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15.08.2022 16:42

Territorium & Autonomie in der russischen Geschichte: Dr. Stefan Kirmse (ZMO) zur territorialen Organisation Russlands.

Dr. Sonja Hegasy Leibniz-Zentrum Moderner Orient (ZMO)
Geisteswissenschaftliche Zentren Berlin e.V. (GWZ)

    In welchem Maße, wann und warum hatten die russischen und sowjetischen Behörden regionale und nationale Autonomiegebiete auf ihrem expandierenden Territorium? Und existieren heute noch territoriale Autonomien in Russland?
    Dr. Stefan B. Kirmse vom Leibniz-Zentrum Moderner Orient (ZMO) geht diesen Fragen in einem ZMO Working Paper (Nr. 34, 2022) auf den Grund. Er liefert darin einen kompakten und für das Verständnis heutiger Konflikte hilfreichen Überblick über die territoriale Organisation und Autonomie in Russland vom Zarenreich bis zur Gegenwart.

    Für Interviews mit Medienvertreter*innen zu diesem Thema steht Stefan Kirmse zur Verfügung.

    Autonome Gebiete sind seit Jahrhunderten zentrale Bestandteile der russischen Geschichte. In der Historie des Landes wurden viele Anläufe einer Dezentralisierung und sogar einer Föderalisierung der staatlichen Macht unternommen. Doch warum waren Prozesse der Dezentralisierung nie von langer Dauer? Stefan B. Kirmse hebt in seinem Arbeitspapier „Territorial organisation and autonomy in Russian history“ entscheidende Wendepunkte und Ereignisse im geschichtlichen Verlauf Russlands hervor, welche Autonomie und Vielfalt hervorbrachten, diese aber auch früher oder später zum Scheitern führten. Sein Beitrag ermöglicht, die heutige territoriale Organisation Russlands, die nur formal existiert und auch nur solange sie nicht den zentralen politischen Kurs beeinträchtigt, zu verstehen und ins aktuelle Weltgeschehen einzuordnen.

    Während des russischen Kaiserreichs waren eine Dezentralisierung der Macht oder gar Föderalismus keine Option auf russischem Territorium. Der Erste Weltkrieg und die Russische Revolution sind Wendepunkte in der russischen Geschichte. Zu diesem Zeitpunkt erklärten diverse Länder wie Finnland oder Polen ihre Unabhängigkeit vom Zarenreich, auf dessen Territorium 1922 die Sowjetunion entstand. Diese praktizierte eine Art ethno-nationalen Föderalismus. Weitere Aspekte in Kirmses Aufsatz sind schließlich die Gründung der Russischen Föderation und die Politik Putins seit 1999/2000. Entscheidend war dabei eine neue föderale Superstruktur, bestehend aus sieben föderalen Bezirken (acht seit 2010) und Bevollmächtigten des Präsidenten, die direkt dem Zentrum unterstellt sind. Putin schuf diese Struktur hauptsächlich, um die Macht der regionalen Führer zu beschneiden. Kirmse vergleicht die territoriale Organisation und Prozesse der Dezentralisierung mit anderen westlichen Staaten und berücksichtigt auch den Einfluss des Kolonialismus auf die offizielle territoriale Organisation Russlands. Dabei stellt er beispielsweise fest, dass das Zarenreich im Gegensatz zu anderen Mächten des 19. Jahrhunderts keine „Kolonisationsgebiete“ als rechtlichen Status einführte. Erst in der Sowjetzeit wurden Republiken, autonome Republiken, autonome Bezirke usw. mit generellen Rechten und Pflichten ausgestattet.

    PD Dr. Stefan B. Kirmse ist Senior Research Fellow am ZMO. Der Osteuropahistoriker habilitierte an der Humboldt Universität zu Berlin in Neuerer und Neuester Geschichte. Sein regionaler Schwerpunkt liegt auf Russland, der Schwarzmeerregion, Zentralasien und dem Kaukasus. Sein 2019 erschienenes Buch „The Lawful Empire. Legal Change and Cultural Diversity in Late Tsarist Russia” (Cambridge University Press, seit 2022 auch als Taschenbuch) basiert auf umfangreichen Archivrecherchen in Russland und der Ukraine. Am 02.08.2022 erschien ein Gastbeitrag Kirmses im Tagesspiegel zum Thema „Alleingelassen am Aralsee – Blutige Unruhen in Karakalpakstan: International wenig beachtet, zeugen sie vom schwierigen ethnopolitischen Erbe der Sowjetunion“.

    Die ZMO Working Paper sind eine hauseigene Publikationsreihe, die Entwicklungen und Diskussionen aus ZMO-Forschungsprojekten dokumentieren und reflektieren.

    Interviewanfragen bitte an Sonja Hegasy: sonja.hegasy@zmo.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    PD Dr. Stefan Kirmse


    Weitere Informationen:

    http://plus.tagesspiegel.de/wissen/folgen-des-zerfalls-der-udssr-alleingelassen-... Alleingelassen am Aralsee – Blutige Unruhen in Karakalpakstan: International wenig beachtet, zeugen sie vom schwierigen ethnopolitischen Erbe der Sowjetunion
    http://www.zmo.de/personen/pd-dr-stefan-b-kirmse Webseite PD Dr. Stefan B. Kirmse
    http://www.zmo.de/publikationen/zmo-studien/zmo-working-papers ZMO Working Paper


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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