idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
07.09.2022 15:16

Personalisierte Antibiotika-Behandlungsstrategien bei Tuberkulose-Erkrankten

Dr. Nicola Wittekindt Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung

    Mit geschätzt 1.4 Millionen Todesfällen und zehn Millionen Erkrankten jährlich ist Tuberkulose eine der häufigsten Todesursachen weltweit. Resistente und multiresistente (MDR) Varianten des Tuberkuloseerregers Mycobacterium tuberculosis stellen eine große Gefahr für die Kontrolle der Tuberkulose und die globale Gesundheit dar. Um Erkrankte zielgerichtet behandeln und die Übertragung von Antibiotika-resistenten Tuberkulosebakterien erfolgreich eindämmen zu können, ist die rasche Erkennung dieser patientenspezifischen Resistenzmuster daher von entscheidender Bedeutung – ein Ziel, dem DZIF-Wissenschaftler:innen nun einen großen Schritt nähergekommen sind.

    Mutationen im Erbgut von multiresistenten (MDR) M. tuberculosis-Bakterien kommen bei MDR-Tuberkulose-Patient:innen in unterschiedlichen Kombinationen vor. In einer in der Fachzeitschrift Lancet Microbe vorgestellten internationalen Studie gelang es DZIF-Forschenden nun, mithilfe einer bakteriellen Genomanalysetechnik patientenspezifische Resistenzmuster zu erkennen. Die Bestimmung dieser Resistenzmuster kann zukünftig als Grundlage für die gezielte personalisierte Behandlung Tuberkulose-Erkrankter dienen.

    In der multizentrischen Beobachtungsstudie sequenzierten DZIF-Wissenschaftler:innen des Forschungszentrums Borstel und des Universitätsklinikums Heidelberg die Genome einer großen Anzahl klinischer M. tuberculosis-Isolate aus der ganzen Welt. Dabei fanden die Forschenden, dass bestimmte Veränderungen (Mutationen) im Bakterien-Genom mit der Wirksamkeit von Antibiotika bei den betreffenden Tuberkulose-Erkrankten eng korrelierten. Die Identifizierung bestimmter Mutationen im Bakterien-Genom ermöglicht daher potentiell eine Vorhersage darüber, welche Antibiotika bei einem Patienten noch wirken, beziehungsweise, ob die Dosis erhöht werden sollte. Mit diesem Wissen lässt sich der Erfolg der initialen Antibiotikatherapie steigern und die weitere Übertragung des Erregers verhindern.

    “Diese großangelegte Studie ist das Resultat einer engen Zusammenarbeit zwischen DZIF-Wissenschaftler:innen in Borstel und Heidelberg, der globalen Diagnostik Allianz FIND, und Partnern in fünf Ländern, in denen Tuberkulose hochgradig endemisch ist. Die Sequenz-Analyse ermöglicht uns ein besseres Verständnis der genetischen Grundlagen für Resistenzen gegen Tuberkulosemedikamente und deshalb eine schnellere, personalisierte Tuberkulose-Behandlung,“ resümiert PD Dr. Claudia Denkinger, Letztautorin der Publikation.

    „Wir haben in der vergleichenden Genomanalyse zum Beispiel auch Veränderungen im Erbgut der Bakterien beobachtet, die nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen bei der klassischen – auf Bakterienkulturen-basierenden – Resistenztestung führen, aber möglicherweise die Therapie beeinflussen können“, sagt Dr. Matthias Merker, einer der Erstautoren der Studie und Schleswig-Holstein Excellence-Chair Nachwuchsgruppenleiter am Forschungszentrum Borstel.

    „Unsere Studie zeigt auch, dass die Erbgutanalyse der Bakterien bereits eine präzise Vorhersage von Resistenzen gegen wichtige Tuberkulose-Antibiotika ermöglicht und viele der klassischen und oft langwierigen Tests ersetzen kann“, fügt Prof. Stefan Niemann vom Nationalen Referenzzentrum für Mykobakterien in Borstel, einer der Letztautoren der Studie, an. „In Zukunft wollen wir diese bakterielle Genomanalysetechnik speziell in den Tuberkulose-Schwerpunkten im südlichen Afrika, Osteuropa und Zentralasien weiter ausbauen“.

    Die Arbeit wurde von der Bill & Melinda Gates Foundation, dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) sowie dem Schleswig-Holsteinischen Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen“ unterstützt.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    PD Dr. Claudia Denkinger
    Universitätsklinikum Heidelberg
    Claudia.Denkinger[at]Uni-Heidelberg.de
    Prof. Dr. Stefan Niemann
    Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum
    Stellv. Koordinator Tuberkulose
    sniemann[at]fz-borstel.de


    Originalpublikation:

    Investigating resistance in clinical Mycobacterium tuberculosis complex isolates with genomic and phenotypic antimicrobial susceptibility testing: a multicentre observational study, Finci I. et al., Lancet Microbe, 2022, DOI: 10.1016/S2666-5247(22)00116-1.


    Weitere Informationen:

    https://www.dzif.de/de/personalisierte-antibiotika-behandlungsstrategien-bei-tub... DZIF-Pressemitteilung


    Bilder

    Elektronenmikroskopische Aufnahme von Mycobacterium tuberculosis (links); Kreisförmiger phylogenetischer Baum, der die Verwandtschaft, die Herkunft und die individuellen Arzneimittelresistenzen von 900 Isolaten des M. tuberculosis-Komplexes – ei
    Elektronenmikroskopische Aufnahme von Mycobacterium tuberculosis (links); Kreisförmiger phylogenetis ...
    S. Homolka, T. Gutsmann/Borstel
    CC BY 4.0/Finci, I. et al.


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Elektronenmikroskopische Aufnahme von Mycobacterium tuberculosis (links); Kreisförmiger phylogenetischer Baum, der die Verwandtschaft, die Herkunft und die individuellen Arzneimittelresistenzen von 900 Isolaten des M. tuberculosis-Komplexes – ei


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).