Neuer Schwerpunkt für das DEGAM-Erinnerungsprojekt „Das leere Sprechzimmer“ auf dem 56. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin in Greifswald: Dort wird „Das leere Sprechzimmer“ erneut für die Kongressteilnehmer erleb- und begehbar sein. Ein besonderer Fokus wird in diesem Jahr darauf liegen, die nahe bei Greifswald gelegene Erinnerungs- und Begegnungsstätte „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“ in Alt Rehse in das Ausstellungskonzept einzubeziehen.
Kaum vorstellbar: Ein Sprechzimmer ohne Ärztinnen und Ärzte, ohne Patientinnen und Patienten, ohne Beratung, Behandlung, Gespräch. Und doch ist genau das in Deutschland geschehen, als Tausende jüdische Ärztinnen und Ärzte im Nationalsozialismus zuerst schikaniert und dann aus ihren Praxen gedrängt, verfolgt und nicht selten ermordet wurden. Die ärztliche Standesvertretung spielte bei diesem Prozess eine maßgebliche Rolle, auch viele einzelne Ärztinnen und Ärzte haben durch freiwerdende Kassensitze und Praxen profitiert. Sich daran zu erinnern, ist auch viele Jahre später eine zentrale Aufgabe für Ärztinnen und Ärzte.
Für all jene Opfer des Nationalsozialismus hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) „Das leere Sprechzimmer“ als Erinnerungsort auf ihren jährlichen Kongressen geschaffen. Jedes Jahr widmet sich das Projekt einem anderen Schwerpunkt. In den Jahren 2020 und 2021 lag der Fokus auf der Geschichte der Verfolgung jüdischer praktischer Ärztinnen und Ärzte. Dazu konnten – mit Unterstützung der Stiftung Charité und unter Federführung des Berliner Institut für Allgemeinmedizin der Charité – sechs Kurzfilme realisiert werden.
Beim diesjährigen Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (15. bis 17. September 2022 in Greifswald) liegt der Schwerpunkt beim „Leeren Sprechzimmer“ auf der nahe gelegenen „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“ in Alt Rehse. Nach der Geschichte der Opfer steht in diesem Jahr also ein „Täterort“ im Zentrum: Wie und auf welche Weise wurden die Verbrechen in deutschen Sprechzimmern überhaupt erst möglich? Wo und auf welche Weise fand die ideologische Beeinflussung von praktischen Ärztinnen und Ärzten statt? Zu diesen Fragen gibt es in Greifswald in der Ausstellung verschiedene Audioformate sowie Symposien und Workshops.
„Wir wollten mit unserem Projekt Formen finden, um den Opfern eine Stimme zu geben, um von ihren Lebenswegen zu erzählen, auch von ihrer Verzweiflung, nicht mehr als Ärztinnen und Ärzte praktizieren zu dürfen“, erklärt Dr. med. Sandra Blumenthal, Sektionssprecherin Fortbildung und Präsidiumsmitglied in der DEGAM, die das Projekt entwickelt hat und seitdem federführend betreut. „Aus dem Projekt leitet sich für uns als medizinische Fachgesellschaft aber auch die Verantwortung ab, heutige gesellschaftliche Entwicklungen genau zu beobachten. Wir müssen aufmerksam bleiben und alles tun, dass unsere Gesellschaft so offenbleibt, wie sie ist. Für die Medizin bedeutet das, dass wir uns selbstkritisch fragen, ob unsere Sprechzimmer wirklich immer und überall für alle offen sind – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion und sozioökonomischem Hintergrund.“
Bei dem Projekt des „Leeren Sprechzimmers“ sollen vor allem junge Menschen zu Wort kommen: „Viele Medizinstudierende empfinden im Medizinstudium eine gewisse Leerstelle zu diesen medizinethischen Fragen. Es ist wichtig, diese jungen Stimmen zu hören. Sie sind unsere Zukunft. Auch daran wollen wir mit dem Projekt anknüpfen“, erklärt Blumenthal. Das Projekt wird finanziell von der Deutschen Stiftung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin unterstützt. In jedem Jahr nehmen auch interessierte Studierende der DESAM-Nachwuchsakademie daran teil.
Mehr Informationen zum Projekt „Das leere Sprechzimmer“ gibt es online: https://www.degam.de/das-leere-sprechzimmer
Zu den Kurzfilmen geht es hier: https://bit.ly/3S2EtoO
Das ausführliche Programm für den DEGAM-Jahreskongress 2022 gibt es auf der Kongress-Website: https://www.degam-kongress.de/2022/
Pressekontakt:
Dr. Philipp Leson
Natascha Hövener
Pressereferentin
Telefon: 030 – 20 966 98 16
E-Mail: hoevener@degam.de
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)
Schumannstraße 9, 10117 Berlin
http://www.degam.de
Präsident: Prof. Dr. med. Martin Scherer (Hamburg)
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) ist eine wissenschaftliche Fachgesellschaft. Ihre zentrale Aufgabe ist es, die Allgemeinmedizin als anerkannte wissenschaftliche Disziplin zu fördern und sie als Rückgrat der Patientenversorgung weiterzuentwickeln. Die DEGAM ist Ansprechpartnerin bei allen Fragen zur wissenschaftlichen Entwicklung der Allgemeinmedizin an den Hochschulen, zur Fort- und Weiterbildung sowie zum Qualitätsmanagement. Sie erarbeitet eigene wissenschaftlich fundierte Leitlinien für die hausärztliche Praxis und beteiligt sich auch an interdisziplinären Leitlinien anderer
Dr. med. Sandra Blumenthal
Institut für Allgemeinmedizin - Charite Universitätsmedizin
E-Mail: sandra.blumenthal@charite.de
https://www.degam.de/das-leere-sprechzimmer
DEGAM-Jahreskongress 15. bis 17. September 2022 in Greifswald
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Medizin, Philosophie / Ethik
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
Deutsch
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