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12.07.2022 16:23

Warum Erdgas keine Brückentechnologie ist

Stefanie Terp Stabsstelle Kommunikation, Events und Alumni
Technische Universität Berlin

    Ausbau der Erdgas-Infrastruktur gefährde die Energiewende, sagt eine neue Studie unter Beteiligung der TU Berlin

    Der geplante Ausbau der Erdgas-Infrastruktur stelle ein Risiko für die Energiewende dar, da Erdgas keine Brückentechnologie hin zu einem 100 Prozent erneuerbaren Energiesystem im Sinne des Pariser Klimaabkommens ist. Das ist das Ergebnis einer Studie eines interdisziplinären Forschungsteams unter Beteiligung eines Forschers der Technischen Universität (TU) Berlin, die in der Zeitschrift Nature Energy erschienen ist. Die Wissenschaftler*innen stellen dem Gas eine vergleichbar schlechte Klimabilanz aus wie Kohle oder Öl. Sie empfehlen Politik und Wissenschaft, die aktuellen Annahmen über Erdgas zu überarbeiten.

    Im Zuge des russischen Angriffskrieges steht die Regierung in Deutschland vor der Herausforderung, die Energieabhängigkeit von Russland zu reduzieren und weiterhin eine bezahlbare und gesicherte Energieversorgung zu gewährleisten, die im Einklang mit den Klimazielen steht. Aktuell gehen die Bemühungen dahin, russisches Erdgas, dessen Lieferung gedrosselt und unsicher ist, durch den Aufbau neuer Gashandelsbeziehungen und neuer Infrastruktur auszugleichen. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und Leiterin der Studie, erläutert dazu: „Fossiles Erdgas ist weder sauber noch sicher. Das zu lange Festhalten an fossilem Erdgas hat Deutschland in eine Energiekrise geführt, aus der jetzt nur entschlossenes Handeln für eine konsequente Dekarbonisierung führen kann, hin zu einer Vollversorgung aus erneuerbaren Energien.“

    Erdgasnutzung ist nicht per se vorteilhaft gegenüber Kohle und Öl
    Die Forschenden hinterfragen weitverbreitete Annahmen zu Erdgas. Während die Vorstellung des sauberen Energieträgers noch immer weit verbreitet ist, zeigen Forschungsergebnisse, dass die Folgen der Erdgasnutzung auf das Klima erheblich unterschätzt werden und Erdgas keinesfalls per se die bessere Alternative zur Kohle- und Ölnutzung darstellt. „Das Problem ist nicht nur das bei der Verbrennung entstehende CO2, sondern das stark wirksame Treibhausgas Methan, das entlang der kompletten Wertschöpfungskette durch flüchtige Emissionen unverbrannt in die Atmosphäre entweicht. Diese Emissionen wurden bislang nicht ausreichend berücksichtigt und unterschätzt“, erklärt Fabian Präger vom Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik der TU Berlin.

    Das Narrativ der Brückentechnologie ist irreführend
    Zudem stellen die Forschenden fest, dass ein Ausbau von Erdgas-Infrastruktur die Abhängigkeit von fossilen Energien zementiere („Lock-In Effekte“) und auf der anderen Seite ökonomische Risiken berge, wenn eben diese fossilen Vermögenswerte dann im Zuge der Energiewende einen vorzeitigen Wertverlust erfahren („Stranded Assets“). „Die klima- und geopolitische Energiekrise um fossile Brennstoffe unterstreicht die Notwendigkeit eines zeitnahen und konsequenten Erdgasausstiegs, der gesamtgesellschaftlich zu organisieren und umzusetzen ist“, betont Fabian Präger.

    Fünf Maßnahmen
    Die Wissenschaftler*innen schlagen fünf Maßnahmen vor, um die oben genannten Risiken zu vermeiden:

    • Reduzierung von Methan-Emissionen entlang der kompletten Wertschöpfungskette in der bestehenden Erdgas-Infrastruktur
    • Einbeziehung der neuesten Forschungserkenntnisse über die Treibhausgasemissionen in Zusammenhang mit Erdgas in allen Szenarien zur Energiewende und zur Klimaentwicklung
    • Ersetzen des Narrativs der Brückentechnologie durch eindeutige und entschlossene Dekarbonisierungskriterien
    • Kein Bau von neuer Erdgas-Infrastruktur und damit Vermeidung neuer fossiler Abhängigkeiten und Methanlecks
    • Ernsthafte und strikte Einbeziehung klimabezogener Risiken bei der Planung von Energie-Infrastruktur

    Die Studie wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Leuphana Universität Lüneburg in Zusammenarbeit mit Fabian Präger von der TU Berlin sowie Wissenschaftlerinnen von der Ruhr-Universität Bochum und der Europa-Universität Flensburg erstellt. Fabian Präger promoviert am Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik unter der Leitung von Prof. Dr. Christian von Hirschhausen.

    Weiterführende Informationen:

    Link zur Studie:

    Claudia Kemfert, Fabian Präger, Isabell Braunger, Franziska M. Hoffart, Hanna Brauers: The expansion of natural gas infrastructure puts energy transitions at risk, in Nature Energy, 2022, DOI: 1038/s41560-022-01060-3
    https://www.nature.com/articles/s41560-022-01060-3

    Weitere Informationen erteilen Ihnen gern:

    Fabian Präger
    Technische Universität Berlin
    Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik (WIP)
    Straße des 17. Juni 135
    10623 Berlin
    Tel.: +49 (0)30 314-25377
    E-Mail: fpr@wip.tu-berlin.de

    Prof. Dr. Claudia Kemfert
    Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
    E-Mail: sekretariat-evu@diw.de, presse@diw.de


    Weitere Informationen:

    https://www.nature.com/articles/s41560-022-01060-3


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Energie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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