihre überregionale Bedeutung und ihre strukturelle Relevanz für das deutsche Wissenschaftssystem insgesamt. Im Ergebnis sollten die vier Anträge in eine Reihung gebracht werden; hierfür stand dem Wissenschaftsrat eine Skala von „exzellent“ über „sehr gut“ und „gut“ bis „nicht hinreichend“ zur Verfügung. Für seine Empfehlungen sollte der Wissenschaftsrat überdies die jeweiligen Stellungnahmen der Leibniz-Gemeinschaft berücksichtigen, die aufgefordert war, den strategischen Nutzen der Einrichtungen bzw. der Erweiterungen für die Leibniz-Gemeinschaft und deren institutionelle Passfähigkeit zu beurteilen.
https://doi.org/10.57674/21ck-pv28 - RGZM/ZBSA
https://doi.org/10.57674/530t-ps77 - SGN
https://doi.org/10.57674/wqn7-yr04 - IZW
https://doi.org/10.57674/ynp2-3s13 - ZB Med/BIBI
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