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22.07.2022 10:35

Ein Aus-Schalter für die Aggression

Dr. Julia Weiler Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Eine Verbindung im Gehirn, die für aggressives Verhalten entscheidend ist, haben Forschende der Ruhr-Universität Bochum (RUB) mit Kollegen aus Bonn bei Mäusen gefunden. Entscheidend ist der sogenannte P/Q-Typ-Kalziumkanal, der auf den Botenstoff Serotonin reagiert. Dass Serotonin eine Schlüsselrolle bei der Emotionsregulation spielt, ist schon länger bekannt. Aber wie genau aggressives Verhalten entsteht, ist bislang nicht verstanden. Schalteten die Forschenden die Serotonin-vermittelte Verbindung zwischen zwei bestimmten Gehirnregionen aus, verhielten sich die Mäuse weniger aggressiv.

    Das Team um Pauline Bohne und Prof. Dr. Melanie Mark berichtet über die Ergebnisse in der Zeitschrift „Journal of Neuroscience“, online veröffentlicht am 19. Juli 2022.

    Verbindung zwischen Hirnregionen sichtbar gemacht

    Das RUB-Team der Arbeitsgruppe Verhaltensneurobiologie untersuchte mit einem Kollegen der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn einen tief im Gehirn liegenden Kern, den dorsalen Raphe-Kern. Wie die Arbeiten belegten, entsendet dieser Kern Nervenfasern, die auf den Botenstoff Serotonin reagieren, zum ventromedialen Hypothalamus. Diese machten die Forscherinnen mit grün fluoreszierenden Tracerstoffen sichtbar.

    Aggressionen an- und abgeschaltet

    In weiteren Versuchen entfernten die Forschenden den P/Q-Typ-Kalziumkanal bei männlichen Mäusen aus dem dorsalen Raphe-Kern. Die Hirnaktivität in diesem Kern sowie in dem verbundenen ventromedialen Hypothalamus nahm zu – und auch das aggressive Verhalten der Tiere.

    Über genetische Modifikation brachten die Forschenden dann einen veränderten Rezeptor in die Zellen des dorsalen Raphe-Kerns derselben Tiere ein – als Ersatz für den zuvor entfernten P/Q-Typ-Kalziumkanal. Den modifizierten Rezeptor konnten sie mit einem chemischen Molekül hemmen, das normalerweise nicht in Mäusen vorkommt. Mithilfe dieses Moleküls konnten die Forschenden die Aktivität des modifizierten Rezeptors und somit die Aktivität der Nervenzellen im dorsalen Raphe-Kern langsam herunterfahren. So brachten sie das Serotonin-Signal zum Schweigen, das der dorsale Raphe-Kern normalerweise an den ventromedialen Hypothalamus sendet. Auf diese Weise zähmten sie die zuvor aggressiven Mäuse, die sich nun wieder normal verhielten.

    Aggression als Begleiterscheinung psychischer Erkrankungen

    „Die Studie belegt, dass der P/Q-Typ-Kalziumkanal eine wichtige Rolle im Serotonin-System für Aggressionen spielt“, sagt Pauline Bohne. „Er ist somit ein potenzieller Ansatzpunkt, um gewalttätiges Verhalten zu therapieren.“ Als Begleiterscheinung von psychischen Erkrankungen – etwa Angststörungen, Impulskontrollstörungen oder kindlicher bipolarer Störung – wird vermehrt aggressives Verhalten beobachtet. „Menschen mit solchen Erkrankungen, die sich aggressiv verhalten, sind nicht nur eine Gefahr für das Personal in den Kliniken, sondern auch für sich selbst“, so Melanie Mark. „Oft verlängert die Behandlung der Aggression den Klinikaufenthalt und auch die Kosten dafür.“

    Förderung

    Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die Arbeiten im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1280 (Projektnummer 316803389) sowie im Rahmen der Projekte MA 5806/2-1 und MA 5806/1-2.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Melanie Mark
    Arbeitsgruppe Verhaltensneurobiologie
    Fakultät für Biologie und Biotechnologie
    Ruhr-Universität Bochum
    Phone: +49 234 32 27913
    E-Mail: melanie.mark@rub.de


    Originalpublikation:

    Pauline Bohne, Achim Volkmann, Martin K. Schwarz, Melanie D. Mark: Deletion of the P/Q-type calcium channel from serotonergic neurons drives male aggression in mice, in: Journal of Neuroscience, 2022, DOI: 10.1523/JNEUROSCI.0204-22.2022


    Bilder

    Zwei Autorinnen der Studie: Pauline Bohne (links) und Melanie Mark
    Zwei Autorinnen der Studie: Pauline Bohne (links) und Melanie Mark

    RUB, Marquard


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Zwei Autorinnen der Studie: Pauline Bohne (links) und Melanie Mark


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