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12.05.2004 14:41

Archäologen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz nehmen Grabungen am See Gennesaret wieder auf

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Mainz ist führende Universität für Grabungen in Israel. Projekt auf zwölf Jahre angelegt. Interessierte können an Grabungen teilnehmen.

    Der See Gennesaret ist vielleicht der bekannteste See auf der ganzen Welt. Im Hebräischen heißt er eigentlich "See von Kinneret" und ist nach einer Ortschaft am Nordwestufer des Sees benannt. Dieser Ort war im 2. und frühen 1. Jahrtausend v.Chr. die größte Ortslage am Ufer des Sees und gab ihm daher den Namen. Er liegt ziemlich genau auf dem halben Wege zwischen Magdala und Kapernaum in einem quellenreichen Gebiet. Unmittelbar neben dem Siedlungshügel wurde im 4. Jahrhundert n.Chr. in et-Tabgha eine Kirche erbaut, die an das Speisungswunder des Neuen Testaments erinnern soll. Das Seminar für Altes Testament und Biblische Archäologie (Fachbereich Evangelische Theologie) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz will zusammen mit den Universitäten in Helsinki und Bern die Ausgrabungen an diesem für die Geschichte Israels so wichtigen Siedlungshügel wieder aufnehmen. Mainz ist mit diesen und anderen Aktivitäten die führende Universität in Deutschland für Grabungen in Israel.

    Schon mehrfach wurden an diesem Ort wissenschaftliche Ausgrabungen durchgeführt, auf katholischer Seite bereits 1932 und 1939. Eine erste neuerliche Serie von Ausgrabungen fand dann von 1982 bis 1985 unter der Leitung des evangelischen Theologen und Archäologen Volkmar Fritz (damals Universität Mainz) statt. Die Ergebnisse seiner ersten Grabungsaktivitäten in Kinneret waren beachtlich. Vor allem Teile der Siedlung der Richter- und der Königszeit wurden freigelegt. So zeigte sich, dass nach einer längeren Siedlungspause der Ort um 1200 v.Chr. wieder neu gegründet worden war und bis zu seiner Zerstörung durch die Assyrer 733 v.Chr. bestand (2 Könige 15,29). Es stellte sich heraus, dass Kinneret um 1200 v.Chr., als fast alle großen Städte des Landes aufgegeben wurden und die Menschen statt dessen in kleinen Dörfern wohnten, eine mächtige städtische Neugründung war. Damit hat diese Ortslage eine nahezu singuläre Stellung im ganzen Land. Teile der Wohnbebauung aus jener Zeit wurden bei den Grabungen freigelegt, aber auch die Toranlage. Ein großes Pfeilerhaus wurde vielleicht als Stall, vielleicht aber auch als Kaserne oder als Markt- oder Lagergebäude genützt. Der herausragende Fund dieser Grabungen war eine Salbschale, an der im Altertum ein Tierbalg befestigt war. Die Salbe in dem Balg floss in die Salbschale, so dass man sich einsalben konnte. Während die meisten anderen Fundstücke dieser Art aus schwarzem Steatit gefertigt sind, fasziniert das Exemplar aus Kinneret durch seine dunkle blaue Farbe.

    Von 1994 bis 1999 fanden neuerliche Grabungen statt, wieder geleitet von Volkmar Fritz, nun aber in seiner Funktion als Leiter des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes. Diese zweite Serie von Grabungen führte dazu, dass man die Siedlungsschichten aus dem 2. Jahrtausend v.Chr. näher klären konnte. Inzwischen steht auch fest, dass der Ort zu Beginn des 3. Jahrtausends v.Chr. gegründet wurde. Die Publikation der Funde dieser Grabungskampagnen steht unmittelbar vor dem Abschluss.

    Universität Mainz als Zentrum für die Ausgrabungen am See Gennesaret

    Mit seiner Pensionierung übergab Volkmar Fritz die Grabungsleitung an seine Schüler Jürgen Zangenberg (Wuppertal/Mainz), Stefan Münger (Bern) und Juha Pakkala (Helsinki). An der Universität Mainz wurde inzwischen ein Zentrum für die Ausgrabungen eingerichtet. Dort befinden sich die gesamten bisherigen Grabungsunterlagen, aber auch die deutschen Anteile an den Funden, alle Fotos und Pläne und die Bibliothek von Volkmar Fritz, die von einem Sponsor angekauft und dem Seminar zur Verfügung gestellt wurde. Hier sollen auch in Zukunft die Grabungen koordiniert und aufgearbeitet werden. Mainz ist mit diesen und anderen Aktivitäten die führende Universität in Deutschland für Gra-bungen in Israel.

    Erstmals zusammenhängende Forschungen

    Nach einer ersten kleinen Kampagne im Jahre 2003 sollen ab 2004 über einen Zeitraum von zwölf Jahren noch einmal intensive Untersuchungen vorgenommen werden. Die Ziele für diese neuerliche Grabungsaktivität sind dabei
    vielfältig. Nun soll nicht nur der Siedlungshügel im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen, sondern die ganze Umgebung. Das Gebiet am Nordwestufer des See Gennesarets wurde zwar immer wieder in Einzeluntersuchungen erfasst, aber nie wirklich zusammenhängend erforscht. Dies verwundert um so mehr, als sich hier jedes Jahr unzählige Touristen aufhalten, um auf den Spuren Jesu zu wandeln. In Kapernaum war er zuhause. Wenn er nach Magdala, der nächsten Siedlung gehen wollte, musste er an Kinneret vorbeigehen. Und die besten Fischfanggründe am See Gennesaret liegen unmittelbar bei dieser antiken Ortslage. Von daher bietet es sich zwangsläufig an, auch nach kleineren Bauanlagen in der Region zu suchen, die etwas über die Geschichte der gan-zen Region erzählen können.

    Rätsel um historischen David lösen

    Daneben sollen aber vor allem die Handelsbeziehungen des Ortes geklärt werden. Im letzten Jahr wurde wunderschöne phönizische Keramik gefunden, die auf intensive Beziehungen zur Mittelmeerküste hinweist. Es wird auch vermutet, dass hier anfangs Aramäer siedelten, die erst von David vertrieben wurden. Vielleicht führen die neuerlichen Grabungen dazu, ein Stück weit das Rätsel um den historischen David zu lösen. Aber auch die älteren, bislang nur sehr wenig erfassten Siedlungsschichten an diesem Ort sollen stärker mit Mittelpunkt der Untersuchungen stehen.

    Interessierte können an Grabungen teilnehmen

    Geplant ist auch, dass nicht nur Wissenschaftler und Studenten an den Gra-bungen teilnehmen können, sondern jeder, der sich dafür interessiert. Neben der aktiven Mitarbeit an der Grabung erhält man auch noch intensive Schulungen über die Archäologie und die Geschichte des Landes. Die Kosten für die Unterkunft in einer nahe gelegenen Jugendherberge und für die Verpflegung müssen dabei selbst aufgebracht werden. Sie belaufen sich für einen Zeitraum von vier Wochen (1.-28. August) auf insgesamt 1000 Euro. Hinzu kommt noch der Flug. Alle nötigen Informationen hierzu erhält man über das Internet (www.kinneret-excavations.org). Aber auch das Reisebüro Biblische Reisen Stuttgart bietet eine zweiwöchige Beteiligung an den Ausgrabungen, verbunden mit einer einwöchigen Rundreise durch das Land, an.

    Eine erste Zusammenfassung des bislang bekannten Wissens um den Ort und die ganze Landschaft am See Gennesaret haben die Forscher inzwischen in einem populärwissenschaftlichen Band veröffentlicht (G. Faßbeck u.a., Leben am See Gennesaret, Mainz 2003). Geplant ist auch eine Ausstellung, die die bisherigen Ergebnisse in absehbarer Zeit einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren soll.

    Spender und Stifter gesucht

    Die Grabung in diesem Jahr ist finanziell abgesichert dank der Unterstützung der beteiligten Universitäten. Da aber das Geld an den Universitäten immer knapper wird, sind sowohl die Fortsetzung der Grabungen im kommenden Jahr und als auch die wissenschaftliche Aufarbeitung jedoch noch völlig ungesichert. So sucht die Johannes Gutenberg-Universität Mainz derzeit dringend Personen, die mit Hilfe einer Stiftung oder einer Spende die Grabungen unterstützen.

    Informationen bietet Prof. Dr. Wolfgang Zwickel, Tel. 06131/3922685, e-mail: zwickel@uni-mainz.de. Dort erhält man auch weitere Informationen über die Grabung und eine Mitarbeit.


    Bilder

    Salbschale aus Ägyptisch-Blau
    Salbschale aus Ägyptisch-Blau

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Kunst / Design, Musik / Theater, Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Salbschale aus Ägyptisch-Blau


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