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07.09.2022 09:38

Sportrunde drehen statt Social-Media-Story sehen

Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Wer täglich 30 Minuten weniger auf Sozialen Kanälen verbringt und sich stattdessen bewegt, tut viel für seine psychische Gesundheit. Das zeigt eine Studie des Teams vom Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit der Ruhr-Universität Bochum um Privatdozentin Dr. Julia Brailovskaia. Versuchspersonen, die sich zwei Wochen lang daran hielten, fühlten sich glücklicher, zufriedener, weniger durch die Covid-19-Pandemie belastet und weniger depressiv als eine Kontrollgruppe. Diese Effekte hielten bis zum Ende der Studie nach sechs Monaten an. Die Forschenden berichten in der Zeitschrift Public Health vom 2. September 2022.

    Die Kehrseite von Social Media

    In Zeiten von Lockdowns und Kontaktbeschränkungen wegen der Covid-19-Pandemie haben Social-Media-Kanäle wie Instagram, TikTok, Facebook, Twitter oder WhatsApp dafür gesorgt, dass wir uns trotzdem mit anderen verbunden fühlen konnten. Sie lenkten ab von den Belastungen der Pandemie, die bei vielen Menschen zu Ängsten, Unsicherheiten und Hoffnungslosigkeit geführt haben. Doch Social-Media-Konsum hat auch Nachteile. Die intensive Nutzung kann zu suchtartigem Verhalten führen, das sich zum Beispiel in emotionaler Abhängigkeit äußert. Hinzu kommen Fake News und Verschwörungstheorien, die sich auf Sozialen Kanälen unkontrolliert verbreiten können und für noch mehr Ängste sorgen.

    „Angesichts der Unklarheit, wie lange die Coronakrise noch dauern würde, wollten wir wissen, wie man dazu beitragen kann, die psychische Gesundheit der Menschen mit möglichst kostenfreien und niederschwelligen Angeboten zu schützen“, erklärt Julia Brailovskaia. Um herauszufinden, ob die Art und Dauer der Nutzung Sozialer Medien dazu beitragen kann, führte sie im Rahmen ihres Fellowships am Center for Advanced Internet Studies (CAIS) eine experimentelle Studie durch.

    Ein zweiwöchiges Experiment

    Sie und ihr Team gewannen insgesamt 642 Versuchspersonen, die sie zufällig je einer von vier etwa gleich großen Gruppen zuteilten. Die erste Gruppe reduzierte während einer Interventionsphase von zwei Wochen ihren täglichen Social-Media-Konsum um 30 Minuten. Da aus vorangegangenen Studien bekannt war, dass körperliche Bewegung das Wohlbefinden steigern und depressive Symptome reduzieren kann, steigerte die zweite Gruppe in diesem Zeitraum die Dauer körperlicher Aktivität um 30 Minuten täglich, während sie weiterhin unverändert oft und lange Soziale Medien nutzte. Die dritte Gruppe kombinierte beides, verringerte also den Social-Media-Konsum und steigerte die körperliche Aktivität. Eine Kontrollgruppe änderte ihr Verhalten während der Interventionsphase nicht.

    Vor, während und bis zu sechs Monate nach der zweiwöchigen Interventionsphase gaben die Teilnehmenden über Online-Fragebögen Auskunft über die Dauer, Intensität und emotionale Bedeutung ihrer Social-Media-Nutzung, körperliche Aktivität, ihre Lebenszufriedenheit, ihr subjektives Glücksgefühl, depressive Symptome, die psychische Belastung durch die Covid-19-Pandemie sowie über ihren Zigarettenkonsum.

    Gesund und glücklich im Zeitalter der Digitalisierung

    Die Ergebnisse des Experiments zeigten deutlich, dass sowohl die Reduktion der täglichen Zeit auf Social Media als auch die Steigerung körperlicher Aktivität das Wohlbefinden positiv beeinflussen. Besonders die Kombination aus beidem steigert die Lebenszufriedenheit und das subjektive Glücksgefühl und mindert depressive Symptome. Und diese Effekte halten lange an: Noch sechs Monate nach Ende der zweiwöchigen Interventionsphase verbrachten die Teilnehmenden aller drei Interventions-Gruppen weniger Zeit auf Social Media als zuvor: eine gute halbe Stunde die Gruppen, die entweder Social-Media-Zeit reduziert oder ihre tägliche Bewegung gesteigert hatten, eine gute Dreiviertelstunde sogar die Teilnehmenden der Gruppe, die beide Maßnahmen kombiniert hatte. Letztere bewegte sich ein halbes Jahr nach Ende der Intervention jede Woche eine Stunde und 39 Minuten mehr als vor dem Experiment. Ebenso erhielt sich der positive Einfluss auf die psychische Gesundheit über die gesamte Nachbeobachtungszeit.

    „Das zeigt uns, dass es wichtig ist, von zu Zeit zu Zeit die eigene Online-Erreichbarkeit einzuschränken und zu den menschlichen Wurzeln zurückzukehren“, fasst Julia Brailovskaia zusammen. „Diese Maßnahmen sind einfach umzusetzen und kosten nichts – helfen aber, im digitalen Zeitalter glücklich und gesund zu bleiben.“

    Förderung

    Die Arbeiten wurden gefördert durch das Center of Advanced Internet Studies (CAIS).


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Privatdozentin Dr. Julia Brailovskaia
    Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: +49 234 32 21506
    E-Mail: julia.brailovskaia@rub.de


    Originalpublikation:

    Julia Brailovskaia, Verena J. Swarlik, Georg A. Grethe, Holger Schillack, Jürgen Margraf: Experimental longitudinal evidence for causal role of social media use and physical activity in COVID-19 burden and mental health, in: Journal of Public Health, 2022, 10.1007/s10389-022-01751-x, https://link.springer.com/article/10.1007/s10389-022-01751-x


    Weitere Informationen:

    http://Podcast-Folge zum Thema bei CAIS: https://www.cais.nrw/caiszeit-podcast-10-social-media-und-psychische-gesundheit/


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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