Wenn es um Wissenschaft und Forschung geht, ist oft der Begriff der „grauen Theorie“ nicht weit. Das soll heißen, dass die Erkenntnisse aus Laboren oder von Schreibtischen nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun haben. Dass dies nicht stimmt, beweist beispielsweise Anja-Ursula Hucke. Sie ist Professorin und leitet an der Juristischen Fakultät der Universität Rostock den Lehrstuhl für Wirtschafts- und Unternehmensrecht. Und zeigt auf ganz originelle Weise, wie Theorie und Praxis zusammenwirken können.
Denn die Volljuristin, die in ihrem Berufsleben an vier Universitäten in Deutschland unterrichtete sowie an der Wirtschafts-Uni St. Petersburg, ist neben ihrer Tätigkeit im Hörsaal und in der Forschung seit 2006 im Nebenamt auch am Oberlandesgericht Rostock zu Hause. Regelmäßig streift sie die Richterinnen-Robe über und spricht Recht. Zuständig ist sie für gesellschaftsrechtliche und registerrechtliche Verfahren.
„Meist sind es Streitigkeiten, die seit Jahren schwelen und dann hoch kochen“, sagt die Professorin. Beispielsweise, wenn ein Gesellschafter aus einer GmbH ausgeschlossen werden soll. „Seitdem ich solche Fälle auf dem Tisch habe, war noch nie eine Klage erfolgreich“, sagt Anja-Ursula Hucke. „Es werden strenge Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gestellt, es darf keine mildere Alternative zum Ausschluss geben“, stellt die Juristin klar. Doch vor der Verhandlung muss sie oft zwischen 400 bis 4.000 Seiten starke Akten zu den Hintergründen des Streits studieren. Das OLG ist dann bereits die zweite Instanz, die ein Urteil spricht.
Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts, dem die Professorin angehört, ist im Wesentlichen zuständig für Berufungen und Beschwerden aus den Rechtsgebieten des Bank- und Wertpapierrechts sowie des Handels- und Gesellschaftsrechts einschließlich des Handelsregisterrechts und des Transportrechts.
„Professorin Hucke bereichert die Arbeit des 1. Zivilsenates durch ihre tiefgehenden und umfangreichen Kenntnisse und Erfahrungen in allen Rechtsgebieten, für die der Senat zuständig ist“, unterstreicht der Präsident des Oberlandesgerichts, Kai-Uwe Theede. „Für das Oberlandesgericht ist es ein Gewinn, dass sie die besondere Perspektive einer Hochschullehrerin und Wissenschaftlerin in die gerichtliche Arbeit einbringt. Deshalb und aufgrund ihrer persönlich einnehmenden Art ist ihre Tätigkeit im 1. Zivilsenat aus Sicht des Oberlandesgerichts beispielgebend für ein gelungenes Zusammenwirken von Universität und Justiz“.
Anja-Ursula Hucke schätzt den Kontakt zur Praxis. „Einige Fälle kann ich gut für die Lehre gebrauchen.“ Die Studierenden seien insbesondere angetan von Handelsregisterverfahren. Ein Amtsgericht habe beispielsweise die Eintragung einer Bauer GmbH abgelehnt, weil keiner der Gesellschafter Bauer geheißen habe. „Wir haben im Senat die Eintragung befürwortet, weil es bei einer GmbH nicht auf die Person des einzelnen Gesellschafters für die Haftung ankommt“.
Die Juristin verhehlt nicht, dass sie bei manchen Fällen etwas dazu lerne. „Weil es mir nicht in den Sinn kommt, dass es diese Probleme geben kann“, sagt sie.
Künftig wolle sie sich wieder vermehrt der universitären Forschung zuwenden, wie beispielsweise Fragen nach der Verbesserung der Corporate Governance im Unternehmen. Dass diese bedeutsam sind, habe zuletzt der Fall Wirecard Aufsehen erregend gezeigt.
Text: Wolfgang Thiel
Professorin Anja Hucke
Richterin am Oberlandesgericht Rostock
Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und
Gesellschaftsrecht, Deutsches und Europäisches
Wirtschafts- und Unternehmensrecht
Juristische Fakultät
Universität Rostock
Tel.: + 49 (0) 381 498-8050
anja.hucke@uni-rostock.de
Professorin Anja-Ursula Hucke
Prof. Dr. Peter Ottl
Universitätsmedizin Rostock
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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