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06.09.2022 11:45

„Philosophie der Einsamkeit“ - Der Philosophische Buchpreis 2022 geht an den norwegischen Philosophen Lars Svendsen

Marvin Dreiwes Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Forschungsinstitut für Philosophie Hannover

    Das Buch „Philosophie der Einsamkeit“ (3., aktualisierte Aufl., S. Marix Verlag 2022) des Philosophen Lars Svendsen wird mit dem Philosophischen Buchpreis 2022 ausgezeichnet. Das Thema des diesjährigen Buchpreises lautet „Existenz und Einsamkeit“.

    Das Buch von Lars Svendsen steht quer zu den gegenwärtigen Debatten über Einsamkeit, weil es unsere Plausibilitäten in Frage stellt. Selbstverständlich, so der Autor, sei Einsamkeit unangenehm, auch schmerzhaft, aber sie lasse sich nicht vermeiden. Als bindungsfähige Wesen könnten wir gar nicht der Erfahrung von Einsamkeit entgehen. Dabei heroisiert Svendsen Einsamkeit keineswegs. Er weiß, dass es Formen der Einsamkeit gibt, die sich nicht bewältigen lassen und chronisch werden. Svendsen wendet sich jedoch gegen eine oberflächliche Ansicht, die in der Einsamkeit nur ein krankhaftes Phänomen zu erblicken vermag. Im Zentrum seiner philosophischen Reflexionen steht nicht in erster Linie das Alleinsein, sondern Einsamkeit als ein Gefühl, das häufig mit Scham verbunden sei.
    Svendsen plädiert für eine Einsamkeitsfähigkeit. Einsamkeit könne nämlich nicht nur Einsichten verdecken, sie habe auch das Potenzial, diese zu ermöglichen. Die Kultivierung einer solchen Einsamkeit liegt dem Philosophen am Herzen. Svendsens Buch gibt zu denken. Es ist mehr als eine Erinnerung an philosophische Erkenntnisse, auch mehr als eine fundierte philosophische Einführung in die Thematik, es ist vor allem eine Einladung an Leser*innen – Philosoph*innen und Nichtphilosoph*innen –, sich mit der existentiellen Bedeutung von Einsamkeit auseinander zu setzen. Dabei lässt sich Buch recht mühelos und auch mit Vergnügen lesen.

    Lars Svendsen ist Professor für Philosophie an der Universität Bergen (NOR), seine Bücher wurden bereits in mehrere Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet.

    Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert und wird in einer öffentlichen Feierstunde am Freitag, den 16. September 2022, um 19.30 Uhr in der Dombibliothek in Hildesheim durch den Vorstandsvorsitzenden der Stiftung „Forschungsinstitut für Philosophie Hannover“, Prof. Dr. Ulrich Hemel, überreicht. Die Laudatio wird Privatdozent Dr. Jörg-Dieter Wächter (Universität Hildesheim/Bistum Hildesheim) halten. Für die Veranstaltung ist eine Anmeldung erforderlich (hergemoeller@fiph.de). Teile der Veranstaltung werden im Nachgang auf dem Vimeo-Kanal des Forschungsinstituts (https://vimeo.com/channels/fiph) abrufbar sein.


    Mitglieder der Jury:

    Prof. Dr. Ulrich Hemel (Universität Regensburg), Prof. Dr. Markus Kotzur (Universität Hamburg), Prof. Dr. Armin Nassehi (Ludwig-Maximilians-Universität München), Prof. Dr. Birgit Recki (Universität Hamburg), PD Dr. Jörg-Dieter Wächter (Universität Hildesheim/Bistum Hildesheim), Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig (Universität Passau)

    Der Philosophische Buchpreis wird alle zwei Jahre vom Forschungsinstitut für Philosophie Hannover vergeben. Damit möchte das fiph die Aufmerksamkeit auf drängende philosophische Gegenwartsfragen lenken. Die Nominierung der Titel erfolgt durch die Buchverlage. Ausgezeichnet wird jeweils die beste Neuerscheinung der letzten drei Jahre zu einem aktuellen Themenbereich der praktischen Philosophie.

    Frühere Preisträger*innen:

    2010
    Prof. Dr. Andreas Lienkamp (Universität Osnabrück): „Klimawandel und Gerechtigkeit. Eine Ethik der Nachhaltigkeit in christlicher Perspektive“ (Paderborn: Schöningh 2009)

    2012
    Prof. Dr. Avishai Margalit (Hebrew University/Princeton University): „Über Kompromisse und faule Kompromisse“ (Berlin: Suhrkamp 2011)

    2014
    Dr. Sascha Dickel (Technische Universität München): „Enhancement-Utopien. Soziologische Analysen zur Konstruktion des Neuen Menschen“ (Baden-Baden: Nomos 2011)

    2016
    Prof. Dr. Albrecht Koschorke (Universität Konstanz): „Hegel und wir“ (Berlin: Suhrkamp 2015)

    2018
    Dr. Isolde Charim (Wien): „Ich und die Anderen. Wie die neue Pluralisierung uns alle verändert“ (Paul Zsolnay Verlag 2018)

    2020
    Dr. Michael Frey (Berlin): „Liberalismus mit Gemeinsinn. Die politische Philosophie Nassif Nassars im libanesischen Kontext“ (Velbrück Wissenschaft 2019)

    Ausschreibungstext 2022:

    Existenz und Einsamkeit
    Einsamkeit ist eines der drängendsten gesellschaftspolitischen Probleme. Gegenwärtig werden nicht mehr nur die individualpsychologischen, sondern zunehmend auch die sozialpsychologischen Folgen von Einsamkeit diskutiert. Phänomene wie Querdenker, Gelbwesten oder Proud Boys erscheinen als Produkt von Einsamkeit. Dass Einsamkeit nicht nur Auslöser von Aggressionsaffekten ist, in deren Folge es auch zu Gewalttaten kommen kann, zeigt ein Blick auf die sogenannten Incels, unfreiwillig zölibatär lebende Männer, die ihre Frauenfeindlichkeit in Gewaltphantasien ausagieren, welche wiederum Anschläge provozieren.
    Einsamkeit in ihren vielen Facetten lastet schwer auf den von ihr betroffenen Menschen. Sie ist häufig schambehaftet: Wer mag sich schon als „einsam“ bezeichnen? Einsamkeit blockiert Aktivitäten. Sie führt Menschen in die Isolation – ein Phänomen, das sich durch die Corona-Pandemie verschärft hat, allerdings bereits vorher insbesondere im Kontext der Digitalisierung von Lebenswelten diagnostiziert wurde. Gerade der Blick auf die Digitalisierung zeigt, dass es im Blick auf Einsamkeit auch um Prozesse der Selbstisolierung geht, um Rückzüge, die häufig depressive Verstimmtheiten verursachen.
    Aber Einsamkeit ist nicht nur Mangel. Sie kann auch anderes als eine bloße Isolation bezeichnen. Sie vermag zum Ort des Zwiegesprächs der Seele mit sich selbst (Platon) und damit zum Ort des Denkens zu avancieren. Eine solche Einsamkeit ist eine notwendige Bedingung bewusster Existenz. Sie ist ein Mittel gegen eine kommunikative Dauerdiffusion, die unsere Aufmerksamkeitsfähigkeit zerstört. Solche Einsamkeit steht für Freiheit. Sie schützt nicht nur vor dem Mittun des Bösen, sie ist die Voraussetzung des Zusammenseins mit sich und mit anderen.
    Nicht bloße Darstellungen philosophischer, kultur- und sozialwissenschaftlicher Forschungen stehen im Zentrum des Buchpreises, sondern ein informiertes Bedenken und Weiterdenken in praktisch-philosophischer Absicht.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Jürgen Manemann
    Forschungsinstitut für Philosophie Hannover
    Gerberstr. 26
    30169 Hannover
    Tel. 0511-1640910
    E-Mail: hergemoeller@fiph.de


    Weitere Informationen:

    https://fiph.de/Veranstaltungen/2022/Buchpreis_2022.php


    Bilder

    Anhang
    attachment icon Die Pressemitteilung als PDF

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Philosophie / Ethik, Politik
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wettbewerbe / Auszeichnungen
    Deutsch


     

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