Durch technischen Fortschritt ist es heute möglich, eine nahezu unbegrenzte Menge an Informationen und Daten zu speichern. Davon machen wir alle auch regen Gebrauch. Wirtschaftswissenschafler*innen und Psycholog*innen der Universität Innsbruck und der Carnegie Mellon University (USA) zeigen nun in einer im Fachjournal PNAS veröffentlichten Studie, dass wir an Informationen genauso hängen wie an physischen Gegenständen.
Dass Informationen – und daraus abgeleitete persönliche Überzeugungen oder Meinungen – für uns wichtig sind, zeigt sich schon im Sprachgebrauch: „Wir beschreiben unsere Bindung an persönliche Überzeugungen zum Beispiel als Festhalten oder Loslassen von etwas – man löst sich von einer lange gehaltenen Überzeugung oder hält an einer Meinung fest“, erläutert Yana Litovsky, PhD, vom Institut für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck. Während allerdings die persönliche Bewertung von Geld und materiellen Gütern in der Wirtschaftswissenschaft bereits ausgiebig untersucht wurde, hat sich bislang nur wenig Forschung auf die Ähnlichkeit der Bewertung von Gütern und Informationen konzentriert – eine Lücke, die Yana Litovsky und Kolleg*innen der Carnegie Mellon University (CMU) mit einer kürzlich in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) publizierten Studie schließen wollen.
Spieltheorie
Der gängigen Lehrmeinung in den Wirtschaftswissenschaften und der Spieltheorie zufolge bewerten Menschen Informationen nur in dem Maß, wie diese Informationen Entscheidungen unterstützen, die zu (auch materiell) besseren Ergebnissen führen. Dieser Blick erklärt jedoch nicht vollständig, wie Einzelne mit Informationen umgehen: Wir sind zum Beispiel bereit, auch für Informationen ohne greifbaren Nutzen für uns zu bezahlen, etwa für Klatschmagazine. Außerdem neigen wir dazu, Informationen zu vermeiden, von denen wir glauben, dass sie unseren Überzeugungen widersprechen und konsumieren nur Nachrichten von uns genehmen Quellen – selbst wenn diese Informationen objektiv nützlich für uns sein könnten.
Informationen werden wie Güter gesehen
In drei Studien mit mehr als tausend Teilnehmer*innen konnten die Forscher*innen nachweisen, dass Menschen Informationsgewinne und -verluste wie Gewinne und Verluste von Gütern behandeln: als geschätzten Besitz. Die Verlustaversion (die Tendenz, Verluste bedeutender einzuschätzen als gleichwertige Gewinne) und der Endowment-Effekt (die Tendenz, Objekte, die wir besitzen, höher zu schätzen als identische Objekte, die uns nicht gehören) gelten nicht nur für Geld und materielle Güter, sondern auch für Informationen – sogar für weitgehend nutzlose Informationen, etwa zufällige Wissenslücken.
Die drei Studien konzentrierten sich zwar auf für Einzelne weitgehend irrelevante Informationen, aber die Autor*innen gehen davon aus, dass die Ergebnisse auch auf wichtige Informationen umgelegt werden können. „In Situationen, in denen Menschen wichtige Informationen erwerben sollen, kann das Wissen um dieses Verhalten durchaus relevant sein, zum Beispiel im Bildungs- oder im Gesundheitsbereich“, erläutert Yana Litovsky. Die Ergebnisse sind auch in Bezug auf den Online-Datenschutz relevant – wenn man beispielsweise versteht, ob und wann Verbraucher*innen persönliche Informationen als Besitz betrachten, kann das auch helfen, ihre Einstellungen gegenüber der Sammlung und Weitergabe solcher Informationen durch Unternehmen und Regierungen zu verstehen. „Dass wir nun Verlustaversion und Endowment-Effekt für Informationen identifiziert haben, kann im digitalen Zeitalter besonders wichtig sein: Der heute beispiellose Zugang zu Informationen hat die Art, wie wir diese Informationen bewerten, verkompliziert und kann sie auch verändern.“
Die Forschung wurde vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF unterstützt.
Yana Litovsky, PhD
Institut für Banken und Finanzen
Universität Innsbruck
Tel.: +43 512 507-73018
E-Mail: yana.litovsky@uibk.ac.at
Litovsky/Loewenstein/Horn/Olivola: Loss aversion, the endowment effect, and gain-loss framing shape preferences for noninstrumental information, PNAS Vol. 119, No. 34, August 23, 2022, DOI: 10.1073/pnas.2202700119 https://dx.doi.org/10.1073/pnas.2202700119
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Psychologie, Wirtschaft
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