Invasionen durch Amphibien und Reptilien – wenn sich Arten über die Regionen hinaus ausbreiten, in denen sie heimisch sind – haben die Weltwirtschaft zwischen 1986 und 2020 mindestens 16 Milliarden Euro gekostet. Laut einer heute im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlichten Studie gelten zwei Arten dabei als die größten Kostenverursacher: der Nordamerikanische Ochsenfrosch und die Braune Nachtbaumnatter. Die Ergebnisse des Wissenschaftler*innen-Teams, unter der Leitung von Senckenberg-Forscher Dr. Phillip Haubrock, machen deutlich, dass wirksamere politische Maßnahmen erforderlich sind, um die Ausbreitung aktueller und künftiger invasiver Amphibien und Reptilien zu begrenzen.
Die Braune Nachtbaumnatter (Boiga irregularis) kam durch Einschleppungen auf die westpazifische Insel Guam –wahrscheinlich durch Truppentransporte während des Zweiten Weltkrieges. Durch das Fehlen von natürlichen Feinden vermehrten sich die Schlangen rasant. Heute leben auf der Insel mehr als 10.000 Individuen pro Quadratkilometer. Mit einer verheerenden Wirkung auf die Fauna der Insel: Innerhalb weniger Jahre waren viele Vogelarten und andere Kleintiere der Insel, die als Beutetiere der Schlange in Frage kamen, ausgestorben oder gefährdet. Als Folge der weitreichenden Ausrottung der Vögel – und damit von wichtigen Samenausbreitern – ist nun auch die Flora Guams bedroht. „Gemeinsam mit dem Nordamerikanischen Ochsenfrosch – Lithobates catesbeianus – ist die Braune Nachtbaumnatter von 1986 bis 2020 verantwortlich für einen weltweiten finanziellen Schaden von knapp 16 Milliarden Euro – das sind 96,3 bzw. 99,3 Prozent der Gesamtkosten, die invasive Amphibien und Reptilien in diesem Zeitraum verursacht haben“, erläutert Dr. Phillip Haubrock von der Außenstelle Gelnhausen des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt.
Erstautor und Doktorand Ismael Soto von der University of South Bohemia in České Budějovice und weitere Kolleg*innen haben unter der Leitung von Haubrock die weltweiten Kosten von Amphibien- und Reptilieninvasionen anhand von Daten aus der InvaCost-Datenbank untersucht, in der die wirtschaftlichen Kosten von Arteninvasionen zusammengestellt sind. Die Daten stammen aus von Expert*innen begutachteten Artikeln, Dokumenten auf Webseiten von Regierungen, Hochschulen und Nichtregierungsorganisationen sowie aus weiteren Dokumenten, die von Fachleuten für biologische Invasionen eingeholt wurden. „Unsere Auswertung ergibt, dass sich die Gesamtkosten für die Invasion von Reptilien und Amphibien zwischen 1986 und 2020 auf über 16,5 Milliarden Euro belaufen. Davon entfielen 6,1 Milliarden Euro auf Amphibieninvasionen, 10,1 Milliarden Euro auf Reptilieninvasionen und 0,2 Milliarden Euro auf Invasionen, die sowohl Amphibien als auch Reptilien betreffen“, ergänzt der Senckenberg-Forscher.
Laut der Studie stehen 99,7 Prozent der durch Amphibien verursachten Kosten im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Invasionen, z. B. für die Ausrottung invasiver Arten. 96,6 Prozent der durch Reptilien verursachten Kosten sind dagegen auf Schäden zurückzuführen, die direkt durch die Invasionen verursacht werden, wie beispielsweise Ernteverluste. Invasive Amphibien belasten besonders die Geldbeutel Europas – 96,3 Prozent der wirtschaftlichen Kosten entstehen in europäischen Ländern. Die Länder Ozeaniens und der pazifischen Inseln sind mit 99,6 Prozent der Gesamtkosten vor allem durch Reptilieninvasionen betroffen.
„Unsere Studie zeigt erstmals die weltweit entstehenden Kosten durch die Herpetofauna auf. Die Schäden sind sehr wahrscheinlich noch viel höher, als uns InvaCost aufzeigen kann – es fehlt an Daten, sodass sich die bisherige Erfassung nur auf einige wenige Arten und Regionen konzentriert und auf die letzten Jahrzehnte beschränkt ist. Wir gehen außerdem davon aus, dass die Invasionsraten in Zukunft zunehmen werden – dem wird ein Anstieg der wirtschaftlichen Kosten folgen“, resümiert Haubrock und schlussfolgert: „Die wirtschaftlichen Kosten können durch Investitionen in Maßnahmen zur Begrenzung des globalen Transports invasiver Amphibien und Reptilien und durch frühzeitiges Erkennen von Invasionen reduziert werden. Dies könnte die Notwendigkeit eines langfristigen Managements von invasiven Arten und das Ausmaß der entstandenen Schäden verringern – Vorbeugen ist günstiger als Heilen!“
Dr. Phillip Haubrock
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt
Tel. 06051 61954 3125
phillip.haubrock@senckenberg.de
Ismael Soto, Ross N. Cuthbert, Antonín Kouba, César Capinha, Anna Turbelin, Emma J. Hudgins, Christophe Diagne, Franck Courchamp & Phillip J. Haubrock (2022): Global economic costs of herpetofauna invasions. Scientific Reports, 12:10829 https://doi.org/10.1038/s41598-022-15079-9
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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